Inhalt

Text gilt ab: 01.09.2000

5 Schutzmaßnahmen

5.1  Verpflichtung zum Schutz

Die im Bundesanzeiger bekannt gemachten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind gemäß Art. 13b BayNatSchG durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder Verträge zu schützen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist, unter Beachtung der sozioökonomischen Anforderungen des Art. 2 Abs. 3 FFH-RL die Lebensraumtypen und/oder die Arten, die maßgeblich für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ waren, entsprechend ihren ökologischen Erfordernissen zu bewahren. Die Richtlinie setzt dafür eine Frist von sechs Jahren nach Erstellung der Gemeinschaftsliste. Von den Umsetzungsfristen des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL aus gerechnet endet die 6-Jahresfrist am 4. Juni 2004. Nachdem die Gemeinschaftsliste noch nicht erstellt ist, läuft nach bayerischer Rechtsansicht die Frist noch nicht. Da die Verzögerung der Gemeinschaftsliste aber auf den säumigen Gebietsmeldungen der Mitgliedstaaten beruht, ist zu erwarten, dass die Kommission auf der ursprünglichen Frist besteht. Es empfiehlt sich daher, möglichst bald nach der bayerischen Gebietsmeldung die erforderlichen Überlegungen zum Schutz einzuleiten und nach endgültiger Erstellung der Gemeinschaftsliste zügig den Schutz zu bewirken.
Für die Europäischen Vogelschutz-Gebiete ergibt sich die Schutzverpflichtung aus Art. 4 Vogelschutz-Richtlinie. Einen Zeitraum für die Umsetzung der Schutzverpflichtung nennt die Richtlinie zwar nicht, der erforderliche Schutz ist aber, soweit noch nicht vorhanden, zügig herzustellen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist es, die jeweiligen Vogelarten und ihre Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so zu erhalten, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.

5.2  Grundprinzip

Grundprinzip der Umsetzung in Bayern ist, dass von den fachlich geeigneten Instrumentarien jeweils diejenige Schutzform ausgewählt wird, die die Betroffenen am wenigsten belastet. Der Abschluss von Verträgen mit den Grundeigentümern hat Vorrang, wenn damit der notwendige Schutz erreicht werden kann (Art. 13b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG). Hoheitliche Schutzmaßnahmen werden nur dann getroffen, wenn und soweit dies unumgänglich ist, weil auf andere Weise kein gleichwertiger Schutz erreicht werden kann. Jedes Schutzinstrument muss sicherstellen, dass dem Verschlechterungsverbot nach Art. 13c BayNatSchG entsprochen wird.

5.3  Schutzmöglichkeiten

Maßnahmen vertraglicher Art
Durch Verträge mit den Grundstückseigentümern beziehungsweise Nutzungsberechtigten sollen Nutzungen und Bewirtschaftungsweisen sichergestellt werden, die für den Lebensraumtyp und/oder für die Habitate der Arten, die für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz „Natura 2000“ maßgeblich waren, einen günstigen Erhaltungszustand gewährleisten. Die Laufzeit der Verträge kann dem Vertragsnaturschutzprogramm angepasst werden. Kann der Vertrag nicht verlängert werden oder kann er das Erhaltungsziel des Gebietes nicht ausreichend sicherstellen, sind andere Sicherungsmaßnahmen zu prüfen. Für die Anwendung der Rückholklausel gilt Nr. 8.3. Für die zu leistenden Entschädigungen und Entgelte gelten die Regeln des Vertragsnaturschutzprogrammes beziehungsweise anderer geeigneter Förderprogramme.
Praktische und administrative Maßnahmen
Freihändiger Landerwerb, praktische Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Einvernehmen mit den Betroffenen, wie z.B. Renaturierung, Pflegemaßnahmen, Anlage verbesserter Habitat-Strukturen oder geeignete Lenkungsmaßnahmen stellen wichtige Sicherungsmaßnahmen dar.
Schutznormen auf spezialgesetzlicher Grundlage
Einrichtung von Naturwaldreservaten gem. Art. 18 Abs. 3 Satz 1 und Art. 19 Abs. 1 Satz 4 BayWaldG
Ausweisung von Schutz-, Bann- und Erholungswald gemäß Art. 10, 11 und 12 BayWaldG
Ausweisung von Wasserschutzgebieten gemäß § 19 WHG in Verbindung mit Art. 35 BayWG
Festsetzung von Überschwemmungsgebieten gemäß § 32 WHG in Verbindung mit Art. 62 BayWG
Schutzmöglichkeiten nach Naturschutzrecht
Erlass von Verordnungen nach Art. 26 BayNatSchG
Ausweisung von Schutzgebieten nach dem III. Abschnitt des BayNatSchG (vgl. Art. 13b Abs. 1 BayNatSchG)
Kombination verschiedener Schutzmethoden
Soweit eine Schutzmethode keinen ausreichenden Schutz gegen die Verschlechterung eines Gebietes bewirkt, z.B. weil sie nur zwischen Vertragspartnern wirkt, kommt auch eine Kombination verschiedener Schutzmöglichkeiten in Betracht. Vertraglich geregelte Verhaltensweisen sollen in zusätzlich notwendigen Verordnungen von hoheitlichen Beschränkungen ausgenommen werden.

