Text gilt ab: 23.12.1994

12. Rechtsbehelfe

12.1 

Gegenstand eines Rechtsbehelfs kann eine polizeiliche Amtshandlung oder das dienstliche Verhalten eines Polizeibeamten sein. Dabei kommt es nicht auf die vom Beschwerdeführer gewählte Bezeichnung seines Rechtsbehelfs an, sondern darauf, was er der Sache nach will, nämlich

12.1.1 

die förmliche Überprüfung einer polizeilichen Maßnahme, deren Ablehnung oder Unterlassung; dies kann durch Einlegung eines Widerspruchs, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, oder durch Rechtsbehelfe des Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens geschehen,

12.1.2 

die nichtförmliche Überprüfung einer polizeilichen Maßnahme, deren Ablehnung oder Unterlassung im Weg der Aufsichtsbeschwerde,

12.1.3 

die nichtförmliche Überprüfung des dienstlichen Verhaltens eines Polizeibeamten im Weg der Aufsichtsbeschwerde.

12.2 

Geht ein Rechtsbehelf bei einer anderen Polizeidienststelle ein als bei derjenigen, deren Tätigkeit angegriffen wird, so ist er unverzüglich der letzteren Dienststelle zuzuleiten.

12.3  Widerspruch

12.3.1 

Der Widerspruch (§ 69 VwGO) kann sich gegen die Rechtmäßigkeit oder die Zweckmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme richten, die ein Verwaltungsakt ist. Bestehen Zweifel, ob die angegriffene Maßnahme einen Verwaltungsakt darstellt oder ob der Widerspruch form- und fristgerecht eingelegt ist, so ist der Rechtsbehelf gleichwohl unter Hinweis auf die Bedenken an die Dienststelle, die über den Widerspruch entscheidet (Widerspruchsbehörde, Art. 12 Abs. 2 und 3 POG) zu leiten.

12.3.2 

Wird der Widerspruch unmittelbar bei der Widerspruchsbehörde eingelegt, so ist er zunächst der Dienststelle zuzuleiten, welcher der Beamte, der die angegriffene Maßnahme getroffen hat, angehört (Ausgangsbehörde). Hat jedoch eine andere Stelle die Einsatzleitung übernommen oder zu dem Verwaltungsakt angewiesen, so ist der Widerspruch dieser Stelle als Ausgangsbehörde zuzuleiten.

12.3.3 

Die Ausgangsbehörde prüft zunächst Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme. Hält sie den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab (§ 72 VwGO). Der Abhilfebescheid wird über die Polizeidirektion bzw. Landespolizeiinspektion zugestellt. Die Widerspruchsbehörde erhält einen Abdruck des Abhilfebescheides und den Widerspruch selbst.

12.3.4 

Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch für unzulässig oder für unbegründet oder handelt es sich um eine unbedeutende Angelegenheit, so kann sie versuchen, die Sache durch ein aufklärendes Schreiben zu bereinigen. Die Widerspruchsbehörde erhält einen Abdruck des Schreibens.

12.3.5 

Legt die Ausgangsbehörde den Widerspruch vor, so berichtet sie in sachlicher und rechtlicher Hinsicht. Die Widerspruchsbehörde prüft Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme. Sie übermittelt der Ausgangsbehörde einen Abdruck des Widerspruchsbescheides.

12.4  Förmliche Rechtsbehelfe gegen strafverfolgende Maßnahmen

12.4.1 

Hat der Rechtsbehelf die förmliche Überprüfung einer Maßnahme zum Gegenstand, die die Polizei auf Ersuchen oder Anordnen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts getroffen hat, so ist er mit einer Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage über das Präsidium der ersuchenden oder anordnenden Stelle zuzuleiten.

