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791-U

Schutz des Europäischen Netzes „Natura 2000“

Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen, des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
vom 4. August 2000, Az. 62-8645.4-2000/21

(AllMBl. S. 544)

Zitiervorschlag: Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen, des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen über den Schutz des Europäischen Netzes „Natura 2000“ vom 4. August 2000 (AllMBl. S. 544)

An die Kreisverwaltungsbehörden
die unteren Bauaufsichtsbehörden
die Regierungen
die Direktionen für ländliche Entwicklung
die Forstämter
die Forstdirektionen
nachrichtlich an
die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften
die Landkreise
die Bezirke
Die Bekanntmachung dient der zweckmäßigen und einheitlichen Umsetzung der FFH-Richtlinie im Freistaat Bayern.
1 Ziel der FFH-Richtlinie
2 Rechtsgrundlagen
3 Gebietskulisse für das Verschlechterungsverbot
3.1 Gebietskulisse nach amtlicher Bekanntgabe
3.2 Vorwirkung der Richtlinie
3.3 Gebiete im Konzertierungsverfahren
4 Zeitlicher Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbotes
5 Schutzmaßnahmen
5.1 Verpflichtung zum Schutz
5.2 Grundprinzip
5.3 Schutzmöglichkeiten
5.4 Sicherung durch planerische Festlegungen
5.5 Gebiete, die keines weiteren Schutzes bedürfen
5.6 Auswahl der Schutzmethode
5.7 Schutz als gesamtstaatliche Aufgabe
5.8 Rechtsschutz
6 Gebietsmanagement
6.1 Managementplan
6.2 Erhaltungsmaßnahmen
6.3 Monitoring
6.4 Berichtspflichten
6.5 Gebietsmanagement im Wald
6.5.1 Gebiete, die ausschließlich aus Waldflächen bestehen
6.5.2 Gebiete, die nicht ausschließlich aus Waldflächen bestehen
6.5.3 Berichtspflichten
7 Finanzieller Ausgleich, Entgelt bei vertraglichen Vereinbarungen
7.1 Keine pauschale FFH-Prämie
7.2 Entschädigung und Ausgleich
7.3 Vertragsnaturschutz
7.4 Sonstige Fördermittel
7.5 EU-Kofinanzierung
8 Bedeutung des Verschlechterungsverbots
8.1 Grundsätze
8.2 Bisherige Nutzungen und Nutzungsänderungen
8.3 Verschlechterungsverbot und „Rückholklausel“
9 Prüfung von Projekten auf ihre Verträglichkeit
9.1 Projektbegriff
9.2 Summationswirkung
9.3 Instandsetzungs-, Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen
9.4 Raumordnungsverfahren
9.5 Verträglichkeitsabschätzung
9.6 Zuständigkeit
9.7 Verfahren
9.7.1 Unterlagen
9.7.2 Fachbeitrag der Naturschutzbehörde
9.7.3 Verträglichkeitsprüfung in der Umweltverträglichkeitsprüfung
9.8 Bewertungsmaßstab
9.9 Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung
10 Maßnahmen, die durch die FFH-Bestimmungen nicht beschränkt werden
10.1 Bereich Land- und Forstwirtschaft
10.2 Sonstige Bereiche
11 Befreiung vom Verbot erheblicher Beeinträchtigungen
11.1 Rechtsgrundlage
11.2 Unterlagen
11.3 Zuständigkeit
11.4 Prüfung von Alternativen
11.5 Überwiegendes öffentliches Interesse
11.6 Prioritäre Lebensraumtypen/Arten
11.7 Kohärenzausgleich
12 Verträglichkeitsprüfung von Plänen
12.1 Pläne
12.1.1 Gesamtplanungen, städtebauliche Satzungen
12.1.2 Fachplanungen
12.1.3 Sonstige Pläne und vorgängige Entscheidungen
12.2 Planungen verschiedener Ebenen
12.3 Zuständigkeit
13 Immissionsschutzrechtliche Anlagen
13.1 Sondervorschrift des § 19e BNatSchG
13.2 Zuständigkeit
14 Gewässerbenutzungen
14.1 Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 WHG
14.2 Zuständigkeit
15 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften
15.1 Baurecht
15.1.1 Bebauungsplangebiete
15.1.2 Vorhaben im Innen- und Außenbereich
15.2 Naturschutzrecht
15.2.1 Vorbehalt strengerer Vorschriften
15.2.2 Klarstellungen
16 Schlussbestimmung

1 Ziel der FFH-Richtlinie

Die EG-Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 (ABl. EG Nr. L 206, S. 7) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) verfolgt das Ziel, ein kohärentes europäisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung „Natura 2000“ zu errichten und zu erhalten. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie umfassen („Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ / FFH-Gebiete). Der Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet muss gewährleistet sein. Den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten wird Rechnung getragen.
Das Europäische Netz „Natura 2000“ umfasst auch die aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutz-Richtlinie) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete („Europäische Vogelschutz-Gebiete“).

2 Rechtsgrundlagen

Durch die §§ 19a bis 19f Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wurde die FFH-Richtlinie in deutsches Recht auf Bundesebene umgesetzt.
Folgende Vorschriften aus dem BNatSchG gelten gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar:
§ 19a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bis 4,
§ 19b Abs. 1 Satz 2 und 3,
§ 19d Satz 1 Nr. 1 und Satz 2,
§ 19e,
§ 19f Abs. 1.
Soweit Behörden des Bundes Entscheidungen über Projekte im Sinn des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG treffen, gilt nach § 4 Satz 4 BNatSchG abweichend von Satz 3 auch § 19c BNatSchG unmittelbar.
§ 19a Abs. 2 BNatSchG enthält die grundlegenden Begriffsdefinitionen.
Durch die Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG)
Art. 13b,
Art. 13c,
Art. 49a
wurden die bundesrechtlichen Rahmenvorschriften landesrechtlich umgesetzt.
Die sich aus dem BNatSchG ergebenden unmittelbaren Pflichten des Freistaates Bayern (z.B. § 19 b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3, § 19 c Abs. 5) sind im BayNatSchG nicht wiederholt.
Für die Umsetzung der FFH-Richtlinie sind noch folgende, in anderen Gesetzen enthaltene Vorschriften maßgebend:
§ 6 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG),
§ 7 Abs. 7 Raumordnungsgesetz (ROG),
§ 1a Abs. 2 Nr. 4 Baugesetzbuch (BauGB),
§ 29 Abs. 3 BauGB,
§ 34 Abs. 4 Satz 5 BauGB.
Die in der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie enthaltenen besonderen artenschutzrechtlichen Bestimmungen, die nicht unmittelbar dem Aufbau und dem Schutz des Europäischen Netzes „Natura 2000“ dienen, sind nicht Gegenstand dieser Vollzugsbekanntmachung.

3 Gebietskulisse für das Verschlechterungsverbot

3.1  Gebietskulisse nach amtlicher Bekanntgabe

Zentrale Bedeutung unter den Schutzvorschriften für FFH- und Vogelschutz-Gebiete nimmt das in Art. 13c BayNatSchG enthaltene Verschlechterungsverbot ein. Dieses gilt kraft Gesetzes ab Bekanntmachung der zum Europäischen Netz „Natura 2000“ gehörenden Gebiete im Bundesanzeiger durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (§ 19b Abs. 4 BNatSchG). Mit dieser Bekanntmachung ist nach derzeitiger Erkenntnis nicht vor dem Jahr 2001 zu rechnen.

3.2  Vorwirkung der Richtlinie

Bereits jetzt besteht jedoch ein Schutz für die betreffenden Gebiete. Dies leitet sich unmittelbar aus dem in Artikel 10 des EG-Vertrages festgelegten Grundsatz des gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab.
Kern der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, sich bei der gebotenen Umsetzung von Richtlinien auf ihr eigenes vertragswidriges Verhalten, insbesondere durch nicht rechtzeitige oder nicht vollständige Umsetzung, zu berufen.
Auch nach der deutschen Rechtsprechung besteht die Pflicht, die Ziele einer Richtlinie, d.h. hier der FFH-Richtlinie, nicht zu unterlaufen. Zu dieser Pflicht zählt es, nicht durch eigenes Verhalten gleichsam vollendete Tatsachen zu schaffen, die später die Erfüllung der aus der Beachtung der Richtlinie erwachsenden europäischen Vertragspflichten unmöglich machen.
Deshalb treten bis zur Bekanntmachung im Bundesanzeiger für Maßnahmen und Projekte des Staates oder der Kommunen sowie für Planungen an die Stelle der im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden Gebiete die vom Freistaat Bayern in einer ersten Tranche bereits gemeldeten Gebiete sowie die vom bayerischen Ministerrat zur Meldung an die Kommission beschlossene Gebietsliste der zweiten Tranche. Diese Gebiete werden im Allgemeinen Ministerialblatt (AllMBl), zusätzlich durch Aushang der Karten im Maßstab 1 : 25.000 bei den von der Gebietsmeldung betroffenen Kreisverwaltungsbehörden und Kommunen bekannt gemacht.
Diese Liste ist abschließend. Daneben bestehen keine „potenziellen“ FFH-Gebiete oder „faktischen“ Vogelschutz-Gebiete. Etwaige Forderungen der Europäischen Kommission, weitere Gebiete nachzumelden, werden ebenfalls bekanntgemacht.

3.3  Gebiete im Konzertierungsverfahren

Ist ein Gebiet Gegenstand eines Konzertierungsverfahrens nach Art. 5 FFH-RL, gilt das Verschlechterungsverbot bereits während des Verfahrens in diesem Gebiet, sofern konkrete erhebliche Beeinträchtigungen der im Gebiet vorkommenden prioritären Lebensräume oder Arten zu befürchten sind.

