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VGH München, Beschluss v. 02.07.2019 – 9 ZB 19.32080
Titel:

Ernstliche Zweifel an Richtigkeit des Urteils kein Berufungszulassungsgrund - Asylrecht

Normenkette:
AsylG § 3, § 3e, § 78 Abs. 3
Leitsatz:
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG kein Grund für die Zulassung der Berufung. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, ernstliche Zweifel, Wahrunterstellung, Bedrohung, Zulassung, Onkel, inländische Fluchtalternative, Verfolgungsgefahr
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 16.04.2019 – Au 4 K 7.33448
Fundstelle:
BeckRS 2019, 13917

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 - 9 ZB 19.30057 - juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
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Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, ob „Im Falle der offensichtlicher Beweisnot eines asylsuchenden Flüchtlings, die Anforderungen an die Aufklärung des Gerichtes im Rahmen der vom Kläger geschuldeten Glaubhaftmachung, welcher in hoher Not sein Land verlässt und hierbei nachvollziehbar nicht wissen kann, welche Dokumente dieser später in einem ihm zu der Zeit vollkommen unbekannten Land und hinsichtlich der Modalitäten auch völlig unbekannten Asylverfahren benötigt, dazu führt, dass eine so bezeichnete ‚Steigerung‘, also Ergänzung der Gründe für sich betrachtet bereits eine Unglaublichkeit in sich birgt und eine Verweisung auf angebliche Fluchtalternativen im Herkunftsland, zumal unter Verwendung textblockartiger und aus anderen Urteilen identisch bekannter Formulierungen, nicht gleichwohl eine dem entgegenstehende und individuelle Auseinandersetzung und Prüfung des Tatsachenvortrags des Klägers zu erfolgen hat und somit eine Verweisung auf eine angeblich allgemeine Erkenntnislage per se unzulässig ist“, fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Denn das Verwaltungsgericht hat ergänzend zu der Begründung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im angefochtenen Bescheid, auf die es im Sinne des § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen hat, für den Fall der Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers bezüglich der Bedrohungen durch seinen Onkel eine Verfolgungsgefahr nach § 3 Abs. 1 AsylG verneint, weil es für ihn das Vorliegen einer Fluchtalternative angenommen hat (§ 3e AsylG). Es hat hierzu auch ausgeführt, warum es im Einzelfall des Klägers trotz dessen gegenteiliger Behauptung davon ausgeht, dass sich der Kläger in allen Landesteilen niederlassen könne und als Beispiel Freetown benannt, wo er aufgrund der hohen Bevölkerungszahl unentdeckt vom Onkel leben könne. Der Kläger kritisiert letztlich diese tatrichterliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber gerade kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 - 9 ZB 17.31736 - juris Rn. 4).
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Darüber hinaus ist auch die allgemeine Klärungsbedürftigkeit nicht nachvollziehbar dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2005 - 1 B 10.05 - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2019 - 9 ZB 17.30411 - juris Rn. 6 m.w.N.). Auch in schwierigen Fällen ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, den Beweiswert einer Aussage selbst zu würdigen. Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 - 1 B 118.01 - juris Rn. 3). In welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvortrag zu erfolgen hat und dieser zu prüfen ist, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten. Dies ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 - 9 ZB 18.32680 - juris Rn. 23).
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2. Soweit der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen sinngemäß einen in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmangel geltend macht, käme allenfalls ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör in Betracht (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), der jedoch nicht vorliegt.
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Der Sache nach rügt der Kläger lediglich die Würdigung des Streitstoffs durch das Verwaltungsgericht, womit die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden kann. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn diese auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (BVerwG, B.v. 30.7.2014 - 5 B 25.14 - juris Rn. 13 m.w.N.). Derartige Verstöße zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).