Inhalt

Text gilt ab: 01.03.2016
Gesamtvorschrift gilt bis: 28.02.2026

4. Umfang der Evakuierungsplanungen

Im Wege der allgemeinen Katastrophenschutzplanung sind die Katastrophenschutzbehörden verpflichtet, ereignisunabhängig wesentliche Daten entsprechend den Nrn. 2 und 3 der RE Evakuierungsplanung zu erheben, um anhand dieser Daten mit kurzer Vorbereitungszeit Evakuierungen durchführen zu können.
In diesem Zusammenhang hat jede Katastrophenschutzbehörde auch einen Aufnahmeplan als Konzept nach Maßgabe der Nr. 5 zu erstellen.
Besondere Evakuierungsplanungen sind im Zusammenhang mit der Erstellung von Katastrophenschutz-Sonderplänen für Anlagen und Einrichtungen mit besonderem Gefahrenpotenzial oder im Bereich sonstiger Gefahrenpotenziale anzulegen. Bei der Erstellung entsprechender Evakuierungsplanungen sind ggf. zusätzliche gesonderte fachspezifische und Regelungen zu berücksichtigen, die von den nachfolgenden allgemeinen Vorgaben der Nrn. 4 und 5 abweichen können.
Die Evakuierungsplanungen sind mindestens alle zwei Jahre fortzuschreiben.

4.1 Anwesenheitsbevölkerung

In der Regel kann bei der Evakuierungsplanung auf die ständige Wohnbevölkerung abgestellt werden.
Die Anwesenheitsbevölkerung im Sinn von Nr. 2.2.1 der RE Evakuierungsplanung ist nur dann zu ermitteln, wenn diese aus allgemein erkennbaren Umständen in erheblichem Maße von der ständigen Wohnbevölkerung abweichen kann, z.B. bei einer hohen Zahl von Pendlern in Großstädten, in touristisch geprägten Gebieten, in Industriegebieten sowie bei besonderen Einrichtungen im potenziellen Evakuierungsgebiet, z.B. Fußballstadien, Universitäten.

4.2 Umgang mit Tieren

Hier gilt der Grundsatz, dass die Evakuierung von Tieren im Sinn von Nr. 2.2.3 der RE Evakuierungsplanung grundsätzlich nachrangig gegenüber der Evakuierung von Menschen ist. Es sind jedoch sowohl im Rahmen der allgemeinen als auch der besonderen Evakuierungsplanung Vorkehrungen zu treffen, um gefährdete Nutztierbestände im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten zu evakuieren.
Sollte eine gleichzeitige Evakuierung der Tierbestände nicht möglich sein, soll die Bevölkerung angehalten werden, die Nutztiere vor der Evakuierung (der Menschen) noch mit Futter zu versorgen.

4.3 Bedarfsermittlung für Transportmittel

Der von der Katastrophenschutzbehörde zu deckende Bedarf an Transportmitteln für die Bevölkerung (ohne Personen in besonderen Einrichtungen) ist nach den örtlichen Verhältnissen zu ermitteln und im Plan anzugeben. Als Faustregel ist anzunehmen, dass 75 % der zu evakuierenden Personen das Evakuierungsgebiet mit einem privaten Transportmittel oder als Mitfahrer in einem Transportmittel verlassen werden. In großstädtischen Bereichen kann dieser Wert niedriger liegen.
Bei längerfristigen Evakuierungen, z.B. bei kerntechnischen Unfällen, ist damit zu rechnen, dass die zu Evakuierenden Gepäck in erheblichem Umfang mit sich führen. In diesen Fällen ist bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, dass nur ca. zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Plätze des Transportmittels mit Personen belegt werden können.
Der Bedarf an Transportmitteln ist, ggf. gegliedert in Evakuierungsbezirke, in einer Übersicht darzustellen.