4 Zeitlicher Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbotes

Das Verschlechterungsverbot des Art. 13c BayNatSchG erfasst erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen von Schutzgebieten in den für ihre Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen
allgemein durch Veränderungen oder Störungen (Abs. 1 – vgl. Nr. 11.1),
durch Projekte (Abs. 2 – vgl. Nr. 9.1) und
Pläne (Abs. 3 – vgl. Nr. 12.1).
Dem entsprechend ist zu unterscheiden zwischen
(tatsächlichen) Maßnahmen durch Private,
(tatsächlichen) Maßnahmen durch Behörden (vgl. § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG),
Zulassungsentscheidungen durch Verwaltungsakt (vgl. § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG) und
Plänen (vgl. § 19a Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG).
Die Vollzugsbekanntmachung erfasst alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Zulassungsverfahren, nicht abgeschlossenen Planungsverfahren sowie noch nicht ins Werk gesetzten Maßnahmen.
Wegen der verspäteten Umsetzung der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie ist davon auszugehen, dass die Verpflichtungen aus den Richtlinien bereits zu einem früheren Zeitpunkt unmittelbar eingetreten sind (Direktwirkung). Dieser Zeitpunkt ist eingetreten
in Bezug auf FFH-Gebiete am 4. Juni 1995 (Zeitpunkt der vorgeschriebenen Gebietsmeldung) und
in Bezug auf Vogelschutz-Gebiete am 4. Juni 1994 (Zeitpunkt, in dem die Umsetzungsfrist für die FFH-Richtlinie ablief; die Meldung der Vogelschutz-Gebiete ist – im Gegensatz zu der für FFH-Gebiete – nicht konstitutiv).
Hier ist wie folgt zu verfahren:
Vor den genannten Stichtagen durchgeführte Maßnahmen, abgeschlossene Zulassungsverfahren und in Kraft getretene Pläne unterfallen nicht den FFH-Vorschriften. Eine Überprüfung ist nicht veranlasst.
Nach den genannten Stichtagen durchgeführte Maßnahmen werden grundsätzlich nicht aufgegriffen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung ist grundsätzlich von einem überwiegenden schutzwürdigen Vertrauen auf Bestand auszugehen.
Nach den genannten Stichtagen bestandskräftig erlassene Zulassungsentscheidungen werden grundsätzlich nicht aufgegriffen. Im Rahmen der gegebenenfalls nach Art. 48 BayVwVfG zu treffenden Rücknahmeentscheidung ist – unbeschadet der strittigen Frage der Anwendung dieser Vorschrift auf Planfeststellungsbeschlüsse – grundsätzlich von einem überwiegenden schutzwürdigen Vertrauen auszugehen. Ist der Verwaltungsakt wegen eines Rechtsbehelfs des Begünstigten noch nicht bestandskräftig, ist der Begünstigte darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens die FFH-Vorschriften anzuwenden sind und sich dies zu seinen Lasten auswirken kann.
Nach den genannten Stichtagen in Kraft getretene Pläne werden grundsätzlich nicht aufsichtlich aufgegriffen. Sollte im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, dass ein Plan wegen eines schlechthin unvertretbaren Abwägungsergebnisses nichtig ist oder Anpassungsbedarf besteht, ist der Planungsträger hierauf hinzuweisen und zu beraten.
Für Zielfestlegungen in Raumordnungsplänen gilt diese Überprüfungs- und Anpassungsverpflichtung gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG nur in den Grenzen des § 23 Abs. 1 ROG.

5 Schutzmaßnahmen

5.1  Verpflichtung zum Schutz

Die im Bundesanzeiger bekannt gemachten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind gemäß Art. 13b BayNatSchG durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder Verträge zu schützen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist, unter Beachtung der sozioökonomischen Anforderungen des Art. 2 Abs. 3 FFH-RL die Lebensraumtypen und/oder die Arten, die maßgeblich für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ waren, entsprechend ihren ökologischen Erfordernissen zu bewahren. Die Richtlinie setzt dafür eine Frist von sechs Jahren nach Erstellung der Gemeinschaftsliste. Von den Umsetzungsfristen des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL aus gerechnet endet die 6-Jahresfrist am 4. Juni 2004. Nachdem die Gemeinschaftsliste noch nicht erstellt ist, läuft nach bayerischer Rechtsansicht die Frist noch nicht. Da die Verzögerung der Gemeinschaftsliste aber auf den säumigen Gebietsmeldungen der Mitgliedstaaten beruht, ist zu erwarten, dass die Kommission auf der ursprünglichen Frist besteht. Es empfiehlt sich daher, möglichst bald nach der bayerischen Gebietsmeldung die erforderlichen Überlegungen zum Schutz einzuleiten und nach endgültiger Erstellung der Gemeinschaftsliste zügig den Schutz zu bewirken.
Für die Europäischen Vogelschutz-Gebiete ergibt sich die Schutzverpflichtung aus Art. 4 Vogelschutz-Richtlinie. Einen Zeitraum für die Umsetzung der Schutzverpflichtung nennt die Richtlinie zwar nicht, der erforderliche Schutz ist aber, soweit noch nicht vorhanden, zügig herzustellen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist es, die jeweiligen Vogelarten und ihre Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so zu erhalten, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.

5.2  Grundprinzip

Grundprinzip der Umsetzung in Bayern ist, dass von den fachlich geeigneten Instrumentarien jeweils diejenige Schutzform ausgewählt wird, die die Betroffenen am wenigsten belastet. Der Abschluss von Verträgen mit den Grundeigentümern hat Vorrang, wenn damit der notwendige Schutz erreicht werden kann (Art. 13b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG). Hoheitliche Schutzmaßnahmen werden nur dann getroffen, wenn und soweit dies unumgänglich ist, weil auf andere Weise kein gleichwertiger Schutz erreicht werden kann. Jedes Schutzinstrument muss sicherstellen, dass dem Verschlechterungsverbot nach Art. 13c BayNatSchG entsprochen wird.

5.3  Schutzmöglichkeiten

Maßnahmen vertraglicher Art
Durch Verträge mit den Grundstückseigentümern beziehungsweise Nutzungsberechtigten sollen Nutzungen und Bewirtschaftungsweisen sichergestellt werden, die für den Lebensraumtyp und/oder für die Habitate der Arten, die für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ maßgeblich waren, einen günstigen Erhaltungszustand gewährleisten. Die Laufzeit der Verträge kann dem Vertragsnaturschutzprogramm angepasst werden. Kann der Vertrag nicht verlängert werden oder kann er das Erhaltungsziel des Gebietes nicht ausreichend sicherstellen, sind andere Sicherungsmaßnahmen zu prüfen. Für die Anwendung der Rückholklausel gilt Nr. 8.3. Für die zu leistenden Entschädigungen und Entgelte gelten die Regeln des Vertragsnaturschutzprogrammes beziehungsweise anderer geeigneter Förderprogramme.
Praktische und administrative Maßnahmen
Freihändiger Landerwerb, praktische Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Einvernehmen mit den Betroffenen, wie z.B. Renaturierung, Pflegemaßnahmen, Anlage verbesserter Habitat-Strukturen oder geeignete Lenkungsmaßnahmen stellen wichtige Sicherungsmaßnahmen dar.
Schutznormen auf spezialgesetzlicher Grundlage
Einrichtung von Naturwaldreservaten gem. Art. 18 Abs. 3 Satz 1 und Art. 19 Abs. 1 Satz 4 BayWaldG
Ausweisung von Schutz-, Bann- und Erholungswald gemäß Art. 10, 11 und 12 BayWaldG
Ausweisung von Wasserschutzgebieten gemäß § 19 WHG in Verbindung mit Art. 35 BayWG
Festsetzung von Überschwemmungsgebieten gemäß § 32 WHG in Verbindung mit Art. 62 BayWG
Schutzmöglichkeiten nach Naturschutzrecht
Erlass von Verordnungen nach Art. 26 BayNatSchG
Ausweisung von Schutzgebieten nach dem III. Abschnitt des BayNatSchG (vgl. Art. 13b Abs. 1 BayNatSchG)
Kombination verschiedener Schutzmethoden
Soweit eine Schutzmethode keinen ausreichenden Schutz gegen die Verschlechterung eines Gebietes bewirkt, z.B. weil sie nur zwischen Vertragspartnern wirkt, kommt auch eine Kombination verschiedener Schutzmöglichkeiten in Betracht. Vertraglich geregelte Verhaltensweisen sollen in zusätzlich notwendigen Verordnungen von hoheitlichen Beschränkungen ausgenommen werden.

5.4  Sicherung durch planerische Festlegungen

Als geeignete Schutzmethode gilt auch die Sicherung durch planerische Festlegungen. In vielen Fällen kann mit planerischen Festlegungen sichergestellt werden, dass ein Gebiet vor einer mit Planungen und Maßnahmen einhergehenden Verschlechterung gesichert wird. In Raumordnungsplänen erfolgt dies durch die Aufstellung von Zielen der Raumordnung, die gemäß § 4 ROG zu beachten sind. Auf der Ebene der Regionalplanung kommt als Sicherungsmöglichkeit vor allem die Ausweisung von wasserwirtschaftlichen Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung und zum vorbeugenden Hochwasserschutz in Betracht.

5.5  Gebiete, die keines weiteren Schutzes bedürfen

Zusätzliche Schutzmaßnahmen entfallen, wenn und soweit die Gebiete bereits ausreichend geschützt sind. Das ist der Fall bei
Flächen im Eigentum von Staat, kommunalen Gebietskörperschaften sowie sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, weil deren Vorbildfunktion gemäß Art. 2 Abs. 1 BayNatSchG entsprechend § 19b Abs. 4 BNatSchG beziehungsweise Art. 13b Abs. 2 BayNatSchG die Erhaltung des Zustandes gewährleistet;
bereits bestehenden Schutzgebieten im Sinn des III. Abschnitts des BayNatSchG, wenn dadurch das Erhaltungsziel des Gebietes ausreichend gesichert ist;
durch Art. 13d BayNatSchG unmittelbar geschützten Biotopen;
bereits geschützten beziehungsweise gesicherten Flächen, wenn dadurch das Erhaltungsziel des Gebietes ausreichend gesichert ist.

