Text gilt ab: 29.04.1996

Fahndung nach Fahnenflüchtigen oder eigenmächtig abwesenden Soldaten der Bundeswehr

MABl. 1982 S. 418


50-I
Fahndung nach Fahnenflüchtigen oder eigenmächtig abwesenden Soldaten der Bundeswehr
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern
vom 17. Juli 1982 Az.: IC5-2311-13/3, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 29. April 1996 (AllMBl S. 266)
An die Dienststellen der Bayerischen Polizei
Bei der Fahndung nach Fahnenflüchtigen oder eigenmächtig abwesenden Soldaten der Bundeswehr ist nach folgenden Leitsätzen zu verfahren:

1. Nachforschungen der Bundeswehr

Bei Verdacht eines Vergehens gemäß §§ 15, 16 WStG führen die zuständigen Stellen der Bundeswehr die erforderlichen Nachforschungen in eigener Zuständigkeit durch.

2. Anzeige der Bundeswehr (Abgabe nach § 29 der Wehrdisziplinarordnung)

2.1 

Führen diese Nachforschungen zum Tatverdacht im Sinn der Kriterien gemäß der „Zentralen Dienstvorschrift der Bundeswehr “ (ZDv 14/3 B 162, Nr. 4), erstattet der zuständige Disziplinarvorgesetzte der Bundeswehr oder ein von ihm Beauftragter Strafanzeige bei der für den Standort der Truppe zuständigen Strafverfolgungsbehörde. Der Disziplinarvorgesetzte richtet die Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft. Bei Gefahr im Verzug kann die Anzeige zusätzlich auch an die zuständige Polizeidienststelle gerichtet werden.

2.2 

In der Anzeige sind die Gründe anzugeben, die den vorgenannten Tatverdacht rechtfertigen. Zur Prüfung der Frage, ob eine Fahndung mit dem Ziel der Festnahme einzuleiten ist, teilt der Disziplinarvorgesetzte oder der von ihm Beauftragte dabei außerdem Art, Umfang und Ergebnis der eigenen Nachforschungen der Bundeswehr (ZDv 14/3 B 162) nach dem Aufenthalt des Beschuldigten mit.

3. Maßnahmen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft veranlasst etwa erforderliche Fahndungsmaßnahmen gemäß den Nummern 39 ff der „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) “ vom 1. Januar 1977.

4. Maßnahmen der Polizei nach der Strafprozessordnung

4.1 

Hält die sachbearbeitende Polizeidienststelle in Fällen der Gefahr im Verzug (Nr. 2.1 Satz 3) die Voraussetzungen des § 112 StPO für gegeben, so führt sie die Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft (Antrag auf Erlass eines Haftbefehls) herbei.
Zugleich veranlasst die sachbearbeitende Polizeidienststelle die Ausschreibung des gesuchten Soldaten zur Festnahme im INPOL-Fahndungssystem (PDV 384,1 Nrn. 2.4.2.2 und 2.4.2.4). Bestehen Zweifel am Erlass eines Haftbefehls, ist die Ausschreibung zurückzustellen, bis eine justitielle Entscheidung getroffen ist. Die Möglichkeit, Maßnahmen gemäß Nummer 6 zu treffen, bleibt unberührt.

4.2 

Liegen Anhaltspunkte über den möglichen Aufenthalt oder das Fluchtziel des Fahnenflüchtigen oder unerlaubt abwesenden Soldaten vor, leitet die sachbearbeitende Polizeidienststelle gezielte Fahndungsmaßnahmen ein, sonst beteiligt sie gemäß Nummer 2.2 der Anlage 1 zur PDV 384.1 das zuständige Landeskriminalamt, ggf. auch das Bundeskriminalamt.

4.3 

Wird ein wegen Verdachts des Vergehens gemäß §§ 15, 16 WStG gesuchter Soldat im Zuge der Sofortfahndung festgenommen, bevor ein Haftbefehl ergangen ist, hat die von der festnehmenden Polizeidienststelle verständigte sachbearbeitende Polizeidienststelle unverzüglich eine Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls herbeizuführen. Die festnehmende Polizeidienststelle verständigt zugleich das für ihren Dienstbezirk zuständige Feldjägerdienstkommando.

4.4 

Ergeht ein Haftbefehl oder ist dieser bei Festnahme des Gesuchten bereits ergangen, ist gemäß der Strafprozessordnung zu verfahren.

4.5 

Wird der Erlass eines Haftbefehls abgelehnt, so ist
-
die Fahndungsausschreibung zu löschen, wenn der gesuchte Soldat noch nicht festgenommen wurde,
-
die im Zuge der Sofortfahndung erfolgte Festnahme aufzuheben und der Soldat den Feldjägern zu überstellen (vgl. insofern auch Nr. 6).

5. Aufgriff des Soldaten durch Organe der Bundeswehr

Wird ein wegen Verdachts des Vergehens gemäß §§ 15, 16 WStG gesuchter Soldat von Organen der Bundeswehr festgenommen, nachdem eine Strafanzeige erstattet wurde, sind die betroffenen Strafverfolgungsbehörden, an die die Anzeige gerichtet wurde (Nr. 2.1), unverzüglich zu verständigen. Diese veranlassen unverzüglich die Rücknahme etwaiger Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Löschung einer Fahndungsausschreibung (Nr. 39 Abs. 3 RiStBV, PDV 384.1 Nr. 2.4.4).
Besteht zum Zeitpunkt der Festnahme bereits ein Haftbefehl, ist der Soldat der für den Festnahmeort zuständigen Polizeidienststelle zur Vorführung vor den Haftrichter zu überstellen.

6. Maßnahmen der Polizei nach Polizeirecht

Das Recht der Polizei, im Wege der Gefahrenabwehr die nach dem Polizeiaufgabengesetz jeweils zulässigen Maßnahmen zur Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung von Straftaten (§§ 15, 16 WStG) zu treffen, bleibt unberührt.
Dies schließt die Übergabe des unerlaubt abwesenden Soldaten an die für seine Rückführung zur Truppe in Betracht kommende Dienststelle der Bundeswehr ein.
EAPl 13-130
MABl 1982 S. 418