4.4 Evakuierungsaufruf an die betroffene Bevölkerung

Der Text für den Evakuierungsaufruf an die betroffene Bevölkerung, der z.B. per Rundfunkdurchsage verbreitet werden kann, ist im Rahmen der Planung vorzubereiten und soll folgende Angaben enthalten:
Ankündigung einer Mitteilung der Führungsgruppe Katastrophenschutz (der zuständigen Behörde);
Unterrichtung über die Gefahrenlage (Art, Ort und Ausmaß) und die Notwendigkeit der Evakuierung;
ggf. Hinweis, ob besondere Einrichtungen, wie z.B. Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, geschlossen evakuiert werden;
Bekanntgabe des Aufnahmeobjekts/-gebiets oder der eingerichteten Verteilstellen, die aufgesucht werden sollen, sowie der jeweiligen Evakuierungsrouten;
Hinweise zur persönlichen Vorbereitung (z.B. Mitnahme von Ausweis, Geld, persönlichen Dokumenten, notwendigen Medikamenten, Decken und Isomatten oder Luftmatratzen) und auf die Möglichkeiten, das Evakuierungsgebiet mit eigenen Transportmitteln zu verlassen;
Bekanntgabe der Bereitstellung öffentlicher Transportmittel, der Sammelplätze und der voraussichtlichen Abfahrtszeiten;
Aufforderung der Personen, die ihre Wohnung nicht ohne fremde Hilfe verlassen können, sich soweit möglich an das Bürgertelefon der Katastrophenschutzbehörde zu wenden sowie sich durch ein besonderes Zeichen (z.B. gut sichtbares weißes Tuch im Fenster) bemerkbar zu machen;
Hinweis auf das ordnungsgemäße Verlassen und Sichern der Häuser und den Schutz des Evakuierungsgebiets durch die Polizei;
Hinweis, über welche weiteren Informationswege Informationen zum Ereignis und Verhaltensempfehlungen abrufbar sind, z.B. Internetseite der Katastrophenschutzbehörde;
ggf. Hinweise hinsichtlich Unterbringung und Versorgung von Nutztierbeständen.
Der Evakuierungsaufruf kann auch auf mehrere Rundfunkdurchsagen aufgeteilt werden.

4.5 Verteilstellen

Für den Fall, dass die ggf. zu Evakuierenden keinem festen Aufnahmeobjekt oder -gebiet zugewiesen werden sollen, kann die Evakuierung über Verteilstellen geplant werden. Aufgabe der Verteilstellen ist es, die dort eintreffenden zu Evakuierenden den Aufnahmelandkreisen zuzuweisen und ggf. kurzfristig zu beherbergen bis eine Transportmöglichkeit in den Aufnahmelandkreis zur Verfügung steht1. Die Verteilstellen sollen daher für folgende Aufgaben ausgelegt sein:
Information der Betroffenen über das Ereignis,
Weitervermittlung der evakuierten Bevölkerung in die Aufnahmegebiete,
Bereitstellung von Betreuungskapazitäten und Verpflegungsmöglichkeiten für die Zeit des Aufenthalts der Betroffenen in der Verteilstelle.
Für den Betrieb von Verteilstellen sollen Objekte ausgewählt werden, die für den Aufenthalt einer größeren Anzahl von Personen geeignet sind (z.B. Schulen, Sportanlagen u. ä. Einrichtungen).

4.6 Registrierung

Zur Sicherstellung der Vermisstensachbearbeitung sind die Evakuierten spätestens am Aufnahmeort zu registrieren. Ist mit einem längeren Verbleib der Evakuierten (mehrere Wochen) am Aufnahmeort zu rechnen, ist auch eine melderechtliche Erfassung der Evakuierten durch die zuständige Meldebehörde zu veranlassen.

1 [Amtl. Anm.:] Für die Zuweisung der zu Evakuierenden zu den Aufnahmelandkreisen beabsichtigt das StMI den Katastrophenschutzbehörden noch ein geeignetes EDV-Verfahren zur Verfügung stellen.