5.6  Auswahl der Schutzmethode

Die untere Naturschutzbehörde erarbeitet in Abstimmung mit der höheren Naturschutzbehörde und, soweit Wald betroffen ist, im Benehmen mit der Forstbehörde ein Schutzkonzept und schlägt die geeignete Schutzmethode vor. Die betroffenen Grundeigentümer, Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Verbände sind so früh wie möglich in die Planung des Schutzgebietskonzeptes einzubeziehen. Das Schutzkonzept hat soweit möglich konsensuale Lösungen zur Sicherung der Gebiete vorzusehen.
Die untere Naturschutzbehörde erstellt eine zusammenfassende Darstellung über den Schutz eines Gebietes. Die untere Naturschutzbehörde beziehungsweise die Forstbehörde (vgl. Nr. 6.5) überwacht im Rahmen des Monitoring (Nr. 6.3) den flächendeckenden Fortbestand eines richtlinienkonformen Schutzes.

5.7  Schutz als gesamtstaatliche Aufgabe

Der Schutz und die Erhaltung des Europäischen Netzes „Natura 2000“ ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Alle hoheitlichen Rechtsträger sind deshalb verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich die Schutzmöglichkeiten wahrzunehmen, die notwendig sind, um gemäß dem Grundsatz der für die Betroffenen geringstmöglichen Beeinträchtigung abgestuft den günstigen Erhaltungszustand eines Gebietes zu gewährleisten. Sind geringer greifende Schutzmethoden nach Ausschöpfung aller vorgenannten Schutzmöglichkeiten und nach Beteiligung der in Nr. 5.6 Genannten nicht erreichbar, haben die Naturschutzbehörden die Möglichkeiten nach Naturschutzrecht zu ergreifen.

5.8  Rechtsschutz

Rechtsschutz haben die Betroffenen bei Schutzgebietsausweisungen und raumplanerischen Festlegungen im Weg der Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO beziehungsweise durch Klage gegen die Versagung der Zulassung eines konkreten Projektes.

6 Gebietsmanagement

6.1  Managementplan

Der Freistaat Bayern legt nach § 19b Abs. 3 Satz 3 BNatSchG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 FFH-RL für jedes einzelne Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung die Erhaltungsmaßnahmen fest, die notwendig sind, um einen günstigen Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und/oder Arten zu gewährleisten, die maßgeblich für die Aufnahme in das Europäische Netz „Natura 2000“ waren (Managementplan). Die untere Naturschutzbehörde stellt die Managementpläne in Zusammenarbeit mit der höheren Naturschutzbehörde sowie den land- und fischereiwirtschaftlichen Fachbehörden auf, ermittelt die Kosten der Maßnahmen und bestimmt die Reihenfolge der Durchführung nach Dringlichkeit. Die betroffenen Grundeigentümer, Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Verbände sind so früh wie möglich, bereits bei der Erarbeitung des Rohentwurfes, einzubeziehen.
Ein Managementplan soll aufgrund von Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-Richtlinie auch für Europäische Vogelschutz-Gebiete aufgestellt werden.
Eines eigenen Managementplanes bedarf es nicht, wenn und soweit für das Gebiet andere geeignete fachspezifische Pläne bestehen oder aufgestellt werden, die die Erhaltungsziele berücksichtigen (z.B. Pflege- und Entwicklungspläne für Gewässer und Schutzgebiete).
Der dem Staat auferlegte Managementplan hat keine Auswirkung auf die ausgeübte Form der Bewirtschaftung durch die Grundeigentümer. Für private Grundeigentümer begründet der Managementplan keine Verpflichtungen.

6.2  Erhaltungsmaßnahmen

Die untere Naturschutzbehörde sorgt für die Durchführung der im Managementplan festgelegten Erhaltungsmaßnahmen nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel. Die Grundeigentümer beziehungsweise Nutzungsberechtigten sollen für solche Erhaltungsmaßnahmen freiwillig und gegen Entgelt gewonnen werden.

6.3  Monitoring

Die untere Naturschutzbehörde beobachtet regelmäßig den Erhaltungszustand des Gebietes und die Wirkung der durchgeführten Maßnahmen und passt gegebenenfalls den Managementplan an.

6.4  Berichtspflichten

Die untere Naturschutzbehörde berichtet dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen auf dem Dienstweg spätestens neun Monate vor dessen Berichtstermin an die Kommission über die Maßnahmen, deren Wirkungen und den aktuellen Erhaltungszustand anhand der von der Kommission gefertigten Berichtsliste. Die Berichtstermine werden rechtzeitig mitgeteilt.

6.5  Gebietsmanagement im Wald

6.5.1  Gebiete, die ausschließlich aus Waldflächen bestehen

In FFH- und in Vogelschutz-Gebieten, die ausschließlich aus Wald im Sinn des Art. 2 BayWaldG bestehen, obliegt das Gebietsmanagement gemäß Nrn. 6.1 bis 6.3 der Forstbehörde im Benehmen mit der höheren Naturschutzbehörde.

6.5.2  Gebiete, die nicht ausschließlich aus Waldflächen bestehen

Für FFH- und Vogelschutz-Gebiete, die nicht ausschließlich aus Wald im Sinn des Art. 2 BayWaldG bestehen, legen die höhere Naturschutzbehörde und die höhere Forstbehörde für jedes einzelne Gebiet die Zuständigkeit für das Gebietsmanagement nach folgenden Erwägungen fest:
In Gebieten, die überwiegend Waldflächen enthalten,
liegt die Federführung für das Gebietsmanagement in der Regel bei der höheren Forstbehörde. Die Naturschutzbehörde erstellt für die Flächen, die nicht Wald sind, den Fachbeitrag für den Managementplan und übernimmt die Aufgaben nach Nrn. 6.2 und 6.3.
In Gebieten, die nicht überwiegend Waldflächen enthalten,
liegt die Federführung für das Gebietsmanagement in der Regel bei der höheren Naturschutzbehörde. Die Forstbehörde erstellt für die Flächen, die Wald sind, den Fachbeitrag für den Managementplan und übernimmt die Aufgaben nach Nrn. 6.2 und 6.3..
Die höhere Naturschutzbehörde und die höhere Forstbehörde stimmen sich in der Regel einmal jährlich über die Erfüllung der Aufgaben ab.

6.5.3  Berichtspflichten

Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berichtet über die Gebiete, die ausschließlich aus Waldflächen bestehen und über die Gebiete, für die Forstbehörden die Federführung haben, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen berichtet über die Gebiete, für die Naturschutzbehörden die Federführung haben, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Kommission zu den festgelegten Terminen.

7 Finanzieller Ausgleich, Entgelt bei vertraglichen Vereinbarungen

7.1  Keine pauschale FFH-Prämie

Eine pauschale „FFH-Prämie“ allein wegen der Lage eines Grundstücks in einem FFH-Gebiet wird nicht gewährt. Auch für die nach bayerischem Naturschutzrecht geschützten Flächen gibt es eine solche Prämie nicht. „Bayerische“ und „europäische“ Schutzgebiete müssen mangels sachlicher Differenzierungsgründe gleich behandelt werden. Geldleistungen werden nur gewährt, wenn eine konkrete wirtschaftliche Einbuße oder eine aktive Leistung des Grundeigentümers beziehungsweise Bewirtschafters gegeben ist.

7.2  Entschädigung und Ausgleich

Art. 36 BayNatSchG
Eine substanzwertorientierte Entschädigung wird gewährt, wenn eine hoheitliche Maßnahme eine bereits ausgeübte Nutzung oder eine sich objektiv aufdrängende Nutzungsmöglichkeit so wesentlich und damit unzumutbar einschränkt, dass die Schwelle der Sozialpflichtigkeit des Eigentums überschritten wird, die Maßnahme also im Ergebnis einer Enteignung gleichkommt.
Art. 36a Abs. 2 BayNatSchG
Für sich noch im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums bewegende Beschränkungen der ausgeübten, ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung durch Schutzgebietsverordnungen und Anordnungen wird ein an der wirtschaftlichen Ertragseinbuße orientierter angemessener Ausgleich gewährt. Auf die nach Art. 36a Abs. 2 BayNatSchG erlassene Verordnung wird verwiesen.

7.3  Vertragsnaturschutz

Für freiwillige Leistungen im Interesse der Erhaltung beziehungsweise Verbesserung der FFH- und der Vogelschutz-Gebiete kommt – wie in anderen ökologisch wertvollen Bereichen auch – das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm einschließlich Erschwernisausgleich auf Feuchtflächen gemäß Art. 36a Abs. 1 BayNatSchG, ansonsten auch das Bayerische Kulturlandschaftsprogramm zum Einsatz.

7.4  Sonstige Fördermittel

Für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen (z.B. Grundstücksankäufe, Renaturierungsmaßnahmen) stehen Fördermittel aus
dem Landschaftspflegeprogramm und dem Naturparkprogramm,
dem Bayerischen. Naturschutzfonds sowie
dem europäischen Förderprogramm „LIFE Natur“
zur Verfügung.

7.5  EU-Kofinanzierung

Die Leistungen nach Art. 36 a Abs. 2 BayNatSchG und nach Vertragsnaturschutz werden durch Mittel aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) im Rahmen des Art. 16 der EG-Verordnung Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den EAGFL (EAGFL-VO) kofinanziert.