5.4  Sicherung durch planerische Festlegungen

Als geeignete Schutzmethode gilt auch die Sicherung durch planerische Festlegungen. In vielen Fällen kann mit planerischen Festlegungen sichergestellt werden, dass ein Gebiet vor einer mit Planungen und Maßnahmen einhergehenden Verschlechterung gesichert wird. In Raumordnungsplänen erfolgt dies durch die Aufstellung von Zielen der Raumordnung, die gemäß § 4 ROG zu beachten sind. Auf der Ebene der Regionalplanung kommt als Sicherungsmöglichkeit vor allem die Ausweisung von wasserwirtschaftlichen Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung und zum vorbeugenden Hochwasserschutz in Betracht.

5.5  Gebiete, die keines weiteren Schutzes bedürfen

Zusätzliche Schutzmaßnahmen entfallen, wenn und soweit die Gebiete bereits ausreichend geschützt sind. Das ist der Fall bei
Flächen im Eigentum von Staat, kommunalen Gebietskörperschaften sowie sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, weil deren Vorbildfunktion gemäß Art. 2 Abs. 1 BayNatSchG entsprechend § 19b Abs. 4 BNatSchG beziehungsweise Art. 13b Abs. 2 BayNatSchG die Erhaltung des Zustandes gewährleistet;
bereits bestehenden Schutzgebieten im Sinn des III. Abschnitts des BayNatSchG, wenn dadurch das Erhaltungsziel des Gebietes ausreichend gesichert ist;
durch Art. 13d BayNatSchG unmittelbar geschützten Biotopen;
bereits geschützten beziehungsweise gesicherten Flächen, wenn dadurch das Erhaltungsziel des Gebietes ausreichend gesichert ist.

5.6  Auswahl der Schutzmethode

Die untere Naturschutzbehörde erarbeitet in Abstimmung mit der höheren Naturschutzbehörde und, soweit Wald betroffen ist, im Benehmen mit der Forstbehörde ein Schutzkonzept und schlägt die geeignete Schutzmethode vor. Die betroffenen Grundeigentümer, Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Verbände sind so früh wie möglich in die Planung des Schutzgebietskonzeptes einzubeziehen. Das Schutzkonzept hat soweit möglich konsensuale Lösungen zur Sicherung der Gebiete vorzusehen.
Die untere Naturschutzbehörde erstellt eine zusammenfassende Darstellung über den Schutz eines Gebietes. Die untere Naturschutzbehörde beziehungsweise die Forstbehörde (vgl. Nr. 6.5) überwacht im Rahmen des Monitoring (Nr. 6.3) den flächendeckenden Fortbestand eines richtlinienkonformen Schutzes.

5.7  Schutz als gesamtstaatliche Aufgabe

Der Schutz und die Erhaltung des Europäischen Netzes „Natura 2000“ ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Alle hoheitlichen Rechtsträger sind deshalb verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich die Schutzmöglichkeiten wahrzunehmen, die notwendig sind, um gemäß dem Grundsatz der für die Betroffenen geringstmöglichen Beeinträchtigung abgestuft den günstigen Erhaltungszustand eines Gebietes zu gewährleisten. Sind geringer greifende Schutzmethoden nach Ausschöpfung aller vorgenannten Schutzmöglichkeiten und nach Beteiligung der in Nr. 5.6 Genannten nicht erreichbar, haben die Naturschutzbehörden die Möglichkeiten nach Naturschutzrecht zu ergreifen.

5.8  Rechtsschutz

Rechtsschutz haben die Betroffenen bei Schutzgebietsausweisungen und raumplanerischen Festlegungen im Weg der Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO beziehungsweise durch Klage gegen die Versagung der Zulassung eines konkreten Projektes.