Text gilt ab: 01.01.2022
Gesamtvorschrift gilt bis: 31.12.2025

1. Gegenstand und Zweck der Förderung

1.1 

1Aufgabe der obersten Landesjugendbehörden ist es, die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern (§ 82 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII). 2Davon unberührt bleibt die den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe obliegende Gesamtverantwortung nach § 79 SGB VIII in Verbindung mit Art. 15 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze – AGSG. 3Der Freistaat Bayern unterstützt mit diesem Förderprogramm die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Sicherstellung bedarfsgerechter Strukturen im Bereich der Erziehungsberatung. 4Im Zusammenwirken mit den freien Trägern der Jugendhilfe haben diese für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Erziehungsberatungsstellen in ausreichendem und bedarfsgerechtem Umfang vorzuhalten, der Aufgabenbereich umfasst insbesondere:
Beratung von Kindern und Jugendlichen (§ 8 SGB VIII),
allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII),
Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17 SGB VIII),
Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18 SGB VIII),
Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20 SGB VIII),
Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII unter Berücksichtigung der §§ 27, 36, 41 SGB VIII),
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).

1.2 

1Erziehungsberatungsstellen sind Teil der örtlichen psychosozialen Grundversorgung und der Krisenhilfe für junge Menschen und Familien. 2Durch geeignete organisatorische Maßnahmen sind unverhältnismäßige Wartezeiten zu vermeiden.

1.2.1 

1Eltern, sonstige Erziehungsberechtigte, Familien und junge Menschen erhalten sowohl persönlich, als auch gegebenenfalls unter Einsatz weiterer Kommunikationsformen (Telefon, onlinebasierte Beratung etc.), niederschwellige Beratung. 2Pädagogische und damit verbundene therapeutische Leistungen werden angeboten. 3Die Hilfe verfolgt insbesondere das Ziel, bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung zu unterstützen. 4Die Ratsuchenden sollen insbesondere unterstützt werden bei der eigenständigen Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben und beim (Wieder-)Aufbau förderlicher Sozialisations- und Erziehungsbedingungen.

1.2.2 

Leistungsinhalte sind insbesondere:
präventive Förderung der Erziehung in der Familie insbesondere in Belastungssituationen,
präventive Multiplikatorenarbeit, insbesondere Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungen, Schulen, Familienbildungsstätten, Frühförderstellen, Familiengerichten und Selbsthilfegruppen (zum Beispiel Alleinerziehende, Pflege- und/oder Adoptiveltern), sowie Sozialraumorientierung,
aufsuchende Hilfen an Orten, an denen sich Kinder und ihre Familien aufhalten, um die möglichst niedrigschwellige Erreichbarkeit und bei Bedarf ganzheitliche Hilfen sicherzustellen (zum Beispiel Sprechstunden und Angebote an Kindertageseinrichtungen, Familienstützpunkten, Jugendzentren, psychiatrische Kliniken, Frauenhäusern etc.), siehe auch Nr. 4.4,
Ausbau onlinegestützter digitaler Beratungsangebote,
Informationsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit,
psychologisch-psychosoziale Diagnostik,
Förderung, Verbesserung, Stabilisierung der Entwicklung und soziale Integration von jungen Menschen mit besonderen Schwierigkeiten oder belastenden Erlebnissen wie seelischer, körperlicher sowie sexueller Gewalt,
kurzfristige Krisenintervention,
Klärung und Unterstützung bei der Bewältigung intrafamiliärer Beziehungskonflikte oder partnerschaftlicher Konflikte der Eltern und ihrer Auswirkungen auf die Kinder, insbesondere bei Trennung oder Scheidung,
Unterstützung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge, bei der kindgerechten Durchführung der Umgangsregelungen und der Anbahnung von Besuchskontakten (Sorgerechts- und Umgangsmediation),
Anregung zu ergänzenden oder weiterführenden Maßnahmen oder Hilfen, unter rechtzeitiger Einschaltung des Jugendamts, sobald sich ein Hilfebedarf nach §§ 27 ff. SGB VIII oder § 35a SGB VIII abzeichnet,
Mitwirkung bei der Aufstellung, Durchführung und Überprüfung des Hilfeplans gemäß § 36 SGB VIII, soweit Leistungen der Erziehungsberatung zu erbringen sind,
Kooperation mit anderen relevanten Fachrichtungen (zum Beispiel Kindermedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Erwachsenenpsychiatrie und Psychotherapie),
Qualitätssicherung, insbesondere Kosten-/Nutzeneffizienz und Überprüfung der Maßnahmen und Ergebnisse auf Wirksamkeit (Evaluation).

1.2.3 

1Aufgabe der Beratungsstellen ist es in der Regel nicht, langfristige Therapien durchzuführen. 2In Fällen, in denen andere Sozialleistungsträger vorrangig psychotherapeutische oder therapeutische Leistungen erbringen oder gewähren müssen, sollen Erziehungsberatungsstellen nicht tätig werden.