8 Bedeutung des Verschlechterungsverbots

8.1  Grundsätze

Eine zentrale Bestimmung der FFH-RL ist das Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2. Dieses Verschlechterungsverbot ist landesrechtlich durch Art. 13c BayNatschG umgesetzt. Das Verschlechterungsverbot ist zu berücksichtigen
im Rahmen des Art. 13c Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG bei allen Veränderungen oder Störungen, die erhebliche Beeinträchtigungen zur Folge haben,
bei der Zulassung von Projekten und Plänen im Sinn des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG (Art. 13c Abs. 2 und 3 BayNatSchG),
nach Art. 13c Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG bezüglich der prioritären Lebensraumtypen und Arten auch in Konzertierungsgebieten (vgl. Nr. 3.3),
unabhängig vom Vorliegen eines Projektes oder eines Planes im Zusammenhang mit der dauerhaften Sicherung der gemeldeten Gebiete.
Bei FFH-Gebieten ist Maßstab für die Prüfung, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, allein das Erhaltungsziel des Gebietes, das auf das zur Erhaltung des richtlinienkonformen Zustandes Erforderliche und die im Gebiet für das Europäische Netz „Natura 2000“ notwendigen Lebensraumtypen und Arten konzentriert ist.
Bei Europäischen Vogelschutz-Gebieten ist Maßstab ihr Schutzzweck, nämlich die Erhaltung der jeweiligen Vogelarten und ihrer Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.
Allgemeine naturschutzfachliche Zielvorstellungen für die Erhaltung oder Entwicklung des Gebietes können nicht herangezogen werden; für sie gilt das „allgemeine“ Naturschutzrecht.
Aus dem Verschlechterungsverbot folgt kein Veränderungsverbot und kein Verbesserungsgebot.

8.2  Bisherige Nutzungen und Nutzungsänderungen

Die Nutzungen zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung, die vielfach erst zu dem meldewürdigen Zustand geführt haben, können weitergeführt werden, da sie keine Verschlechterung bewirken. Dazu gehört auch die bisher ausgeübte Bewirtschaftungsweise. Änderungen der Bewirtschaftungsweise im Rahmen des wissenschaftlich-technischen Fortschrittes sind zulässig, soweit sie sich nicht erheblich nachteilig auf die Erhaltungsziele auswirken.
Die bisherige ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung bleibt weiterhin möglich. Wenn sich in Einzelfällen der ökologische Zustand eines Gebietes aufgrund der bisher ausgeübten Nutzung nachweisbar ständig („schleichend“) verschlechtert, ist sorgfältig zu untersuchen, inwieweit – gegen Entgelt – Beschränkungen der bisher ausgeübten Nutzung erforderlich werden. Anzustreben sind allerdings zunächst freiwillige Entwicklungs- beziehungsweise Optimierungsmaßnahmen.
Nutzungsänderungen sind zulässig, soweit sie sich nicht erheblich nachteilig auf die Erhaltungsziele auswirken.
Soweit Nutzungsänderungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen können, können sie aus zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zugelassen werden (vgl. Nr. 11).

8.3  Verschlechterungsverbot und „Rückholklausel“

Das Verschlechterungsverbot des Art. 13c Abs. 1 und 2 BayNatSchG ist durch Art 13d Abs. 6 BayNatSchG zugunsten der Rückholklausel überwunden. Die Rückholklausel bedeutet, dass der Zustand vor Vertragsabschluss, der die Meldewürdigkeit begründet hat, wiederhergestellt wird, indem die frühere landwirtschaftliche Nutzung wieder aufgenommen wird. Die Beseitigung einer später eingetretenen Veränderung führt also nur zu diesem meldewürdigen Zustand zurück und kann deshalb nicht seine Verschlechterung bewirken. Die Landwirte, die im Rahmen von Verträgen über Nutzungsbeschränkungen, z.B. nach Vertragsnaturschutzprogramm oder Kulturlandschaftsprogramm künftig ihre Flächen stilllegen oder ökologisch bewirtschaften, können also auch in FFH- und Vogelschutz-Gebieten gemäß der „Rückholklausel“ nach Ablauf ihrer Verträge wieder zur früheren landwirtschaftlichen Nutzung zurückkehren. Diese Regelung gilt auch für die genannten Verträge über Nutzungsbeschränkungen, die bei Meldung eines Gebietes bereits laufen, da die Flächen mit dem Bonus „Rückholklausel“ gemeldet wurden und insoweit Bestandsschutz genießen.

9 Prüfung von Projekten auf ihre Verträglichkeit

Die Einführung einer Verträglichkeitsprüfung für Projekte (und Pläne) ist eine der wesentlichen Neuerungen aufgrund der FFH-Richtlinie. Die Verträglichkeitsprüfung bewirkt kein neues Verfahren, sondern stellt innerhalb bestehender Verfahren ein neues Verfahrenselement dar. Vom Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung hängt es ab, ob für das Projekt das gesetzliche Verschlechterungsverbot des Art. 13b Abs. 2 BayNatSchG greift oder nicht.
Einer Prüfung der Verträglichkeit bedarf es nur bei der ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeit, dass erhebliche Beeinträchtigungen eintreten. Die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung ist regelmäßig zu bejahen, wenn aufgrund einer überschlägigen Prüfung Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit erheblicher oder in ihren Auswirkungen ohne nähere Prüfung nicht abschätzbarer Beeinträchtigungen bestehen. Eine abschließende Prüfung, ob ein Projekt tatsächlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen kann, erfolgt erst im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung selbst. Der Abschluss der Verträglichkeitsprüfung ist die Feststellung der Verträglichkeit oder der Unverträglichkeit des Projektes. Das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung beziehungsweise der Verträglichkeitsabschätzung, die als Verträglichkeitsprüfung gilt (vgl. Nr. 9.5) ist zu protokollieren.
Verträgliche Projekte bedürfen unter FFH-Gesichtspunkten keiner weiteren Prüfung oder Befreiung. Unverträglichen Projekten steht das Verbot des Art. 13b Abs. 2 BayNatSchG entgegen, das nur unter den Voraussetzungen des Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG überwunden werden kann.
Die Notwendigkeit einer Anhörung der Öffentlichkeit richtet sich nach den Vorschriften, die für die Zulassung des jeweiligen Projektes maßgebend sind.

9.1  Projektbegriff

Die Definition des Begriffes „Projekt“ in § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG verknüpft
bestimmte Fallgruppen von Zulassungs- oder Anzeigetatbeständen sowie behördliche Maßnahmen mit
einer überschlägigen Betrachtung, ob diese unverträglich sein könnten.
Durch die in § 19a Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a) BNatSchG genannten Tatbestände wird das gesamte Beeinträchtigungspotenzial erfasst, das von Vorhaben und Maßnahmen in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder in einem Europäischen Vogelschutzgebiet ausgehen kann. Dazu können auch Vorhaben und Maßnahmen gehören, die die Tatbestände der Buchstaben b) und c) erfüllen.
Anders als für die in Buchstabe a) aufgeführten Vorhaben und Maßnahmen ist für die unter den Buchstaben b) und c) genannten keine Begrenzung auf den räumlichen Geltungsbereich eines Gebietes vorgesehen, so dass diese unabhängig von ihrem Standort innerhalb oder außerhalb eines Gebietes von der Definition erfasst werden. Entscheidend ist jeweils, dass nach dem allgemeinen Kenntnisstand ein offenbar ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Projekt und den prognostizierten Veränderungen im Gebiet herstellbar ist.
Für Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind, ist auf den Einwirkungsbereich der Anlage abzustellen. Er richtet sich nach den Vorgaben der TA Luft (Nr. 2.6.2.2 f. zum Beurteilungsgebiet). Für Lärm, Licht und Erschütterungen muss der Einwirkungsbereich einzelfallbezogen bestimmt werden. Diese drei Faktoren spielen bei Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung allerdings in der Regel keine Rolle, weil diese Gebiete in Bayern vorrangig zum Schutz von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie ausgewählt wurden und diese Lebensraumtypen nur an ihrem Standort selbst geschützt werden können. Die einzelfallbezogene Bestimmung des Einwirkungsbereichs von Lärm, Licht und Erschütterungen betrifft daher nur die Europäischen Vogelschutz-Gebiete sowie die FFH-Gebiete, deren Erhaltungsziele dem Schutz von Tierarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie dienen, die gegenüber diesen Wirkungen besonders störempfindlich sind.
Änderungen von Projekten erfüllen die Voraussetzungen des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG nur dann, wenn diese ihrerseits die Voraussetzungen erfüllen. Änderungen von nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlagen können im Einzelfall die Voraussetzungen des § 19a Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) oder b) BNatSchG erfüllen, wenn sie im Gebiet selbst stattfinden oder mit Eingriffen verbunden sind. Dies ist insbesondere bedeutsam, wenn es sich um nur anzeigebedürftige Änderungen handelt (vgl. § 15 BImSchG).

9.2  Summationswirkung

Von § 19a Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) bis c) BNatSchG erfasste Vorhaben und Maßnahmen unterliegen auch insoweit den besonderen Zulassungsanforderungen der Verträglichkeits-prüfung, als sie erst im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, ein FFH-Gebiet oder Europäisches Vogelschutz-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Die Verträglichkeitsprüfung darf sich mithin nicht auf die Wirkungen des einzelnen Projektes beschränken, sondern muss die Summationswirkungen im Zusammenhang mit anderen Projekten und Plänen einbeziehen. Neben realisierten sind dabei auch solche noch nicht realisierte Projekte und Pläne einzubeziehen, die – z.B. aufgrund eines abgeschlossenen oder förmlich eingeleiteten Gestattungsverfahrens oder bei Plänen im Stadium einer planerischen Verfestigung – hinreichend konkretisiert sind.
Wann unter Berücksichtigung der Summationswirkungen eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen ist, kann abschließend nur im Einzelfall bestimmt werden.
Die im Verfahren beteiligten Behörden haben aus ihrer Kenntnis auf in Frage kommende Projekte oder Pläne hinzuweisen.

