Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 17.01.2019 – W 3 K 17.1235
Titel:

Rundfunkbeitragspflicht des Wohnungsinhaber

Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 2, Abs. 5
Rundfunkbeitragssatzung des Bayerischen Rundfunks § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
Leitsätze:
1. Unabhängig davon, ob in einer Wohnung Geräte vorhanden sind, die den Rundfunkempfang ermöglichen, ist der Inhaber der Wohnung über die Beitragspflicht zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranzuziehen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Widerlegung der Vermutung des § 2 II 2 Nr. 1 RBStV muss ein Nachweis möglich sein, dass die in Anspruch genommene Person nicht Inhaber der Wohnung ist, obwohl sie dort nach dem Melderecht gemeldet ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Auseinanderfallen von melderechtlicher Anmeldung und Inhaberschaft einer Wohnung muss zulässig sein. (Rn. 43 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Anders als im Rundfunkgebührenrecht ist im Rundfunkbeitragsrecht noch nachträglich eine objektive Klärung des Sachverhalts möglich. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Vermutung der Inhaberschaft einer Wohnung, melderechtliche Meldung, Widerlegung der Vermutung, unwiderlegliche Vermutung, Auseinanderfallen von melderechtlicher Meldung und Inhaberschaft der Wohnung, eidesstattliche Versicherung, Beitragspflicht, Meldebestätigung, treuwidrig
Fundstelle:
BeckRS 2019, 11907

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 31. Januar 2018 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger ist beim Einwohnermeldeamt der Stadt Sch … mit Wohnsitz unter der Anschrift B …straße, Sch …, gemeldet. Die Parteien streiten um die Erhebung von Rundfunkbeiträgen für die Wohnung B …straße in Sch … Der Kläger war seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts beim Beklagten mit der Teilnehmer-Nummer … … 62 unter der Anschrift B …straße in Sch … gemeldet; zugleich führte der Beklagte zu Lasten des Klägers das Teilnehmer-Konto … … 35 mit der Anschrift E … Straße in Z … Mit Schreiben vom 29. September 2005 teilte die GEZ dem Kläger mit, aufgrund dessen entsprechenden Antrags sei das Teilnehmer-Konto … … 62 mit Ablauf des Monats Dezember 2005 abgemeldet worden, dies wegen der Auflösung der Wohnung in der B …straße in Sch … Für die Teilnehmer-Nummer … … 35 beglich der Kläger weiterhin die anfallenden Rundfunkgebühren.
2
Am 22. Oktober 2007 teilte der Kläger der GEZ mit, seit dem 1. Oktober 2007 wohne er bei seiner Freundin M. H. in S …, seine Geräte unter der Teilnehmer-Nummer … … 35 in Z … melde er daher ab. Nach verschiedentlichem Schriftverkehr erhob die GEZ ab dem 1. November 2007 vom Kläger unter der Teilnehmer-Nummer … … 35 nurmehr Rundfunkgebühren für ein Radio, welche der Kläger regelmäßig beglich.
3
Mit Schreiben vom 23. April 2013 teilte der Beitragsservice dem Kläger mit, der neue Rundfunkbeitrag für die Wohnung in S … betrage monatlich 17,98 EUR.
4
Im Januar 2015 bat der Beklagte um Aufklärung hinsichtlich der Wohnung unter der Anschrift B …straße in Sch … Daraufhin teilte der Kläger mit Formblatt vom 24. Januar 2015 mit, zwar sei die Meldeanschrift richtig, er habe dort allerdings keine Wohnung. Er lebe nach wie vor bei der Freundin in S … Mit Schreiben vom 20. August 2015 teilte der Beitragsservice dem Kläger mit, das Beitragskonto … … 35 werde mit der Anschrift B …straße in Sch … weitergeführt, da der Kläger für die Anschrift in S … nicht beitragspflichtig sei.
