Inhalt

LSG München, Beschluss v. 20.05.2019 – L 8 AY 19/19 NZB
Titel:

Zur Unzulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde bei kraft Gesetzes statthafter Berufung

Normenketten:
AsylbLG
§ 1
§ 3
SGG
Satz 2 § 144 Abs. 1
§ 145 Abs. 1
§ 145 Abs. 3
Satz 4 § 145 Abs. 4
§ 145 Abs. 5 analog
§ 193 analog
Leitsätze:
1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG ist unzulässig, wenn die Berufung bereits kraft Gesetzes statthaft ist.
2. Die Aufhebung des Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts ist nicht erforderlich. In der Entscheidung über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig ist jedoch klarstellend festzustellen, dass die Berufung bereits kraft Gesetzes statthaft ist.
3. Mangels (analoger) Anwendbarkeit von § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG ist die Berufung binnen der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gesondert einzulegen.
4. Prozesskostenhilfe für eine unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde kann mangels hinreichender Erfolgsaussicht nach § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO nicht bewilligt werden.
5. Bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung ist in entsprechender Anwendung des § 193 SGG und unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 154 Abs. 4 VwGO ausnahmsweise die Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren auf die Staatskasse geboten.
Schlagworte:
Berufung kraft Gesetzes statthaft, fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, keine Prozesskostenhilfe, Kostenauferlegung Staatskasse, unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde
Vorinstanz:
SG München, Urteil vom 24.01.2019 – S 45 AY 237/18
Fundstelle:
BeckRS 2019, 10618

Tenor

I.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.01.2019 (S 45 AY 237/18) kraft Gesetzes statthaft ist.
III.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt.
IV.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger (die Bezeichnung der Beteiligten aus dem erstinstanzlichen Verfahren wird beibehalten) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München (SG) vom 24.01.2019.
2
Streitgegenständlich in der Sache ist die Gewährung höherer Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab 01.02.2018.
3
Der nach eigenen Angaben am 04.02.1992 geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste Ende 2015 / Anfang 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde laut Erstregistrierung unter dem Namen A., registriert. Der Kläger wurde zum 26.01.2016 dem Beklagten zugewiesen und erhielt dort seither Leistungen nach dem AsylbLG, zunächst nach § 3 AsylbLG, ab 01.06.2017 nach § 2 AsylbLG.
4
Mit Bescheid vom 06.05.2017 lehnte das BAMF den Asylantrag des Klägers vom 31.05.2016 ab. Die dagegen am 12.05.2017 erhobene Klage ist noch am Verwaltungsgericht München anhängig (M 21 K 17.39889).
5
Am 09.12.2017 wurde der Kläger bei einer Grenzkontrolle in Salzburg durch die Bundespolizei aufgegriffen. Der Kläger wies sich mit einem abgelaufenen italienischen Reisepass (gültig vom 16.10.2015 bis 09.10.2017) sowie einer abgelaufenen italienischen Aufenthaltserlaubnis (gültig vom 09.10.2015 bis 09.10.2017) aus. Beide Dokumente waren auf den Familiennamen B. und den Vornamen G. ausgestellt, Geburtsdatum 01.04.1995. Die INPOL-Abfrage ergab die Identität des Aufgegriffenen mit dem unter den Namen A. bzw. A., geboren am 04.02.1992, registrierten Kläger.
6
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 11.01.2018 dazu an, dass ihm wegen der Verwendung des ALIAS-Namens G. B. „der § 2 AsylbLG zum 01.02.2018 entzogen“ werde. Mit Bescheid vom 23.01.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab 01.01.2018 bis auf weiteres monatlich 356,65 Euro gemäß § 2 AsylbLG. Mit Bescheid vom 24.01.2018 widerrief der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab 01.02.2018 und bewilligte Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von 320,14 Euro monatlich. Der Kläger habe seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich durch die Benutzung eines ALIASNamens beeinflusst. Außerdem habe sich der Kläger von April 2017 bis Dezember 2017 in Italien aufgehalten, so dass von einer wesentlichen Unterbrechung des Aufenthalts in Deutschland ausgegangen werden könne.
7
Den Widerspruch des Klägers vom 20.02.2018 wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2018 zurück.