9.3  Instandsetzungs-, Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen

Zu den Projekten im Sinn von § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG können auch Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen mit Ausnahme der in Nr. 10 genannten Maßnahmen zählen, wenn es hierfür eines Gestattungsverfahrens bedarf oder sie von einer Behörde durchgeführt werden. Behörde ist jede Stelle, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt (Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG). Dies können im Einzelfall auch Verbände wie Wasser- und Bodenverbände oder beliehene Unternehmer sein.
Für Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen empfehlen sich Absprachen zwischen den Naturschutzbehörden und den unterhaltspflichtigen Behörden sowie Regelungen im Managementplan oder einem vergleichbaren Plan (vgl. Nr. 6.1).
Ob Instandhaltungs-, Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen in den zeitlichen Geltungsbereich der Schutzbestimmungen (vgl. Nr. 4) fallen, ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung und Entscheidung im Einzelfall zu klären. Die Prüfung ist nicht naturschutzfachlicher Art, sondern nach dem einschlägigen Fachrecht durchzuführen. Entscheidend ist, ob die Maßnahme die Identität des Projekts unberührt lässt und damit noch von der bisherigen Rechtsgrundlage erfasst wird, oder ob ein neues Gestattungsverfahren durchzuführen ist. Im letztgenannten Fall sind die projektbezogenen Zulassungsanforderungen anzuwenden.

9.4  Raumordnungsverfahren

Das Raumordnungsverfahren stützt sich regelmäßig auf eine summarische Prüfung der berührten Belange. Die Verträglichkeitsprüfung erfolgt deshalb nicht schon im Rahmen des Raumordnungsverfahrens, sondern erst im Zulassungsverfahren. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens (landesplanerische Beurteilung) ist aber bei der Entscheidung nach § 19c Abs. 3 und 4 BNatSchG beziehungsweise Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG, ob ein Projekt trotz der zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigungen eines FFH- oder Vogelschutz-Gebiets aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses und wegen fehlender Alternativen zugelassen werden darf, mit zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 ROG).

9.5  Verträglichkeitsabschätzung

Die Genehmigungsbehörde, die nach dem auf das betreffende Vorhaben anwendbaren Fachrecht zuständig ist (z.B. die Wasserrechts- oder die Planfeststellungsbehörde) oder die durchführende Behörde bei Anzeige- und Genehmigungsfreiheit schätzt zunächst in eigener Verantwortung ab, ob das Projekt im Sinn des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG im konkreten Fall geeignet sein kann, die Erhaltungsziele erheblich zu beeinträchtigen und somit eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (Verträglichkeitsabschätzung). Kann die genannte Behörde auf der Grundlage der Unterlagen nicht eindeutig ausschließen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung ernsthaft in Betracht kommt, hat sie eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen oder durch die zuständige Naturschutzbehörde herbeizuführen. Bei Katastrophen oder in Notfällen, die sofortiges Handeln erfordern, verbleibt es bei der Verträglichkeitsabschätzung, die dann als Verträglichkeitsprüfung gilt.

9.6  Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die Durchführung der Verträglichkeitsprüfung hängt davon ab, ob das Projekt einer behördlichen Gestattung bedarf. Ist dies der Fall, ist die für diese Gestattung zuständige Behörde auch für die Verträglichkeitsprüfung zuständig. Die Verträglichkeitsprüfung erfolgt dann im Benehmen mit der Naturschutzbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe. Bedarf das Projekt keiner behördlichen Gestattung, ist die für eine Befreiung nach Art. 49a, 49 Abs. 3 BayNatSchG zuständige Naturschutzbehörde auch für die Verträglichkeitsprüfung zuständig.
Für die Verträglichkeitsprüfung von immissionsschutzrechtlichen Anlagen ist die Immissionsschutzbehörde aufgrund von § 19e BNatSchG (vgl. Nr. 13.2) und von Gewässerbenutzungen die Wasserrechtsbehörde aufgrund von § 6 Abs. 2 WHG (vgl. Nr. 14.2) zuständig.
Für Projekte, über die der Bund entscheidet oder die der Bund durchführt, führt die zuständige Bundesbehörde gemäß dem insoweit unmittelbar geltenden § 19c BNatSchG die Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Naturschutzbehörde (§ 3 Abs. 2 BNatSchG) durch.

9.7  Verfahren

9.7.1  Unterlagen

Bei Projekten, die ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutz-Gebiet einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Projekten und Plänen erheblich beeinträchtigen können, hat nach dem Verursacherprinzip der Projektträger in den nach anderen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Gestattungs- und Anzeigeverfahren die für die Überprüfung nötigen Unterlagen und die Prognose der Verträglichkeit beizubringen. In der Regel genügen die mit dem Vorhabenszulassungsantrag vorzulegenden Unterlagen. Bei schwierigen Fällen können vertiefende Unterlagen nach Art. 6b Abs. 3 BayNatSchG angefordert werden. Auch hier gilt aber, was das BVerwG für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) klargestellt hat: Die Verträglichkeitsprüfung ist kein „Beeinträchtigungssuchverfahren“, sondern hat sich auf die vorhandenen Erkenntnisse zu beschränken.
In den Antragsunterlagen sind zur Prüfung der Verträglichkeit insbesondere Angaben zur Beschreibung des Projekts und seinen Auswirkungen auf das Gebiet und gegebenenfalls auf prioritäre Biotope oder prioritäre Arten zu machen.
Zur Verfahrensvorbereitung sind bei UVP-pflichtigen Projekten gemäß § 5 UVPG und Art. 78d BayVwVfG Besprechungen über Gegenstand, Umfang und Methoden der behördlichen Prüfungen vorgesehen. In die Besprechungen ist die durchzuführende FFH-Ver-träglichkeitsprüfung einzubeziehen. Eine solche Besprechung mit dem Projektträger kann auch außerhalb der gesetzlichen Verpflichtung zweckmäßig sein.
Zur Verfahrensvereinfachung sollen sich die beteiligten Behörden erforderlichenfalls bei der Besprechung mit dem Projektträger auf einen Sachverständigen und die Formulierung eines Auftrages für ein Gutachten einigen, das die nach dem Naturschutzrecht erforderlichen Bestandsaufnahmen, fachlichen Bewertungen und Planungen erarbeitet (Eingriffsregelung, Art. 49a BayNatSchG, Schutzgebiets-Verordnung).

9.7.2  Fachbeitrag der Naturschutzbehörde

Die verfahrensführende Behörde übersendet der Naturschutzbehörde die Antragsunterlagen einschließlich der vom Projektträger nach Nr. 9.7.1 gemachten Angaben.
Ist die Naturschutzbehörde nicht selber für die Verträglichkeitsprüfung zuständig, äußert sie sich gegenüber der verfahrensführenden Behörde insbesondere zu folgenden Punkten:
Erhaltungsziele für das FFH- oder Vogelschutz-Gebiet
Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Beeinträchtigung
Erheblichkeit der Beeinträchtigung
Betroffenheit prioritärer Arten oder Lebensräume
mögliche Summationswirkungen.
Die Naturschutzbehörde macht einen Vorschlag für das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung.
Auf der Grundlage des Fachbeitrages der Naturschutzbehörde und gegebenenfalls weiterer fachlicher Äußerungen Dritter stellt die verfahrensführende Behörde die Verträglichkeit fest oder verneint sie.

9.7.3  Verträglichkeitsprüfung in der Umweltverträglichkeitsprüfung

Umweltverträglichkeitsprüfung und Verträglichkeitsprüfung unterscheiden sich erheblich, weil die UVP verfahrensrechtliche, die Verträglichkeitsprüfung materielle Bedeutung hat. Wenn für die Zulassung oder Durchführung des Projekts eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist und auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfindet, ist die Verträglichkeitsprüfung in die Umweltverträglichkeitsprüfung zu integrieren (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UVPG, Art. 78e Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG).
Auf eine bereits durchgeführte Umweltverträglichkeitsstudie kann nur abgestellt werden, wenn darin bereits das Datenmaterial und die Grundlagen für eine Bewertung der Verträglichkeit gemäß Art. 13c Abs. 2, Art. 49a Abs. 1 BayNatSchG enthalten sind.
Das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung ist jeweils gesondert darzustellen, da es von § 12 UVPG abweichende Rechtswirkungen gemäß Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG hat.

9.8  Bewertungsmaßstab

Das Projekt ist darauf hin zu beurteilen, ob es eine erhebliche Beeinträchtigung eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutz-Gebietes herbeiführen kann und ob prioritäre Biotope oder Arten betroffen sind.
In FFH-Gebieten ist alleiniger Maßstab für die Bewertung der Verträglichkeit eines Projektes das für das Gebiet festgelegte Erhaltungsziel (vgl. Nr. 8.1). In Schutzgebieten nach dem III. Abschnitt des BayNatSchG ist es aus dem Schutzzweck zu entnehmen. Soweit in Schutzgebietsverordnungen im Schutzzweck die Erhaltungsziele im Hinblick auf das Europäische Netz „Natura 2000“ (noch) nicht ausdrücklich enthalten sind oder soweit keine Schutzverordnungen erlassen werden, sind sie aus den Standarddatenbögen zu entnehmen. Als Erhaltungsziel gilt dann die Erhaltung der im Standarddatenbogen genannten Lebensraumtypen und/oder Arten, die maßgeblich für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ waren.
Bei Europäischen Vogelschutz-Gebieten ist Maßstab ihr Schutzzweck, nämlich die Erhaltung der jeweiligen Vogelarten und ihrer Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.