12.4.2 

Hat der Rechtsbehelf die förmliche Überprüfung einer strafprozessualen Maßnahme zum Gegenstand, die die Polizei nicht auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts getroffen hat, so ist er mit den Akten und einer Stellungnahme unverzüglich über die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft dem Generalstaatsanwalt vorzulegen. Bei drohendem Ablauf der Monatsfrist des § 26 EGGVG ist der Rechtsbehelf unmittelbar dem Oberlandesgericht oder dem nächsten Amtsgericht zuzuleiten.
Wird mit dem Rechtsbehelf die richterliche Entscheidung über eine noch nicht erledigte Maßnahme beantragt, die die Polizei wegen Gefahr im Verzug anstelle des Richters getroffen hat, so ist der Rechtsbehelf mit einer Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage über die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die angegriffene Maßnahme getroffen wurde, zuzuleiten.

12.4.3 

Für die förmlichen Rechtsbehelfe gegen polizeiliche Maßnahmen beim Vollzug des Ordnungswidrigkeitenrechts gilt Nr. 8 der Bek vom 8. März 1977 (MABl S. 385).

12.5  Aufsichtsbeschwerde

12.5.1 

Die Aufsichtsbeschwerde ist ein nichtförmlicher und nicht fristgebundener Rechtsbehelf. Jedermann, nicht nur der Beschwerte, kann sie einlegen. Sie kann die Überprüfung sowohl einer Amtshandlung wie auch des sonstigen dienstlichen Verhaltens des Polizeibeamten zum Gegenstand haben.

12.5.2 

Richtet sich die Aufsichtsbeschwerde gegen eine Maßnahme auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr, deren Ablehnung oder Unterlassung, so ist zur Entscheidung die Widerspruchsbehörde (Präsidium) zuständig, sofern nicht das Staatsministerium des Innern die Sache an sich zieht.
Wird die Aufsichtsbeschwerde bei der Dienststelle eingelegt, gegen deren Tätigkeit sie sich richtet, so ist sie mit einer Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage dem Präsidium vorzulegen, sofern ihr nicht abgeholfen wird.

12.5.3 

Richtet sich die Aufsichtsbeschwerde gegen eine strafprozessuale Maßnahme, deren Ablehnung oder Unterlassung, so ist zu unterscheiden:

12.5.3.1 

Beruht die Maßnahme auf einer – allgemein oder für den Einzelfall – erteilten Anordnung der Staatsanwaltschaft, so ist diese zur Entscheidung zuständig. Wird die Aufsichtsbeschwerde bei der Polizeidienststelle eingelegt, so legt diese sie mit einer Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage über die vorgesetzte Polizeidirektion bzw. Landespolizeiinspektion der Staatsanwaltschaft vor; das Präsidium erhält einen Abdruck der Stellungnahme. Die Polizei kann in diesem Fall nicht abhelfen.

12.5.3.2 

Liegt keine solche Anordnung vor, so ist die Staatsanwaltschaft nur dann zuständig, wenn der Beschwerdeführer die Verletzung eigener Rechte geltend macht. Will die Polizei der Beschwerde abhelfen, so hat sie zuvor die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Hilft sie nicht ab, so legt sie die Beschwerde mit einer Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage über die vorgesetzte Polizeidirektion bzw. Landespolizeiinspektion der Staatsanwaltschaft vor; das Präsidium erhält einen Abdruck der Stellungnahme.

12.5.3.3 

Liegt keine Anordnung der Staatsanwaltschaft vor und macht der Beschwerdeführer nicht die Verletzung eigener Rechte geltend (Beschwerde eines nicht betroffenen Dritten), so entscheidet die Polizei nach Maßgabe der Nr. 12.5.2. Vor der Entscheidung ist die Staatsanwaltschaft zu unterrichten.

12.5.3.4 

Wird in einer Aufsichtsbeschwerde gegen polizeiliche Maßnahmen, die nach Nr. 12.5.3 der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vorzulegen ist, zugleich das sonstige dienstliche Verhalten des Polizeibeamten beanstandet, so ist über diesen Teil der Beschwerde vom Dienstvorgesetzten des Beamten gesondert zu entscheiden; grundsätzlich ist die Sachentscheidung der Staatsanwaltschaft abzuwarten.