8
Der Kläger verfolgte mit der am 21.06.2018 beim Sozialgericht München erhobenen Klage sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2019 trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass sich der Name des Klägers aus dem Vornamen A., dem Familiennamen A., dem weiteren Vornamen des Vaters G. und dem Familiennamen des Vaters B. zusammensetze. Er habe bei der Erstaufnahme/Registrierung der Daten am 07.12.2015 als Familiennamen A. und den Vornamen angegeben, damit der Name nicht zu lang werde. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24.01.2019 ab. Der Kläger habe für die Zeit ab 01.02.2018 keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG. Das SG ließ die Berufung nicht zu, da keine Zulassungsgründe gegeben seien. Der Streitgegenstand belaufe sich auf einen Differenzbetrag in Höhe von 39,51 Euro monatlich (359,65 Euro - 320,14 Euro) für 11 Monate in 2018 sowie in Höhe von 44,51 Euro monatlich (364,65 Euro - 320,14 Euro) für Januar 2019, insgesamt 469,07 Euro. Ein Streitwert in Höhe von 750 Euro sei damit nicht erreicht (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
9
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob am 25.02.2019 gegen das ihm am 11.02.2019 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Nichtzulassungsbeschwerde. Das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, da keinerlei Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob der Kläger bei Angabe des verlängerten Namens ein kürzeres Verfahren hätte vergegenwärtigen müssen. Außerdem sei die Ausländerakte nicht vom VG München beigezogen worden, aus der eindeutig hervorgehe, dass dem BAMF alle Namensteile vor der ablehnenden Entscheidung vom 06.05.2017 bekannt gewesen seien. Die niemals unrichtige Namensnennung habe keinen Einfluss auf die Dauer des Aufenthalts gehabt. Das SG habe seine Amtsermittlungspflicht und dadurch das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. Hierauf beruhe das Urteil auch. Die Rechtssache habe zudem auch grundsätzliche Bedeutung.
10
Der Kläger beantragt,
die Berufung zuzulassen und ihm für das Verfahren und das möglicherweise sich anschließende Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
11
Der Beklagte verwies auf den Widerspruchsbescheid vom 28.05.2018, die Stellungnahme zum Widerspruch vom 15.03.2018 und das Urteil des SG vom 24.01.2019. Eine Kürzung der Leistungen nach § 1a AsylbLG, wie im Schreiben des Bevollmächtigten vom 25.02.2019 unter anderem ausgeführt, sei nicht Gegenstand des Bescheides vom 24.01.2018. Zur erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde erfolgten keine Ausführungen und keine Antragstellung.
12
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
II.
13
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Berufung vorliegend bereits kraft Gesetzes nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft ist. Diese kann auch noch wirksam eingelegt werden, da infolge der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrungdurch das SG die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gilt.
14
Nach § 145 Abs. 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Die Berufung bedarf der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
15
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 24.01.2019, Ziffer III., wurde frist- und formgerecht gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 11.02.2019 zugestellte Urteil erhoben (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG).
16
1. Im vorliegenden Fall ist das SG allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung der Zulassung bedarf. Unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes betrifft die Berufung vorliegend wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, so dass es keiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung im Urteil des SG bedurfte, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG.
17
Wie auch § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG stellt § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den mit der Berufung (noch) verfolgten Anspruch ab. Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch insoweit die Einlegung der Berufung (Groth in: Krasney/Udsching, VIII Rdnr. 19; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 144, Rdnr. 28). Welche Dauer an Leistungen streitig ist, ist ggf. durch Auslegung des Klage- und Berufungsbegehrens sowie der erstinstanzlichen Entscheidung zu ermitteln. Hat das Sozialgericht zukunftsoffen verurteilt bzw. ist die zukunftsoffene Gewährung von Leistungen streitig, so übersteigt dies in der Regel die Jahresgrenze (vgl. Breitkreuz/Schreiber in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 144 Rdnr. 14 und 16; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 144, Rdnr. 28). Zwar war hier im Zeitpunkt des Urteilsausspruchs des SG am 24.01.2019 der Jahreszeitraum knapp noch nicht erreicht, da streitig die gewährte Leistungshöhe ab 01.02.2018 war. Abzustellen ist hier jedoch auf den Zeitpunkt einer vorliegend noch möglichen Berufungseinlegung (s. dazu unten). In diesem Zeitpunkt - wie auch schon zur Zeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 25.02.2019, die nach § 145 Abs. 3 SGG die Rechtskraft des Urteils hemmt - werden streitgegenständlich laufende Leistungen für mehr als ein Jahr sein, da es um die Leistungshöhe der dem Kläger zukunftsoffen gewährten niedrigeren Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG für die Zeit ab 01.02.2018 geht.