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Auf verschiedene Zahlungsaufforderungen hin teilte der Kläger mit Schreiben vom 11. November 2015 dem Beitragsservice mit, er habe in Sch … in der B …straße zwar den ersten Wohnsitz, er unterhalte dort jedoch nur einen Briefkasten für eingehende Post.
6
Daraufhin bat der Beitragsservice mit Schreiben vom 18. Februar 2016 um die Zusendung einer erweiterten Meldebescheinigung für alle Wohnsitze. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 9. März 2016 erneut mit, er habe in Sch … keine Wohnung, sondern nur einen Briefkasten. Vor vielen Jahren habe er dort eine Wohnung gehabt. Dem entgegnete der Beitragsservice mit Schreiben vom 25. April 2016, da der Kläger unter der Adresse B …straße in Sch … bei der Meldebehörde gemeldet sei, bestehe an dieser Stelle für diese Adresse eine Beitragspflicht.
7
Nach weiterem verschiedentlichem Schriftverkehr erhob der Beklagte vom Kläger mit Bescheid vom 2. September 2016 Rundfunkbeiträge für den Zeitraum April 2015 bis Juli 2015 für eine Wohnung in S … und Rundfunkbeiträge für den Zeitraum August 2015 bis September 2015 für eine Wohnung mit der Anschrift B …straße in Sch …, dies unter der Beitrags-Nummer … … 35.
8
Mit Schreiben vom 3. September 2016 teilte der Kläger mit, das Einwohnermeldeamt könne keine Bescheinigung ausstellen, dass er keine Wohnung in Sch … habe. Deshalb erkläre er an Eides Statt, dass er keine Wohnung in Sch … habe.
9
Mit Schreiben vom 10. September 2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 2016.
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Mit Bescheid vom 1. Februar 2017 erhob der Beklagte vom Kläger für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 Rundfunkbeiträge für eine Wohnung in der B …straße in Sch … Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Februar 2017.
11
Nach weiterem verschiedentlichem Schriftverkehr forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27. April 2017 dazu auf, eine Kopie der Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamts vorzulegen, aus welcher hervor gehe, zu welchem Datum der Kläger die Wohnung aufgegeben habe. Alternativ könne eine erweiterte Meldebescheinigung vorgelegt werden. Es sei darüber hinaus nicht hinreichend mitzuteilen, welche Person nunmehr die fragliche Wohnung bewohne. Denn der Kläger habe die entsprechende Beitrags-Nummer nicht angegeben.
12
Mit Bescheid vom 1. September 2017 erhob der Beklagte vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. Juni 2017 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 165,50 EUR für die Wohnung B …straße in Sch … Gegen den Bescheid vom 1. September 2017 erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. September 2017 Widerspruch mit der Begründung, er habe keine Wohnung unter dieser Anschrift.
II.
13
Am 17. Oktober 2017 erhob der Kläger im vorliegenden Verfahren
„Klage gegen den Festsetzungsbescheid der Gebührenzentrale, 5. K., Beitrags-Nummer … … 35“
und führte zur Begründung aus, er sei im Jahr 2007 aus seiner Wohnung in der B …straße in Sch … ausgezogen und habe sich bei der Gebührenzentrale abgemeldet. Er habe in dem genannten Anwesen gute Bekannte, die für ihn „Briefkasten“ seien, wenn Post kommen sollte. Weil jeder eine Meldeanschrift und eine Zustellungsanschrift brauche, sei er unter dieser Anschrift nach wie vor gemeldet, um der behördlichen Pflicht nachzukommen. Er habe weder in Sch … noch sonstwo eine eigene Wohnung. Er wohne zeitweise bei seiner Freundin unter der Anschrift in S … und halte sich ansonsten bei seinen Kindern als Opa zum „Enkelhüten“ auf.
14
Mit Schreiben vom 29. November 2017 forderte das Gericht den Kläger zur Stellungnahme hinsichtlich des Streitgegenstandes auf, als welchen das Gericht zunächst lediglich den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 in den Raum stellte.