9.9  Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung

Ob eine erhebliche Beeinträchtigung gemäß Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG durch das Projekt verursacht werden kann, ist in einer Bewertung des Einzelfalles zu entscheiden. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn entweder einzelne Faktoren eines Wirkungsgefüges, z.B. eines Ökosystems, oder das Zusammenspiel der Faktoren negativ beeinflusst werden.
Erheblich ist die Beeinträchtigung, wenn die Veränderungen oder Störungen in ihrem Ausmaß oder in ihrer Dauer dazu führen, dass ein Gebiet seine Funktionen in Bezug auf ein oder mehrere Erhaltungsziele oder den Schutzzweck nur noch in deutlich eingeschränktem Umfang erfüllen kann. Es muss sich um Beeinträchtigungen handeln, die sich auf die zu schützenden Lebensraumtypen oder die zu schützenden Arten mehr als unerheblich und nicht nur vorübergehend auswirken können.
Es reicht, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann. Während für die Auslösung der Pflicht zur Prüfung der Verträglichkeit die ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit genügt, dass erhebliche Beeinträchtigungen eintreten, ist ein Projekt nur dann mit den Schutz- und Erhaltungszielen eines Gebietes unverträglich, wenn wahrscheinlich ist, dass die ermittelten konkreten Beeinträchtigungen tatsächlich eintreten.
Sind erhebliche nachteilige Auswirkungen auf prioritäre Arten oder Lebensräume gegeben, ist grundsätzlich von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen.
Je störungsanfälliger das Habitat oder die Art ist, die für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ maßgeblich war, desto eher wird eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen sein. Allerdings ist im Regelfall keine Prüfung vorzunehmen, die über die Betrachtung des einzelnen Gebietes hinaus die Auswirkungen auf das Europäische Netz „Natura 2000“ insgesamt in den Blick nimmt.
Jede einzelne erhebliche Beeinträchtigung einer Art oder eines natürlichen Lebensraumtyps in einem Gebiet von gemeinschaftlichem Interesse führt zur Unverträglichkeit des Projektes.
Werden im Hinblick auf die Erhaltungsziele besonders wertvolle Flächen eines Gebietes in Anspruch genommen, ist in der Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen. Eine generelle Festlegung von Flächengrößen, bei deren Unterschreitung eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen wäre, ist nicht möglich.
Grundwasserabsenkungen, Stoffeinträge, bei Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in Einzelfällen sowie generell bei Europäischen Vogelschutz-Gebieten auch Lärm- und Lichteinwirkungen, Erschütterungen oder andere Auswirkungen, auch wenn sie von außen in das Gebiet hineinwirken, sowie Zerschneidungseffekte können zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Untertageabbau stellt in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Ausgleichsmaßnahmen des Projektträgers, die naturschutzfachlich erfolgversprechend und tatsächlich gesichert sind, können die Beeinträchtigung als solche entfallen lassen. Dies gilt insbesondere für Ausgleichsmaßnahmen, die zu einer Förderung des Erhaltungszieles oder des Schutzzwecks des Gebietes führen. Der Rechtsgedanke der gemäß § 19e BNatSchG und § 6 Abs. 2 WHG ausdrücklich nur für immissionsschutzrechtliche Anlagen und Gewässerbenutzungen geltenden Regelung ist auch auf vergleichbare Beeinträchtigungen anzuwenden.
Maßnahmen des Kohärenzausgleiches (vgl. Nr. 11.7), soweit sie nicht identisch mit vom Projektträger durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen sind, die gemäß den oben genannten Voraussetzungen die Beeinträchtigungen entfallen lassen, haben keinen Einfluss auf die Frage, ob erhebliche Beeinträchtigungen eintreten.
Ein Ermessensspielraum besteht innerhalb des Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG nicht.
Für die Ermittlung der Auswirkungen und Beeinträchtigungen können die naturschutzfachlichen Methoden wie bei der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (Feststellung von Art und Umfang des Eingriffs) herangezogen werden. Mit einer Prüfung nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung soll die Verträglichkeitsprüfung soweit wie möglich verbunden beziehungsweise soll auf deren Ergebnisse zurückgegriffen werden.

10 Maßnahmen, die durch die FFH-Bestimmungen nicht beschränkt werden

10.1  Bereich Land- und Forstwirtschaft

Maßnahmen der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung, soweit die Erhaltungsziele für das Gebiet berücksichtigt werden.
Unter dieser Voraussetzung werden z.B. folgende Maßnahmen durch die FFH-Bestimmungen nicht beschränkt:
Schnittnutzung von Grünland unbeschadet der Häufigkeit und des Schnittzeitpunktes
Wechsel von Mäh- und Weidenutzung bei Grünland
Wiederaufnahme oder Intensivierung von Düngung und Pflanzenschutz bei Grünland
Ausbringung von abfallrechtlich zulässigem Sekundärrohstoffdünger auf Grünland
Fortsetzung der Waldbewirtschaftung nach längerfristigem Aussetzen des Betriebes
Wechsel der forstlichen Betriebsart
Wahl des Verjüngungsverfahrens in der Waldbewirtschaftung
Veränderung der Vorratshaltung in der Waldbewirtschaftung
Änderung der Baumartenzusammensetzung unter Berücksichtigung der Erhaltungsziele für das Gebiet
Des weiteren verursachen folgende nicht abschließend genannte Maßnahmen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen:
Privilegierte Vorhaben im räumlichen Zusammenhang mit der Hofstelle eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs
Maßnahmen, die nach Art. 63 BayBO genehmigungsfrei sind
Bau von land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Wegen außerhalb eines FFH- oder Vogelschutz-Gebietes
Bau von land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Wegen innerhalb eines FFH- oder Vogelschutz-Gebietes, ohne dass Lebensraumtypen oder Habitate von Arten erheblich beeinträchtigt werden
Unterhaltung und Instandsetzung von Anlagen, die der Bewirtschaftung land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher Grundstücke dienen (z.B. Wege, Gräben, Drainagen).

10.2  Sonstige Bereiche

Folgende nicht abschließend genannte Maßnahmen verursachen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen:
Maßnahmen, die nach Art. 63 BayBO genehmigungsfrei sind
Betrieb, Unterhaltung und Instandsetzung bestehender Gebäude innerhalb eines FFH- oder Vogelschutz-Gebietes
Bau von Geh- und Radwegen außerhalb eines FFH- oder Vogelschutz-Gebietes
Bau von Geh- und Radwegen innerhalb eines FFH- oder Vogelschutz-Gebietes, ohne dass Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigt oder Habitate von Arten gestört werden
Unterhaltung der Gewässer sowie Unterhaltung und Instandsetzung wasserbaulicher Anlagen im Umfang der gesetzlichen Verpflichtung und Unterhaltung und Instandsetzung von Wasserkraftanlagen im rechtlich gebotenen Umfang
Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Straßen und anderen Verkehrseinrichtungen einschließlich notwendiger Pflege sowie Verkehrssicherungsmaßnahmen
Unterhaltung und Instandsetzung von Ver- und Entsorgungsanlagen und ‑leitungen
Katastrophenschutzübungen, die Störungen der Arten vermeiden
die ordnungsgemäße Ausübung der Jagd und Fischerei einschließlich des Jagd- und Fischereischutzes, soweit die Erhaltungsziele für das Gebiet berücksichtigt werden
die natur- und landschaftsverträgliche Sportausübung in der freien Natur.

11 Befreiung vom Verbot erheblicher Beeinträchtigungen

11.1  Rechtsgrundlage

Das Verbot erheblicher Beeinträchtigungen, das nach Art. 13c BayNatSchG für Veränderungen, Störungen, Projekte und Pläne gilt, kann für Projekte und Pläne unter den Voraussetzungen des Art. 49a BayNatSchG überwunden werden. Für Veränderungen und Störungen, die keine Projekte darstellen, gilt, weil insoweit die FFH-RL keine besonderen Zulassungsvoraussetzungen verlangt, die übliche Befreiungsmöglichkeit nach Art. 49 BayNatSchG, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Für immissionsschutzrechtliche Anlagen und für Gewässerbenutzungen gelten die Sondervorschriften des § 19e BNatSchG (vgl. Nr. 13) und des § 6 Abs. 2 WHG (vgl. Nr. 14).

11.2  Unterlagen

Zur Prüfung von Befreiungen (Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG) sind ergänzend zu den in Nr. 9.7.1 genannten Unterlagen insbesondere folgende Angaben zu machen:
Aufzeigen von Alternativen ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen, falls vorhanden,
Begründung für das Fehlen von Alternativen beziehungsweise von zumutbaren Alternativen,
Darlegung der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für die begehrte Zulassung des Projekts.
Es kann der Verfahrensbeschleunigung dienen, wenn bereits bei der Antragstellung diese Angaben sowie Vorschläge zur Sicherstellung des Kohärenzausgleichs (vgl. Nr. 11.7) gemacht werden.

11.3  Zuständigkeit

Zuständig für die Entscheidung über Befreiungen für Projekte vom gesetzlichen Verbot des Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG ist, soweit in Schutzverordnungen gemäß Art. 13b Abs. 1 BayNatSchG nichts anderes bestimmt ist, die höhere Naturschutzbehörde gemäß Art. 49 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 4 BayNatSchG.
Soweit das Projekt nach anderen Vorschriften einer behördlichen Gestattung bedarf, wird die Befreiung gemäß Art. 49 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde von der verfahrensführenden Behörde erteilt. Diese prüft zunächst selbstständig, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Bejaht sie dies, übersendet sie die Unterlagen an die Naturschutzbehörde. Im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren ist die Übermittlung der Unterlagen an die zuständige Naturschutzbehörde mit dem Ersuchen um Erteilung des Einvernehmens im Sinn des Art. 69 Abs. 1 Satz 4 BayBO zu verbinden. Nach Ablauf der dort normierten Monatsfrist gilt das Einvernehmen als erteilt.
Zuständig für die Aufstellung von Plänen ist gemäß Art. 49a Abs. 3 BayNatSchG der jeweilige Planungsträger in eigener Verantwortung.