18
Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 24.01.2018, mit dem die Bewilligung mit Bescheid vom 23.01.2018 (Leistungen nach § 2 AsylbLG „ab 01.01.2018 bis auf weiteres monatlich“) mit Wirkung ab 01.02.2018 widerrufen wurde und dem Kläger „ab 01.02.2018“ nur noch Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt wurden. Zwar enthielt der Bescheid vom 23.01.2018 den Hinweis, die Bewilligung der Folgemonate ergehe durch die jeweilige Auszahlung. Dem Bescheid vom 24.01.2018 (überschrieben mit „Festsetzung der laufenden Leistungen nach dem AsylbLG“ und tenoriert in Ziffer 2. mit „Sie erhalten daher ab 01.02.2018 wieder Leistungen gemäß §§ 1, 3 und 4 AsylbLG in Höhe von 320,14 Euro.“) lässt sich jedoch - auch im Hinblick auf die Aufforderung am Ende des Bescheides, Änderungen in den persönlichen oder finanziellen Verhältnissen unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen - eindeutig entnehmen, dass damit die Gewährung der (niedrigeren) Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG dauerhaft für die Zeit ab 01.02.2018 erfolgen sollte (vgl. auch BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 9b AY 1/06 R, juris, Rdnr. 10, 12 ff.).
19
Da die Berufung damit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG bereits kraft Gesetzes gegeben ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über deren Zulassung. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist bereits unstatthaft (vgl. Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 145, Rdnr. 11) und nach § 202 SGG iVm § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
20
Dem Ausspruch in dem Urteil des SG, dass die Berufung nicht zugelassen werde, kommt keine konstitutive Bedeutung zu, denn das LSG ist hieran - anders als an die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 3 SGG - nicht gebunden. Einer Aufhebung des Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung in Ziffer III. des Urteils des SG bedarf es daher nicht (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.12.2011 - L 25 AS 1946/11 NZB; LSG Thüringen, Beschluss vom 14.04.2015 - L 6 R 1321/14 NZB; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2016 - L 9 AS 4693/15 NZB wegen des bestehenden Rechtsscheins, der ein Rechtsschutzbedürfnis für die NZB begründe). Das Gericht gewährt im sozialgerichtlichen Verfahren Rechtsschutz nicht von Amts wegen (keine Offizialmaxime), sondern nur und soweit es der Kläger beantragt. Im Hinblick auf diese Dispositionsmaxime und den ausdrücklich gestellten Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des SG vom 24.01.2019 zuzulassen, ist eine Aufhebung der (fehlerhaften) Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung vorliegend nicht veranlasst (vgl. auch LSG Thüringen, Beschluss vom 09.05.2012 - L 7 AS 7/10 NZB unter Verweis auf das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Aufhebung; a.A. und für eine Aufhebung aus Gründen der Rechtssicherheit: Breitkreuz/Schreiber in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 145, Rdnr. 17; Sommer in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 145, Rdnr. 23; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 145, Rdnr. 11, 26 unter Hinweis darauf, dass dies im Gesetz so aber nicht vorgesehen sei).
21
Mit Blick auf die sonst eintretende Rechtsfolge des § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG („Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.“) ist vom Senat jedoch klarstellend festzustellen, dass die Berufung vorliegend nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG bereits kraft Gesetzes statthaft ist. Denn mit dem Begriff der „Ablehnung“ in § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird nicht zwischen der Verwerfung als unzulässig und der Zurückweisung als unbegründet unterschieden; erfasst sind daher beide Fälle (vgl. Berchtold/Lüdtke in: Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 145, Rdnr. 19 und Sommer in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 145, Rdnr. 24).
