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Text gilt ab: 20.10.2014

4. Verhalten der Schule bei Verdacht strafbarer Handlungen durch oder gegen Schülerinnen oder Schüler

4.1 

Erfährt das Personal der Schule von dem Vorhaben oder der Ausführung eines der in § 138 Strafgesetzbuch (StGB) genannten Verbrechen, so ist es wie jedermann zur strafrechtlichen Anzeige verpflichtet.
Hierzu zählen beispielsweise
Mord und Totschlag
Geiselnahme und erpresserischer Menschenraub
Raub und räuberische Erpressung
Brandstiftung.
Die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten, bleiben von der Amtsverschwiegenheitspflicht des § 37 Abs. 1 BeamtStG unberührt (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG). Für Anzeigen nach § 138 StGB muss daher keine Aussagegenehmigung nach § 37 Abs. 3 BeamtStG eingeholt werden.

4.2 

Daneben hat die Schule unverzüglich die Strafverfolgungsbehörden zu informieren, sobald ihr konkrete Tatsachen bekannt werden, die darauf hindeuten, dass eine der folgenden Straftaten – sofern nicht ohnehin von Nr.  4.1 erfasst – an der Schule oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schule durch oder gegen ihre Schülerinnen oder Schüler bevorsteht, versucht oder vollendet worden ist.
Straftaten gegen das Leben (z.B. fahrlässige Tötung)
Sexualdelikte (z.B. Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder sexueller Missbrauch)
Raubdelikte (z.B. Wegnahme von Sachen unter Anwendung von Gewalt)
gefährliche Körperverletzungen (wie z.B. mit Waffen, gefährlichen Werkzeugen oder gemeinschaftlich begangene) oder
andere erhebliche vorsätzliche Körperverletzungen
andere Gewaltdelikte, insbesondere solche, die gemeinschaftlich oder wiederholt begangen werden, wie auch
besonders schwere Fälle von Bedrohung oder Beleidigung (z.B. Sexualbeleidigung, Mobbing oder Cyber-Mobbing)
besonders schwere Fälle von Sachbeschädigung (z.B. Graffiti)
besonders schwere Fälle von Nötigung, Erpressung und Freiheitsberaubung
politisch motivierte Straftaten
Verstöße gegen das Waffengesetz
Einbruchdiebstähle, aber auch einfache Diebstähle, wenn sie wiederholt vorkommen
gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (z.B. Steinwürfe) und
der Besitz, der Handel oder die sonstige Weitergabe von Betäubungsmitteln nach Maßgabe der besonderen Hinweise unter Nr. 7 dieser Bekanntmachung
eine in der Schwere den aufgezählten Delikten vergleichbare Straftat.
Für diese Anzeigepflicht gilt die Aussagegenehmigung für die Schulleiterin bzw. den Schulleiters hiermit als erteilt. Bestehen Zweifel, ob ein Fall im Sinne der Nr. 4.2 vorliegt, so besteht seitens der Schulleiterin bzw. des Schulleiters die Möglichkeit zur Rücksprache mit der oder dem Dienstvorgesetzten.
Etwaige schulordnungsrechtliche Maßnahmen bleiben hiervon unberührt.

4.3 

Die Lehrkräfte sind verpflichtet, unverzüglich die Schulleiterin oder den Schulleiter zu unterrichten, sobald ihnen konkrete Tatsachen bekannt werden, die auf das Vorliegen von Straftaten im Sinne von Nr. 4.1 oder 4.2 hindeuten. Beratungslehrkräfte sind grundsätzlich wie Lehrkräfte zur unverzüglichen Unterrichtung der Schulleiterin oder des Schulleiters verpflichtet, es sei denn, dass besondere, in die Abwägungsentscheidung über die Informationsweitergabe miteinzubeziehende Gründe eine Ausnahme hiervon rechtfertigen (vgl. Abschnitt III Nr. 4.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus „Schulberatung in Bayern“ vom 29. Oktober 2001 (KWMBl I S. 454), geändert durch Bekanntmachung vom 24. Juni 2011 (KWMBl S. 136)). Die Beratungslehrkräfte sind verpflichtet, die Gründe für ein ausnahmsweises Absehen von der Informationsweitergabe ausreichend zu dokumentieren.
Für Schulpsychologinnen oder Schulpsychologen gelten bzgl. der Informationsweitergabe innerhalb der Schule die Hinweise in Abschnitt III Nr. 4.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus „Schulberatung in Bayern“ vom 29. Oktober 2001 (KWMBl I S. 454), geändert durch Bekanntmachung vom 24. Juni 2011 (KWMBl S. 136).
Werden einer Lehrkraft konkrete Tatsachen bekannt, die darauf hindeuten, dass eine Schulleiterin oder ein Schulleiter in eine Straftat im Sinne von Nr. 4.1 oder 4.2 involviert ist, so hat sie die Behörde, der gem. Art. 114 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) die unmittelbare Schulaufsicht obliegt, unverzüglich und unmittelbar zu informieren. Die Einholung einer Aussagegenehmigung ist hierzu nicht erforderlich.

4.4 

Bei Verdacht strafbarer Handlungen im Sinne von Nr. 4.1 oder 4.2 durch oder gegen Schülerinnen oder Schüler hat die Schule – soweit die strafbaren Handlungen nicht von den Erziehungsberechtigten ausgehen – unverzüglich die Erziehungsberechtigten zu verständigen und über die Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten.

4.5 

Für Fälle von Drogenmissbrauch gelten die besonderen Hinweise unter Nr. 7.

4.6 

Bei Vorkommnissen von besonderer Bedeutung für die Schule ist der vorgesetzten Behörde und dem Aufwandsträger unverzüglich zu berichten. In besonders schwerwiegenden Fällen, insbesondere bei Verdacht strafbarer Handlungen im Sinne von Nr. 4.1 oder 4.2 gegen Schülerinnen oder Schüler durch das Personal der Schule, ist das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst fernmündlich zu verständigen. Von schriftlichen Berichten ist bei Realschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Gymnasien dem Ministerialbeauftragten ein Abdruck vorzulegen (vgl. § 35 LDO).

4.7 

Bei Verdacht strafbarer Handlungen gegen Schülerinnen oder Schüler können Ausnahmen von der Anzeigepflicht nach Nr. 4.2 gerechtfertigt sein:
Steht der erklärte Wille der Schülerin, des Schülers oder der Erziehungsberechtigten einer Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden entgegen, so hat die Schule zunächst durch eine alters- und situationsgerechte Aufklärung über die Notwendigkeit der Weitergabe der Informationen an die Strafverfolgungsbehörden zu versuchen, das Einverständnis zur strafrechtlichen Meldung zu erlangen. Auch wenn die Schülerin, der Schüler oder die Erziehungsberechtigten endgültig nicht zustimmen, hat die Schule die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, es sei denn, es liegen folgende Voraussetzungen vor:
Ist aufgrund der Gesamtsituation zu befürchten, dass die mit der Strafverfolgung verbundene psychische Belastung eine nicht anders abwendbare unmittelbare Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit der Schülerin oder des Schülers verursachen kann (insbesondere Suizidgefahr), kann eine Zurückstellung der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden für die Dauer der Gefährdung gerechtfertigt sein. Die Gefahrensituation muss durch eine von der Schule unabhängige, fachlich qualifizierte Person (z.B. Schulpsychologe) geprüft und festgestellt worden sein.
Die vorstehenden Ausführungen finden auf die Informationsweitergabe an die Erziehungsberechtigten nach Nr. 4.4 sinngemäß Anwendung.