Inhalt

Text gilt ab: 01.09.2000

8 Bedeutung des Verschlechterungsverbots

8.1  Grundsätze

Eine zentrale Bestimmung der FFH-RL ist das Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2. Dieses Verschlechterungsverbot ist landesrechtlich durch Art. 13c BayNatschG umgesetzt. Das Verschlechterungsverbot ist zu berücksichtigen
im Rahmen des Art. 13c Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG bei allen Veränderungen oder Störungen, die erhebliche Beeinträchtigungen zur Folge haben,
bei der Zulassung von Projekten und Plänen im Sinn des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG (Art. 13c Abs. 2 und 3 BayNatSchG),
nach Art. 13c Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG bezüglich der prioritären Lebensraumtypen und Arten auch in Konzertierungsgebieten (vgl. Nr. 3.3),
unabhängig vom Vorliegen eines Projektes oder eines Planes im Zusammenhang mit der dauerhaften Sicherung der gemeldeten Gebiete.
Bei FFH-Gebieten ist Maßstab für die Prüfung, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, allein das Erhaltungsziel des Gebietes, das auf das zur Erhaltung des richtlinienkonformen Zustandes Erforderliche und die im Gebiet für das Europäische Netz „Natura 2000“ notwendigen Lebensraumtypen und Arten konzentriert ist.
Bei Europäischen Vogelschutz-Gebieten ist Maßstab ihr Schutzzweck, nämlich die Erhaltung der jeweiligen Vogelarten und ihrer Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.
Allgemeine naturschutzfachliche Zielvorstellungen für die Erhaltung oder Entwicklung des Gebietes können nicht herangezogen werden; für sie gilt das „allgemeine“ Naturschutzrecht.
Aus dem Verschlechterungsverbot folgt kein Veränderungsverbot und kein Verbesserungsgebot.

8.2  Bisherige Nutzungen und Nutzungsänderungen

Die Nutzungen zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung, die vielfach erst zu dem meldewürdigen Zustand geführt haben, können weitergeführt werden, da sie keine Verschlechterung bewirken. Dazu gehört auch die bisher ausgeübte Bewirtschaftungsweise. Änderungen der Bewirtschaftungsweise im Rahmen des wissenschaftlich-technischen Fortschrittes sind zulässig, soweit sie sich nicht erheblich nachteilig auf die Erhaltungsziele auswirken.
Die bisherige ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung bleibt weiterhin möglich. Wenn sich in Einzelfällen der ökologische Zustand eines Gebietes aufgrund der bisher ausgeübten Nutzung nachweisbar ständig („schleichend“) verschlechtert, ist sorgfältig zu untersuchen, inwieweit – gegen Entgelt – Beschränkungen der bisher ausgeübten Nutzung erforderlich werden. Anzustreben sind allerdings zunächst freiwillige Entwicklungs- beziehungsweise Optimierungsmaßnahmen.
Nutzungsänderungen sind zulässig, soweit sie sich nicht erheblich nachteilig auf die Erhaltungsziele auswirken.
Soweit Nutzungsänderungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen können, können sie aus zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zugelassen werden (vgl. Nr. 11).

8.3  Verschlechterungsverbot und „Rückholklausel“

Das Verschlechterungsverbot des Art. 13c Abs. 1 und 2 BayNatSchG ist durch Art 13d Abs. 6 BayNatSchG zugunsten der Rückholklausel überwunden. Die Rückholklausel bedeutet, dass der Zustand vor Vertragsabschluss, der die Meldewürdigkeit begründet hat, wiederhergestellt wird, indem die frühere landwirtschaftliche Nutzung wieder aufgenommen wird. Die Beseitigung einer später eingetretenen Veränderung führt also nur zu diesem meldewürdigen Zustand zurück und kann deshalb nicht seine Verschlechterung bewirken. Die Landwirte, die im Rahmen von Verträgen über Nutzungsbeschränkungen, z.B. nach Vertragsnaturschutzprogramm oder Kulturlandschaftsprogramm künftig ihre Flächen stilllegen oder ökologisch bewirtschaften, können also auch in FFH- und Vogelschutz-Gebieten gemäß der „Rückholklausel“ nach Ablauf ihrer Verträge wieder zur früheren landwirtschaftlichen Nutzung zurückkehren. Diese Regelung gilt auch für die genannten Verträge über Nutzungsbeschränkungen, die bei Meldung eines Gebietes bereits laufen, da die Flächen mit dem Bonus „Rückholklausel“ gemeldet wurden und insoweit Bestandsschutz genießen.