15
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
16
Zur Begründung wurde ausgeführt, Streitgegenstand sei der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017. Der Kläger sei seit dem 1. Februar 1998 unter der Anschrift B …straße in Sch … gemeldet, so dass er als beitragspflichtiger Wohnungsinhaber gesetzlich vermutet werde. Diese gesetzliche Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt, dies sei lediglich mit einer entsprechend korrigierten neuen Meldebescheinigung möglich. Es wäre nämlich treuwidrig, einerseits der Meldebehörde mitzuteilen, die betreffende Wohnung zu bewohnen und andererseits gegenüber der Rundfunkanstalt zu behaupten, tatsächlich wohne man dort nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger weiterhin seinen Briefkasten in einer Wohnung unterhalte, welche ganz offensichtlich von ihm seit Jahren nach seinem Vortrag jedenfalls nicht bewohnt werde. Es sei auch nicht erkennbar, weshalb sich der Kläger nicht bei seinen Kindern oder bei seiner Lebensgefährtin melderechtlich anmelden könne. Die vom Kläger benannte Frau C., die nach Angabe des Klägers nunmehr in der Wohnung B …straße in Sch … wohne, sei derzeit von der Beitragspflicht befreit.
17
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2018 wies der Beklagte die Widersprüche vom 9. Februar 2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Februar 2017 und vom 16. September 2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 vollumfänglich, gegen den Festsetzungsbescheid vom 2. September 2016 unter teilweiser Abänderung des veranlagten Wohnung zurück.
18
Der Kläger trug weiterhin vor, er sei im Jahr 2007 aus der Wohnung in der B …straße in Sch … ausgezogen, weil er sie sich nicht mehr habe leisten können. Um sich allerdings eine Zustellungsanschrift zu erhalten, habe er sich nicht abgemeldet; dies sei mit dem Einwohnermeldeamt in Sch … abgesprochen. Im Anwesen wohne eine befreundete Familie, die die Post für ihn entgegen nehme. Der entsprechende Briefkasten befinde sich außerhalb des Hauses, keinesfalls aber in einer Wohnung.
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Aufgrund einer entsprechenden Anfrage des Gerichts erläuterte der Kläger, er sei weder Eigentümer noch Mieter einer Wohnung im Anwesen B …straße . Die von ihm dort vormals bewohnte Wohnung werde nunmehr von Frau C. bewohnt. Er habe keinen Zugang zum Hausinneren. Die Briefkastenanlage befinde sich im Vorgarten, für den Briefkasten mit seinem Namen habe er keinen Schlüssel. Die mit ihm befreundete Familie H. sende ihm die im entsprechenden Briefkasten eingehende Post zu. Seit seinem Auszug aus der Wohnung B …straße habe er sich dort auch nicht mehr aufgehalten. Er sei weder in S … noch sonstwo melderechtlich gemeldet.
20
Mit Schreiben vom 5. November 2018 legte der Kläger eine bei einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung vor.
21
Der Bevollmächtigte des Beklagten äußerte sich dahingehend, die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV könne nur durch eine melderechtliche Abmeldung und gegebenenfalls Neuanmeldung an einem anderen Ort widerlegt werden. Wer eine Anmeldung für eine Wohnung vornehme, die er nicht beziehe, begehe eine Ordnungswidrigkeit. Der Vortrag des Klägers sei nicht geeignet, die Vermutungsregelung zu widerlegen. Die vom Kläger abgegebene eidesstattliche Versicherung beziehe sich nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum.
22
Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2019, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23
Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht trotz Ausbleibens sowohl des Klägers als auch eines Bevollmächtigten oder Vertreters des Beklagten über das vorliegende Verfahren verhandeln und entscheiden.
24
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 31. Januar 2018. Dies hat der Kläger auf entsprechende Anfragen des Gerichts vom 29. November 2017 und vom 8. November 2018 mit Schreiben vom 15. November 2018 bestätigt.