11.4  Prüfung von Alternativen

Eine Befreiung darf gemäß Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG nur erteilt werden, wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses dies erfordern. Das Tatbestandsmerkmal „erfordert“ beinhaltet, dass vernünftige und zumutbare Alternativen zu untersuchen sind.
Diese Prüfung von Alternativen ist kein Teil der Verträglichkeitsprüfung, sondern der Befreiungsprüfung. Im Sinn einer Straffung und Beschleunigung des Verfahrens sollte der Vorhabensträger allerdings bei Vorhaben, bei denen erhebliche Beeinträchtigungen nicht mit der nötigen Sicherheit von vorneherein ausgeschlossen werden können, bereits bei Vorbereitung des Projekts prüfen, ob Standort- beziehungsweise Ausführungsalternativen die nicht ausschließbaren erheblichen Beeinträchtigungen entfallen ließen.
Als Alternativen kommen sowohl die Wahl eines anderen Standortes als auch eine andere Art der Ausführung in Betracht. Durch die Alternative müssen die mit dem Projekt angestrebten Ziele im Wesentlichen in vergleichbarer Weise verwirklicht werden können (Identität des Projektes). Daher stellt die sog. Nullvariante, also die gänzliche Aufgabe des Projekts, keine zu prüfende Alternative dar. Es sind die sich aufdrängenden Alternativen, denen nicht von vornherein gewichtige Belange entgegenstehen, zu untersuchen.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Alternativen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, insbesondere sind auch Kostengesichtspunkte zu berücksichtigen.

11.5  Überwiegendes öffentliches Interesse

Gibt es keine zumutbare Alternative oder reicht eine solche nicht aus, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, kann das Projekt nach Art. 49a Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayNatSchG nur zugelassen werden, wenn es aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Als im öffentlichen Interesse liegend kommen alle Belange in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Private, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Projekte kommen somit als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen nicht in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen können auch solche wirtschaftlicher oder sozialer Art gehören.
Öffentliche Interessen, die regelmäßig ein hohes Gewicht besitzen, nennt Art. 49a Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG. Dabei handelt es sich um solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder um Projekte, die maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt haben. Auch hier bedarf es aber einer Gewichtung im Einzelfall und einer Abwägung. Hierbei ist die Bedeutung der „Natura-2000“-Gebiete zu beachten.
Allerdings genügt nicht jedes öffentliche Interesse, um ein Projekt zu rechtfertigen. Vielmehr muss das öffentliche Interesse, das mit dem Projekt verfolgt wird, im einzelnen Fall gewichtiger sein als die im konkreten Fall betroffenen und mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie geschützten Interessen („überwiegendes öffentliches Interesse“). Weil die Gründe, die für das Projekt sprechen „zwingend“ sein müssen, muss ihr Übergewicht deutlich sein und es darf, wie in Nr. 11.4 dargelegt, keine Alternativen geben.

11.6  Prioritäre Lebensraumtypen/Arten

Das Verfahren zur Zulassung von Befreiungen nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG ist durch Satz 3 modifiziert, wenn durch das Projekt prioritäre Lebensraumtypen oder prioritäre Arten, die für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura-2000“ maßgeblich waren, erheblich beeinträchtigt werden.
Sofern andere als die dort genannten Gründe für eine Beeinträchtigung des Schutzgebietes angeführt werden sollen, hat vor einer positiven Entscheidung die nach Nr. 11.3, 13.2 oder 14.2 zuständige Behörde über das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen – oberste Naturschutzbehörde – und das Bundesumweltministerium eine Stellungnahme der Europäischen Kommission einzuholen. Die Unterlagen umfassen
die nach Nrn. 9.7.1 und 11.2 vom Projektträger gemachten Angaben,
den Fachbeitrag der Naturschutzbehörde und gegebenenfalls weitere fachliche Äußerungen Dritter nach Nr. 9.7.2,
die Beurteilung der Verträglichkeit durch die nach Nr. 9.6 zuständige Behörde,
die vorgesehene Entscheidung.
Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist bei der abschließenden Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen zu berücksichtigen. Dabei hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Auffassung der Kommission stattzufinden; eine Abweichung ist zu begründen.

11.7  Kohärenzausgleich

Wird ein Projekt nach Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG zugelassen, sind gemäß § 19c Abs. 5 BNatSchG alle zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (Kohärenzausgleich). Diese Pflicht trifft nicht den Projektträger, sondern den Freistaat Bayern.
Die notwendigen Maßnahmen sind eigenständig zu ermitteln.
Die Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges müssen erreichen, dass die von dem Projekt beeinträchtigten Funktionen im Europäischen Netz „Natura 2000“ zeitlich lückenlos wiederhergestellt werden. In Betracht kommen nach Lage des Einzelfalles insbesondere Verbesserungen im Gebiet selbst, Flächenausdehnung abseits des betroffenen Teilbereiches oder – bei schwerer Beeinträchtigung – die Aufnahme eines anderen, bislang nicht gemeldeten Gebietes, das die gleichen Funktionen im europäischen Netz erfüllen kann.
Die Naturschutzbehörde nimmt auch zum Kohärenzausgleich Stellung. Sie veranlasst, soweit möglich, die weiteren Maßnahmen, die sie neben den dem Projektträger auferlegten Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges für unerlässlich hält und unterrichtet im Übrigen das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, das seinerseits die notwendigen Maßnahmen in die Wege leitet. Bei Meldung neuer Flächen als FFH- oder als Vogelschutz-Gebiet wird ein Dialogverfahren mit den betroffenen Eigentümern und Stellen durchgeführt.
Die dem Projektträger nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung obliegenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und der Kohärenzausgleich stehen grundsätzlich nebeneinander. Im Ergebnis können allerdings bestimmte tatsächliche Maßnahmen geeignet sein, sowohl die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Europäische Netz „Natura 2000“ als auch der Eingriffsregelung zu erfüllen. Bei einem Nebeneinander von Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges einerseits und Kompensationsmaßnahmen nach der Eingriffsregelung andererseits haben die Kompensationsmaßnahmen dazu beizutragen, dass der Zusammenhang des Europäischen Netzes „Natura 2000“ sichergestellt wird (Art. 49a Abs. 4 BayNatSchG). Deshalb sind die Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges, soweit sie sich aus der Kompensationsverpflichtung nach der Eingriffsregelung ergeben, dem Projektträger aufzuerlegen.
Die Verpflichtungen des Projektträgers sind durch die Zulassungsentscheidung festzulegen. Zur Sicherung der Verpflichtungen kommt ergänzend die Anordnung einer Sicherheitsleistung als Nebenbestimmung nach dem jeweils anwendbaren Fachrecht beziehungsweise, soweit die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Art. 6a BayNatSchG betroffen sind, nach Art. 6b Abs. 6 Satz 1 BayNatSchG in Betracht. Wenn ergänzende Verträge mit Landbewirtschaftern oder hoheitliche Maßnahmen, z.B. Schutzgebietsausweisungen erforderlich sind, kann sich ein Vertrag zwischen dem Projektträger und der Naturschutzbehörde, die tätig werden soll, anbieten, der Maßnahmen oder Finanzierungsbeiträge des Projektträgers für notwendige Entschädigungsleistungen beinhaltet.
Die nach den Nrn. 11.3, 13.2 und 14.2 zuständige Behörde ist auch zuständige Behörde im Sinn des § 19c Abs. 5 Satz 2 BNatSchG, soweit die Maßnahmen des Kohärenzausgleiches im Bescheid festgesetzt werden. Die Unterrichtung der Kommission erfolgt über die höhere Naturschutzbehörde, die gegebenenfalls die Maßnahmen des Kohärenzausgleiches ergänzt, die darüber hinaus getroffen werden, das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen – oberste Naturschutzbehörde – und das Bundesumweltministerium.

12 Verträglichkeitsprüfung von Plänen

12.1  Pläne

Pläne im Sinn der Vorschriften von § 19d Nr. 1 BNatSchG und Art. 13c Abs. 3 BayNatSchG in Verbindung mit § 19a Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG sind z.B.

12.1.1  Gesamtplanungen, städtebauliche Satzungen

Raumordnungspläne nach Art. 13, 15, 17 und 26 BayLplG;
Ergebnisse von Raumordnungsverfahren (landesplanerische Beurteilungen) sind keine Pläne oder Entscheidungen im Sinn des § 19a Nr. 9 BNatSchG, weil sie wegen ihres gutachtlichen und lediglich vorklärenden Charakters nicht geeignet sind, ein FFH- oder ein Vogelschutzgebiet erheblich zu beeinträchtigen,
Flächennutzungspläne (§§ 5, 1a Abs. 2 Nr. 4 BauGB),
Bebauungspläne einschließlich vorhabenbezogener Bebauungspläne (§§ 8, 12, 1a Abs. 2 Nr. 4 BauGB),
Ergänzungssatzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB;

12.1.2  Fachplanungen

Linienbestimmungen nach
§ 16 Bundesfernstraßengesetz,
§ 13 Bundeswasserstraßengesetz,
§ 2 Abs. 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz,
Bedarfsplan gemäß § 1 Bundesschienenwegeausbau-Gesetz;

12.1.3  Sonstige Pläne und vorgängige Entscheidungen

wasserwirtschaftliche Rahmenpläne (§ 36 WHG, Art. 71a BayWG),
wasserwirtschaftliche Bewirtschaftungspläne (§ 36b WHG, Art. 71b BayWG),
Abwasserbeseitigungspläne (§ 18a WHG, Art. 41d BayWG),
Abfallwirtschaftspläne (§ 29 Abs. 1 KrW-/AbfG, Art. 11 BayAbfG).
Die Verpflichtung zur Durchführung der Verträglichkeitsprüfung für Raumordnungspläne sowie Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergibt sich unmittelbar aus den für diese Planungen geltenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen (§ 7 Abs. 7 Satz 3 ROG, § 1a Abs. 2 Nr. 4, § 34 Abs. 4 BauGB).
Für die Linienbestimmungen durch Bundesbehörden gilt § 19c BNatSchG entsprechend (§ 19d Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 3 BNatSchG).