22
2. Die Berufung kann vorliegend auch noch fristgemäß eingelegt werden. Mangels einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung durch den Senat tritt die Rechtsfolge des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht ein. Das Beschwerdeverfahren wird nicht (automatisch) kraft Gesetzes als Berufungsverfahren fortgesetzt (vgl. auch Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 145, Rdnr. 21). Vielmehr bedarf es noch der gesonderten Einlegung der Berufung, was vorliegend im Hinblick auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrungim Urteil des SG nach § 66 Abs. 2 SGG auch noch möglich ist. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung an, dass eine entsprechende Anwendung des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG in der vorliegenden Fallkonstellation ausgeschlossen ist, da es hierfür an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, die durch eine Analogie geschlossen werden könnte. Denn bei einer irrtümlich ausgesprochenen Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG haben die Beteiligten die Möglichkeit, gegen das Urteil entweder sogleich oder nach Aufhebung der Entscheidung über die Nichtzulassung Berufung einzulegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.12.2011 - L 25 AS 1946/11 NZB; LSG Thüringen, Beschluss vom 14.04.2015 - L 6 R 1321/14 NZB; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2016 - L 9 AS 4693/15 NZB; a.A. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 144, Rdnr. 46; § 145, Rdnr. 11).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung und unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 154 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zwar regelt § 193 SGG direkt nur die Erstattung der Kosten zwischen den Beteiligten und nicht gegenüber Dritten, wie z. B. der Staatskasse. Der Senat hält hier jedoch mit Blick auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungim Urteil des SG eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auf die Staatskasse in entsprechender Anwendung des § 193 SGG ausnahmsweise für gerechtfertigt und geboten (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.08.2017 - L 14 U 49/17; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 193, Rdnr. 13; LSG Berlin-Brandenburg v. 29.12.2011 - L 25 AS 1946/11 NZB, juris, Rdnr. 6, wonach keine Vorschrift im SGG existiere, die eine Kostenauferlegung auf die Staatskasse bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrungdes SG vorsehe; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.07.2017 - L 9 AS 1068/17, juris, Rdnr. 28: von einem Anwalt könne erwartet werden, dass er das richtige Rechtsmittel einlege). Während es für Gerichtskosten in § 21 Gerichtskostengesetz (GKG - Nichterhebung von Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären) und sogar für die Pauschgebühr in § 190 SGG einschlägige Regelungen gibt, wonach eine Gebühr, die durch unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld der gebührenpflichtigen Beteiligten entstanden ist, niedergeschlagen werden kann, soll insbesondere § 21 GKG nach überwiegendem Verständnis nicht - auch nicht analog - für außergerichtliche Kosten gelten (vgl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 193, Rdnr. 8a; BFH, Beschluss vom 24.01.2008 - XI R 63/06, juris, Rdnr. 19; Dörndorfer in: BeckOK Kostenrecht, 25. Ed., § 21 GKG, Rdnr. 1).
24
§ 154 Abs. 4 VwGO sieht die Möglichkeit einer Kostenauferlegung auf die Staatskasse für den Fall vor, dass ein Wiederaufnahmeverfahren erfolgreich war und die Kosten nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind. Grund hierfür ist, dass die Wiederaufnahme gerade wegen eines Fehlers erfolgreich ist, der in der Sphäre des Gerichts angesiedelt ist (vgl. Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 154, Rdnr. 7). Auch dem SGG ist eine Kostenauferlegung auf die Staatskasse, auch im gerichtskostenfreien Verfahren, nicht fremd. So wird § 193 SGG ausnahmsweise entsprechend angewendet und es können der Staatskasse Kosten auferlegt werden, wenn dem Kläger durch die Anhörung eines bestimmten Sachverständigen nach § 109 SGG Sachverständigenkosten entstanden sind und sich herausstellt, dass die Beauftragung des Sachverständigen das Prozessergebnis gefördert hat. Ein Obsiegen des Klägers in dem Verfahren ist hierfür nicht Voraussetzung (vgl. von Kageneck in: BeckOK Kostenrecht, 25. Ed., § 193 SGG, Rdnr. 4.1). Eine Kostenauferlegung auf die Staatskasse wird außerdem auch bei einer der Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss stattgebenden Entscheidung analog § 193 SGG anerkannt (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 111, Rdnr. 6c; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2009 - L 13 AS 5633/08 B; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 193, Rdnr. 14 mwN). Vorliegend ist die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde durch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungdes SG veranlasst und liegt damit in der Sphäre des Gerichts. Im erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist der Antragsteller dadurch geschützt, dass dieses Verfahren nach § 145 Abs. 5 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt wird und die Kostenentscheidung der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleibt, die dann die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde umfasst (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 145, Rdnr. 10). Da das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in der vorliegenden Fallgestaltung nach den obigen Ausführungen jedoch nicht nach § 145 Abs. 5 SGG analog als Berufungsverfahren fortgesetzt werden kann, müsste der Antragsteller letztlich seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Denn Prozesskostenhilfe für das (erfolglose) Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kann dem Antragsteller nicht bewilligt werden, da die nicht statthafte Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 73 a SGG iVm § 114 ZPO). Angesichts der Verursachung des Beschwerdeverfahrens aus der Sphäre des Gerichts erscheint dieses Ergebnis dem Senat im sozialgerichtlichen Verfahren zu Lasten eines nach § 183 SGG privilegierten Beteiligten nicht gerechtfertigt.
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4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren war abzulehnen. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend war jedoch die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Statthaftigkeit der Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, so dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bot.
26
Dieser Beschluss ist nach §§ 177 SGG unanfechtbar.