25
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid vom 1. September 2017 erweist sich als rechtswidrig und er verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. Juni 2017 hinsichtlich der Wohnung in der B …straße in Sch … nicht rundfunkbeitragspflichtig war.
26
Dies ergibt sich aus Folgendem:
27
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages ist § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages - RBStV - i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl. S. 258, ber. S. 404) in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
28
Mit der Neuregelung der Rundfunkfinanzierung durch den 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge erfolgte eine Abkehr von dem bisherigen Finanzierungsmodell, bei dem eine Gebühr für das Bereithalten von Rundfunkgeräten erhoben wurde. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen der Neuregelung war die statistisch belegte Tatsache, dass durch das Konglomerat von herkömmlichen Geräten, neuartigen Geräten (z.B. internetfähige PCs), stationären und mobilen Geräten in Deutschland in nahezu allen Wohnungen und Betriebsstätten die Möglichkeit zum Rundfunkempfang besteht (Schneider in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage, vor RBStV Rn. 29 und 30).
29
Die Rundfunkbeitragspflicht knüpft an das Innehaben einer Wohnung an. Unabhängig davon, ob in einer solchen Wohnung Geräte vorhanden sind, die den Rundfunkempfang ermöglichen, ist der Inhaber der Wohnung über die Beitragspflicht zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranzuziehen. In der Begründung zum Gesetzesentwurf (Landtags-Drs. 16, 7001, S. 12) wird hierzu ausgeführt: „Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann aber nicht notwendig empfangen (haben) muss“.
30
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag entspricht der Verfassung des Freistaates Bayern, dem Grundgesetz und den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften. Er bildet eine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen (so die ständige Rechtsprechung des VG Würzburg, vgl. zuletzt W 3 K 17.434 - U.v. 5.3.2019 - n.v. unter Berufung auf folgende Entscheidungen: BayVerfGH v. 15.5.2014 - Vf.8-VII-12 und Vf.24-VII-12 - NJW 2014, 3215; BayVGH, B.v. 21.8.2018 - 7 BV 18.7, B.v. 20.6.2017 - 7 B 15.2547 -, U.v. 16.6.2015 - 7 BV 14.707 - alle juris; BVerfG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15 - NVwZ 2016, 1081; BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - NVwZ 2018, 1293; EuGH, U.v. 13.12.2018 - Südwestrundfunk, C-492/17 - BeckRS 2018, 31908).
31
Allerdings unterliegt der Kläger nicht der Rundfunkbeitragspflicht nach diesem Staatsvertrag.
32
Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung in diesem Sinne ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV wird als Inhaber jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist.
33
Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht gemäß § 8 Abs. 1 RBStV beim Beklagten angezeigt, dass er Inhaber einer Wohnung in der B …straße in Sch … ist. Vielmehr hat er dem Beklagten - von diesem mit Schreiben vom 29. September 2005 bestätigt - mitgeteilt, dass er die Wohnung in der B …straße in Sch … aufgelöst hat.
34
Allerdings hat ein entsprechender Meldedatenabgleich ergeben, dass der Kläger beim Einwohnermeldeamt der Stadt Sch … unter der Anschrift B …straße amtlich gemeldet ist. Deshalb beruft sich der Beklagte auf die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV.
35
Dem gegenüber hat der Kläger diese Vermutung widerlegt.
36
Aus der Landtagsdrucksache 16/7001 vom 21. Januar 2011 - Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) - Begründung, B., I., B., zu § 3 ergibt sich, das die Vermutung nach Abs. 2 Satz 2 des § 2 RBStV widerlegt werden kann. Den Nachweis, dass eine Wohnung nicht bewohnt wird, hat die betreffende gemeldete Person zu führen. Die sich aus dem Melderecht ergebende Verpflichtung, sich an-, um- oder abzumelden, bleibt davon unberührt. Die Landesrundfunkanstalten legen in ihren Satzungen Kriterien für diesen Nachweis fest, um eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen.