12.2  Planungen verschiedener Ebenen

Bei mehrstufigen Planungen ist die Verträglichkeitsprüfung auf der jeweiligen Planungsebene im Rahmen der Regelungsbefugnis der einzelnen Pläne und entsprechend ihrem jeweiligen Konkretisierungsgrad durchzuführen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Zulässigkeit (einschließlich Alternativenprüfung und Ausnahmegrund) und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhangs unter Umständen – aufeinander aufbauend – in verschiedenen Plan- oder Genehmigungsverfahren stattfindet. Planungen nachgeordneter Ebenen haben die Prüfergebnisse der höheren Ebene zu berücksichtigen und im erforderlichen Umfang zu konkretisieren.

12.3  Zuständigkeit

Abweichend von Nr. 9.6 wird die Verträglichkeitsprüfung von Plänen vom Planungsträger (z.B. bei Bauleitplänen von der Gemeinde, bei Regionalplänen vom regionalen Planungsverband) in eigener Verantwortung unter Beteiligung der Naturschutzbehörde durchgeführt. Gemeinden führen die Verträglichkeitsprüfung im Rahmen ihrer Planungshoheit durch.
Die Verträglichkeit eines Plans wird in dem für seine Aufstellung oder Änderung vorgeschriebenen Verfahren geprüft.
Für die Verträglichkeitsprüfung gilt im Übrigen Nr. 9 entsprechend.

13 Immissionsschutzrechtliche Anlagen

13.1  Sondervorschrift des § 19e BNatSchG

§ 19e BNatSchG regelt als Sondervorschrift die Verträglichkeitsprüfung und Zulassung genehmigungsbedürftiger Anlagen nach dem BImSchG. Sie tritt hinsichtlich der Emissionen an die Stelle des Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG. Inhaltliche Abweichungen bestehen jedoch nicht; für die materielle Beurteilung der Zulässigkeit gilt der im Rahmen des § 19c Abs. 1 und Abs. 3 bis 5 BNatSchG erlassene Art. 49a Abs. 1, 2 und 4 BayNatSchG.
Erhebliche Beeinträchtigungen liegen nicht vor, wenn die Anlage den Maßstäben des Immissionsschutzrechts entspricht. Eine darüber hinaus gehende naturschutzrechtliche Bewertung erfolgt insoweit nicht.
Bewirken besondere Schutzvorschriften oder Art. 13d BayNatSchG einen strengeren Schutz des FFH- oder des Vogelschutz-Gebietes vor Immissionen, ist § 19e BNatSchG gemäß § 19f Abs. 2 BNatSchG nicht anzuwenden. Es gelten dann bezüglich Zuständigkeit und Entscheidungsgrundlage diese besonderen Schutzvorschriften. Zusätzlich gelten Art. 49a Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, Abs. 4 BayNatSchG und § 19b Abs. 5 Satz 2 BNatSchG.

13.2  Zuständigkeit

Die Verträglichkeitsprüfung und Zulassungsentscheidung erfolgt durch die Immissionsschutzbehörde im Benehmen mit der Naturschutzbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe.
Der Fachbeitrag der Naturschutzbehörde umfasst neben den in Nr. 9.7.2 genannten Punkten insbesondere auch
die Beurteilung von Alternativen auf ihre Eignung zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen
die Beurteilung des öffentlichen Naturschutzinteresses
einen Entscheidungsvorschlag für Maßnahmen des Kohärenzausgleiches.

14 Gewässerbenutzungen

14.1  Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 WHG

Die Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 WHG enthält eine abschließende Regelung für die Zulassung von Gewässerbenutzungen mit möglichen Auswirkungen auf FFH- oder Vogelschutz-Gebiete. Sie tritt an die Stelle des Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG. Inhaltliche Abweichungen bestehen jedoch nicht; für die materielle Beurteilung der Zulässigkeit gelten die im Rahmen des § 19c Abs. 1 und Abs. 3 bis 5 BNatSchG erlassenen Art. 49a Abs. 1, 2 und 4 BayNatSchG.
Bewirken besondere Schutzvorschriften oder Art. 13d BayNatSchG einen strengeren Schutz des FFH- oder des Vogelschutz-Gebietes gegen Wasserbenutzungen, ist § 6 Abs. 2 WHG gemäß Satz 2 in Verbindung mit § 19f Abs. 2 BNatSchG nicht anzuwenden. Es gelten dann bezüglich Zuständigkeit und Entscheidungsgrundlage diese besonderen Schutzvorschriften. Zusätzlich gelten Art. 49a Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, Abs. 4 BayNatSchG und § 19 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG.
Für die Auswirkungen baurechtlich zu beurteilender Maßnahmen muss ergänzend die Prüfung nach Art. 49a Abs. 1 und 2 BayNatSchG von den hierfür zuständigen Behörden (vgl. Nrn. 9.6 und 11.3) erfolgen.
§ 6 Abs. 2 WHG enthält im Unterschied zu Art. 13c Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG kein uneingeschränktes Verbot, Gebiete zu beeinträchtigen, die Gegenstand eines Konzertierungsverfahrens nach Art. 5 der FFH-Richtlinie sind (vgl. Nr. 4.4). § 6 Abs. 2 WHG ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 der FFH-Richtlinie europarechtskonform dahin auszulegen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung von Konzertierungsgebieten zu unterbleiben hat.

14.2  Zuständigkeit

Die Verträglichkeitsprüfung und Zulassungsentscheidung erfolgt durch die Wasserrechtsbehörde im Benehmen mit der Naturschutzbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe. Für den Fachbeitrag der Naturschutzbehörde gilt Nr. 13.2 entsprechend.

15 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften

15.1  Baurecht

15.1.1  Bebauungsplangebiete

Die Pflicht nach Art. 49a Abs. 1 BayNatSchG zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung besteht nicht für Vorhaben im Sinn des § 29 BauGB in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB (vgl. § 19f Abs. 1 Satz 1 BNatSchG).
Hinsichtlich nach BImSchG genehmigungsbedürftiger Anlagen bleibt die Anwendung des § 19e BNatSchG allerdings unberührt.
Eine Verträglichkeitsprüfung ist ferner nicht für Vorhaben erforderlich, die nach § 33 BauGB während der Aufstellung des Bebauungsplans zugelassen werden, da auch hier die Anforderungen der Verträglichkeitsprüfung bei der Aufstellung des Bebauungsplans abgearbeitet werden. Planreife setzt insbesondere voraus, dass die für das Vorhaben maßgeblichen Festsetzungen bereits absehbar sind; soweit diese Beurteilung vom Ausgang der Verträglichkeitsprüfung im Bauleitplanverfahren abhängt, muss diese bereits abgeschlossen sein.
Ergibt die Ermittlung der Umweltauswirkungen im Bauleitplanverfahren, dass die Planung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erhaltungszieles eines FFH-Gebietes oder des Schutzzwecks eines Vogelschutz-Gebietes führen kann, ist der Plan unzulässig (Art. 13c Abs. 3 BayNatSchG), soweit nicht die unter Nr. 11 genannten besonderen Voraussetzungen vorliegen (§ 19d Satz 2 BNatSchG). Das Ergebnis der Prüfung unterliegt nicht der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB.

15.1.2  Vorhaben im Innen- und Außenbereich

Im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 34 BauGB sind von den Gebietsmeldungen grundsätzlich nicht erfasst. Ausnahmen sind Gebäude, die wesentliche Habitate von Richtlinien-Arten (z.B. Fledermäuse) beherbergen. Darüber hinaus können im Zusammenhang bebaute Ortsteile berührt sein, soweit querende Bäche wegen der notwendigen Durchgängigkeit für Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie als FFH-Gebiete gemeldet wurden. Nach § 19f Abs. 1 Satz 2 BNatSchG sind auf Vorhaben nach § 34 BauGB die Vorschriften der Art. 13c Abs. 2, Art. 49a Abs. 1 und 2 BayNatSchG anzuwenden; in der Regel wird es sich allerdings um Vorhaben handeln, welche die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets offensichtlich nicht erheblich beeinträchtigen können. Ist beim Erlass einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, bedarf es einer solchen bei der Zulassung eines Vorhabens im Geltungsbereich dieser Satzung nicht mehr.
Auf Vorhaben im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB sind, sofern es sich um Projekte handelt (vgl. oben Nrn. 9.1 und 10), nach § 19f Abs. 1 Satz 2 BNatSchG die Vorschriften der Art. 13c Abs. 2, Art. 49a Abs. 1 und 2 BayNatSchG anzuwenden.

15.2  Naturschutzrecht

15.2.1  Vorbehalt strengerer Vorschriften

Nach Art. 13c Abs. 4 BayNatSchG bleiben weitergehende Schutzvorschriften unberührt. Vorschriften, die einen strengeren Schutz der Natur bewirken, z.B. Naturschutzgebietsverordnun-gen oder Art. 13 d BayNatSchG, sind also zusätzlich zu beachten.

15.2.2  Klarstellungen

Bei § 19f Abs. 3 BNatSchG handelt es sich um eine bloße Klarstellung, die nicht ausdrücklich in das BayNatSchG aufgenommen wurde. Die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 49a BayNatSchG ersetzt nicht die Anwendung der Eingriffsregelung nach den Art. 6 ff. BayNatSchG und nach den Vorschriften über die Integration der Eingriffsregelung in die Bauleitplanung gemäß § 8a BNatSchG. Auch die Vorschrift des § 9 BNatSchG (Beteiligung durch Behörden des Bundes) ist weiterhin anzuwenden.

16 Schlussbestimmung

Diese Bekanntmachung tritt am 1. September 2000 in Kraft.

I.A.
I.A.
Dr. Waltner
Müller
Ministerialdirektor
Ministerialdirektor
I.A.
I.A.
Dr. Kormann
Dr. Fischer-Heidlberger
Ministerialdirektor
Ministerialdirektor
I.A.
Adelhardt
Ministerialdirektor
EAPl 173 AllMBl 2000 S. 544
GAPl 8645