37
Auf dieser Grundlage hat der Beklage in seiner Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 15. Dezember 2016 (StAnz. Nr. 51 bis 52/2016) Regelungen zur Widerlegung dieser Vermutung geschaffen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragssatzung kann die Rundfunkanstalt im Einzelfall verlangen, dass ein Nachweis erbracht wird für alle Tatsachen, die Grund, Höhe oder Zeitraum der Beitragspflicht betreffen, insbesondere für die Widerlegung der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV (Inhaberschaft einer Wohnung). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. Rundfunkbeitragssatzung sind die Nachweise durch Urkunden zu erbringen. Dabei soll der Beitragsschuldner darauf hingewiesen werden, welche Daten zum Nachweis benötigt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Rundfunkbeitragssatzung). Als Nachweis ist in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 insbesondere eine Meldebescheinigung der Meldebehörde vorzulegen (§ 6 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. Rundfunkbeitragssatzung).
38
Auf der Grundlage dieser Regelungen vertritt der Beklagte die Auffassung, eine Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV sei ausschließlich durch die Vorlage einer anderslautenden Meldebescheinigung der Meldebehörde möglich. Er beruft sich hierbei auf die Argumentation, es wäre treuwidrig, einerseits der Meldebehörde mitzuteilen, die betreffende Wohnung zu bewohnen bzw. bezogen zu haben, andererseits aber gegenüber der Rundfunkanstalt zu behaupten, tatsächlich wohne man dort nicht (unter Berufung auf Göhmann/Schneider/Siekmann in Binder/Vesting, Beck`scher Komm. zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 RBStV, Rn. 22).
39
Dem kann das Gericht nicht folgen.
40
Dies ergibt sich schon daraus, dass mit der oben genannten Sichtweise die widerlegliche Vermutung unzulässig in eine unwiderlegliche Vermutung gewendet werden würde. Denn die widerlegliche Vermutung stützt sich allein und ausschließlich auf den melderechtlichen Sachverhalt, nämlich, dass die betreffende Person für die entsprechende Wohnung nach Melderecht gemeldet ist. Lässt man für die Widerlegung der Vermutung aber allein und ausschließlich wiederum denselben melderechtlichen Sachverhalt zu, dann ist es denklogisch nicht möglich, die Vermutung zu widerlegen.
41
Anders gewendet: Der Beklagte macht mit seiner Rechtsansicht die Tatsache, dass ein Person für eine bestimmte Wohnung melderechtlich gemeldet ist, zum alleingültigen und nicht veränderbaren Maßstab. Demgegenüber ist es Sinn und Zweck einer widerleglichen Vermutung, zwar für die Annahme einer bestimmten Tatsache als Tatbestandsvoraussetzung für eine bestimmte Rechtsfolge einen einfach festzustellenden Sachverhalt heranzuziehen, aber einen Beweis zuzulassen, dass trotz des festgestellten Sachverhalts die entscheidungserhebliche Tatsache nicht vorliegt. Konkret für die vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass für die Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ein Nachweis hinreichend sein muss, dass der Kläger nicht Inhaber der Wohnung ist, obwohl er dort nach dem Melderecht gemeldet ist. Denn nur wenn man im Rahmen der Widerlegung der Vermutung ein Auseinanderfallen von Meldung nach dem Melderecht und Inhaberschaft der Wohnung zulässt, ist die Vermutung auch tatsächlich widerlegbar.
42
Demgegenüber will es der Beklagte lediglich zulassen, die Vermutungswirkung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ausschließlich dann entfallen zu lassen, wenn der Sachverhalt, der die Vermutung zur Folge hat, entfällt, im vorliegenden Fall also die Meldung nach dem Melderecht selbst. Damit setzt er aber unzulässiger Weise ausschließlich bei der Vermutungswirkung selbst an und nicht bei deren Widerlegung. Denn wenn der Betroffene mittels einer Meldebescheinigung beweist, dass er doch nicht für die Wohnung gemeldet ist, entfällt damit schon die Vermutungswirkung als solche und die Frage nach der Widerlegung der Vermutung kann sich nicht mehr stellen.
43
Dass im Rahmen der Widerlegung der Vermutung - wie oben dargestellt - ein Auseinanderfallen von melderechtlicher Anmeldung und Inhaberschaft der Wohnung zulässig sein muss, ergibt sich auch aus der Formulierung in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 2. Alt. Rundfunkbeitragssatzung. Der Nachweis zum Zweck der Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ist hiernach durch Urkunden zu erbringen, insbesondere (Hervorhebung durch das Gericht) eine Meldebescheinigung der Meldebehörde vorzulegen. Die Wahl des Wortes „insbesondere“ macht deutlich, dass auch andere Urkunden als Meldebescheinigungen zur Widerlegung der Vermutung zulässig sind.
44
Das selbe ergibt sich auch daraus, dass der Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unter Begründung, B., I., B., zu § 2 ausdrücklich darauf hinweist, dass die sich aus dem Melderecht ergebende Verpflichtung, sich an-, um- oder abzumelden, von der Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV unberührt bleibt. Auch dies mach deutlich, dass ein Auseinanderfallen von melderechtlicher Meldung und Inhaberschaft der Wohnung möglich sein muss.
45
Dies ergibt sich zudem auch aus dem Rechtsgedanken des § 8 Abs. 2 RBStV. Hiernach ist das Ende des Innehabens einer Wohnung der zuständigen Landesrundfunkanstalt unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Nach § 8 Abs. 5 RBStV ist zusätzlich das Datum des Endes des Innehabens der Wohnung und der die Abmeldung begründende Lebenssachverhalt mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen. Dies macht deutlich, dass auch im Fall der Abmeldung nicht allein und ausschließlich auf die Frage abgestellt wird, ob die betreffende Person melderechtlich gemeldet ist oder nicht. Damit soll eine Überprüfung der Plausibilität und Richtigkeit des Abmeldegrundes ermöglicht werden (Gall in Binder/Vesting, Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 8 RBStV Rn. 34) und auch in diesem Fall wird ein Auseinanderfallen von melderechtlicher Meldung und Inhaberschaft der Wohnung in Kauf genommen.
46
Die Sichtweise, dass die Vermutung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 RBStV auch auf andere Weise als durch Vorlage einer entsprechenden Meldebescheinigung widerlegt werden kann, teilt auch der Kommentator Winter im Kommentar Binder/Vesting, Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018. In § 9 RBStV, Anhang, § 6 Mustersatzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge, Rn. 9 führt er aus, dass die Rundfunkanstalt im Einzelfall auch andere Nachweise als die regelbeispielhaft aufgeführte Meldebescheinigung akzeptieren kann, wenn sie dies für zweckmäßig hält, dies unter Berufung auf das schon oben genannte Wort „insbesondere“ in § 6 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. Rundfunkbeitragssatzung. Für das erkennende Gericht unerheblich ist es, dass sich der Kommentator Winter hiermit anders positioniert als die Kommentatoren Göhmann/Schneider/Siekmann im selben Kommentar, § 2 RBStV Rn. 22.
47
Letztendlich führt auch das Argument des Beklagten nicht weiter, es wäre treuwidrig, einerseits der Meldebehörde mitzuteilen, die betreffende Wohnung zu bewohnen, andererseits aber gegenüber der Rundfunkanstalt zu behaupten, tatsächlich wohne man nicht dort. Ein derartiger Grundsatz, dass der Anmeldende grundsätzlich nach Treu und Glauben an seine Anmeldung (bei der Rundfunkanstalt) gebunden ist, war im früheren Rundfunkgebührenrecht akzeptiert mit der Begründung, im Massenverfahren des Rundfunkgebühreneinzugs sollten aufwendige und im Nachhinein kaum noch mögliche Ermittlungen hinsichtlich des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgeräts nach § 3 RGeBStV vermieden werden. Anders als im Rundfunkgebührenrecht ist im Rundfunkbeitragsrecht noch nachträglich eine objektive Klärung des Sachverhalts möglich. Damit ist eine Berufung auf Treu und Glauben nicht mehr veranlasst (vgl. Gall in Binder/Vesting, Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 8 RBStV Rn. 39 bis 40 m.w.N.). Der gleiche Gedanke muss zum Verhältnis von melderechtlicher Anmeldung und Rundfunkbeitragspflicht hinsichtlich der Frage nach Treu und Glauben Gültigkeit haben (vgl. hierzu nochmals LT-Drs. 16/7001 Begründung, B., I., B., zu § 2).
48
Damit steht fest, dass der Kläger die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV auch mit anderen Urkunden als mit einer Meldebescheinigung widerlegen kann.
49
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Vermutung, dass er Inhaber einer Wohnung mit der Anschrift B …straße in Sch … ist, widerlegt. Er hat eine notarielle eidesstattliche Versicherung gemäß § 22 Abs. 2 BNotO mit folgendem Inhalt vorgelegt:
„Auf Antrag beurkunde ich, entsprechend den mir abgegebenen Erklärungen Folgendes:
Zur Vorlage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg Burkarderstraße 26 97082 Würzburg in der Verwaltungsstreitsache … gegen ... Anstalt des öffentlichen Rechts, Abteilung Beitragsservice wegen Rundfunkbeitrag,
Akz.: W 3 K 17.1235
wie folgt:
„Ich, … erkläre, dass ich keine Wohnung in Sch …, B …straße habe.“
Ich halte dort auch keine Wohnung als Hauptmieter vor, um sie zu irgendeiner Zeit nutzen zu können.
Ich bin auch nicht Eigentümer einer Wohnung in Sch …, B …straße .
Ich habe für das Anwesen in Sch …, B …straße keine Schlüssel und somit auch keinen Zutritt.“
50
Voraussetzung für die Inhaberschaft einer Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 1 RBStV ist, dass die Person die Wohnung jederzeit zum tatsächlichen Wohnen nutzen kann, weil sie Mieterin oder Eigentümerin der Wohnung ist und ständigem Zutritt hat. Es genügt also ein „zum Wohnen Bereithalten“.
51
Aus der oben genannten eidesstattlichen Versicherung ergibt sich demgegenüber, dass der Kläger weder Eigentümer noch Mieter einer Wohnung in der B …straße in Sch … ist, dass er für eine solche Wohnung keinen Zutritt, nicht einmal einen Schlüssel hat und dass er damit dort keine Wohnung zum Wohnen bereit hält. Für das Gericht besteht keinerlei Anlass, dieser strafbewehrten (§ 156 StGB) eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben zu schenken. Gegenteiliges hat auch die Beklagtenseite nicht vorgetragen.
52
Entgegen der Ansicht des Beklagten bezieht sich die eidesstaatliche Versicherung auch auf den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. Juni 2017. Zwar ist dieser Zeitraum nicht explizit im Text der eidesstattlichen Versicherung genannt; er ergibt sich jedoch hinreichend eindeutig aus der Bezugnahme der eidesstattlichen Versicherung auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens durch Nennung des Aktenzeichens W 3 K 17.1235 im Text der eidesstattlichen Versicherung.
53
Aus alledem ergibt sich, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. Juni 2017 nicht Inhaber einer Wohnung mit der Anschrift B …straße in Sch … war und demzufolge nicht kraft Gesetzes gemäß § 7 Abs. 1 RBStV eine Pflicht zur Entrichtung entsprechender Rundfunkbeiträge entstanden ist, die der Beklagte gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV mit Bescheid festsetzen durfte. Deshalb erweist sich der angegriffene Bescheid vom 1. September 2017 als rechtswidrig und er verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war deshalb in vollem Umfang aufzuheben.
54
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO).