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Text gilt ab: 01.06.2019

6.   Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

6.1   Allgemeines

6.1.1  

1Schwerbehinderte Beschäftigte erfüllen im Rahmen ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ihre Dienstpflichten wie andere nichtbehinderte Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. 2Sie benötigen allerdings zur Erbringung gleichwertiger Leistungen einen größeren Einsatz an Energie und Engagement. 3Die Bemühungen schwerbehinderter Beschäftigter, trotz ihrer bestehenden Beeinträchtigung vollwertige Arbeit zu leisten, sind von Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Kräften zu unterstützen. 4Im täglichen Arbeitsgeschehen auftretende Schwierigkeiten und Spannungen, die auf dem Gesundheitszustand schwerbehinderter Beschäftigter beruhen können, müssen mit Verständnis ausgeglichen werden; falls erforderlich, ist eine psychosoziale Betreuung anzuregen und ergänzende Unterstützung der Integrationsfachdienste in Anspruch zu nehmen.

6.1.2  

1Es muss auch in Kauf genommen werden, dass in Einzelfällen schwerbehinderte Beschäftigte für eine Arbeit mehr Zeit benötigen. 2Bei der Zuteilung von Dienstgeschäften an schwerbehinderte Beschäftigte soll dies angemessen berücksichtigt werden, soweit es die ordnungsgemäße und zeitgerechte Abwicklung des Geschäftsganges zulässt.

6.2   Ausbildung

1Bei schwerbehinderten Anwärterinnen, Anwärtern und Auszubildenden sind im Rahmen der beamtenrechtlichen, arbeitsrechtlichen und haushaltsmäßigen Möglichkeiten durch geeignete Maßnahmen die notwendigen Rahmenbedingungen für eine behinderungsgerechte und erfolgreiche Ausbildung im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe – insbesondere in Bezug auf die Barrierefreiheit – zu schaffen. 2In Gesprächen zwischen Ausbildungsleitung und schwerbehinderten Beschäftigten ist rechtzeitig, gegebenenfalls auch bereits vor der Einstellung, festzustellen, in welchen Bereichen Unterstützung notwendig ist und in welchen Bereichen geholfen werden kann. 3Dabei soll unter Einbeziehung der entsprechenden Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerke insbesondere festgestellt werden, auf welche Hilfsmittel die schwerbehinderten Anwärterinnen, Anwärter und Auszubildenden für ein erfolgreiches Durchlaufen der Ausbildung angewiesen sind. 4Soweit erforderlich, kann die Einstellung schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber bereits einen Monat vor dem regulären Einstellungstermin erfolgen. 5Insbesondere für blinde Bewerberinnen und Bewerber kann in dieser Zeit ein Orientierungstraining an ihrem künftigen Ausbildungsplatz erfolgen.

6.3   Beschäftigung entsprechend der Fähigkeiten und Kenntnisse

1Schwerbehinderte Menschen haben gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Anspruch darauf, so beschäftigt zu werden, dass sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. 2Dies gilt nicht, soweit die Erfüllung des Anspruchs für die Dienststelle nicht zumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

6.3.1   Sorgfältige Einweisung am Arbeitsplatz

Werden schwerbehinderte Menschen neu eingestellt oder übernehmen sie ein neues Arbeitsumfeld, so sind sie sorgfältig am Arbeitsplatz einzuweisen.

6.3.2   Berufsbegleitende Hilfe am Arbeitsplatz

6.3.2.1  

1Der Einstellung schwerbehinderter Menschen muss eine berufsbegleitende Hilfe am Arbeitsplatz folgen. 2Die jeweiligen Dienststellenleitungen und die betroffenen schwerbehinderten Beschäftigten können vom Inklusionsamt unterstützt werden, das dabei mit der Bundesagentur für Arbeit und den Trägern der Rehabilitation zusammenarbeitet (vergleiche § 185 Abs. 2 SGB IX; §§ 17 bis 29 SchwbAV).

6.3.2.2  

1Die Dienststellenleitung oder die Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers sollen sich um die schwerbehinderten Beschäftigten regelmäßig kümmern (zum Beispiel Besuche am Arbeitsplatz). 2Im Rahmen der Erörterung der beruflichen Fortentwicklungswünsche und -möglichkeiten sowie bei Fragen des Arbeitsumfeldes und der Zusammenarbeit ist (zum Beispiel im Rahmen eines regelmäßigen Mitarbeitergespräches) besonderes Augenmerk auf mögliche Barrieren zu legen.

6.4   Unterstützte Beschäftigung nach § 55 SGB IX

6.4.1  

1Die Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung. 2Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist, behinderten Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten (§ 55 Abs. 1 SGB IX). 3Sie wird von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt. 4Die Möglichkeiten der Unterstützten Beschäftigung sind unter Berücksichtigung der haushaltsrechtlichen Grundsätze auszuschöpfen.

6.4.2  

1Die Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung sind in § 55 Abs. 2 SGB IX geregelt und können bis zu zwei Jahre (in Einzelfällen bis zu drei Jahre) erbracht werden. 2Die Berufsbegleitung gemäß § 55 Abs. 3 SGB IX setzt nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ein mit dem Ziel, das bestehende Arbeitsverhältnis dauerhaft zu sichern. 3Die Leistungen werden erbracht, solange und soweit sie wegen Art und Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. 4Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer erforderlichen Berufsbegleitung (§ 55 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit § 185 Abs. 4 SGB IX und § 17 Abs. 1b SchwbAV), soweit dem Inklusionsamt Mittel der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehen. 5Die Übernahme der Kosten einer Berufsbegleitung durch das Inklusionsamt setzt voraus, dass alle zumutbaren Maßnahmen des Arbeitgebers sowie alle vorrangigen Maßnahmen der Rehabilitationsträger zum Erhalt des Arbeitsplatzes im Sinne des Sozialgesetzbuches zur Stabilisierung und Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses ausgeschöpft sind.

6.5   Mehrarbeit

1Auf ihr Verlangen sind schwerbehinderte Menschen von Mehrarbeit freizustellen (§ 207 SGB IX, § 12 AzV). 2Von der Heranziehung zu Bereitschaftsdiensten, Überstunden, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen kann auf Wunsch abgesehen werden.

6.6   Dienstposten- oder Arbeitsplatzwechsel

6.6.1  

1Ein Dienstposten- oder Arbeitsplatzwechsel oder die Übertragung anderer oder zusätzlicher Aufgaben kann für schwerbehinderte Bedienstete mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein. 2Sie sollen daher grundsätzlich nur versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden, wenn ihnen hierbei mindestens gleichwertige oder bessere Arbeitsbedingungen oder Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden. 3Betroffene schwerbehinderte Beschäftigte müssen vorher gehört werden, die Schwerbehindertenvertretung ist nach § 178 Abs. 2 SGB IX anzuhören.

6.6.2  

1Begründeten Anträgen auf Versetzung oder sonstigen Wechsel des Arbeitsplatzes soll entsprochen werden. 2Für den Bereich der Beamtinnen und Beamten wird auf den Grundsatz der amtsangemessenen Beschäftigung sowie die Fürsorgepflicht des Dienstherrn hingewiesen. 3Werden aufgrund ihrer Behinderung leistungsgewandelte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einem Arbeitsplatzwechsel rückgruppiert, kann in besonders gelagerten Einzelfällen eine finanzielle Einbuße mit Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat durch Zahlung einer persönlichen aufzehrbaren Zulage ausgeglichen werden.

6.7   Besetzung freier Stellen

1Bei der Besetzung freier Stellen sind solche schwerbehinderte Menschen bevorzugt zu berücksichtigen, die bereits in der betreffenden Dienststelle auf geringer bewerteten Dienstposten tätig sind, sofern sie im Wesentlichen in gleicher Weise fachlich und persönlich geeignet sind wie sonstige Bewerberinnen und Bewerber. 2Freigewordene für schwerbehinderte Beschäftigte besonders geeignete oder ausgestaltete Dienstposten oder Arbeitsplätze sollen bevorzugt aus ihrem Kreise wiederbesetzt werden. 3Soweit sich schwerbehinderte Menschen für einen für sie besonders geeigneten oder ausgestalteten Dienstposten oder Arbeitsplatz bewerben, soll von einer Ausschreibung im Einvernehmen mit der Schwerbehinderten- und Personalvertretung abgesehen werden. 4Bei der Besetzung freier Stellen durch Umsetzungen oder Versetzungen ist auch auf die Belange schwerbehinderter Beschäftigter Rücksicht zu nehmen.

6.8   Übertragung höherwertiger Tätigkeiten

1Schwerbehinderten Beschäftigten sind im Rahmen der vorhandenen Entwicklungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten höherwertige Tätigkeiten bevorzugt zu übertragen, wenn sie für diese Tätigkeiten im Wesentlichen in gleicher Weise fachlich und persönlich geeignet sind wie sonstige Bewerberinnen und Bewerber. 2Bei der Übertragung von Dienstposten und bei Beförderungen darf, soweit es die Anforderungen des Dienstpostens zulassen, nur das Mindestmaß an körperlicher Eignung für die vorgesehene Tätigkeit verlangt werden (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 LlbG). 3Schwerbehinderten Menschen sind angemessene Probe- und Bewährungszeiten einzuräumen. 4Es ist auch zu prüfen, ob entsprechende Entwicklungs- oder Qualifizierungsmöglichkeiten im Rahmen der haushaltsrechtlichen Gegebenheiten durch Versetzung, Umsetzung oder eine andere Aufgabenzuweisung geschaffen werden können.

6.9   Fortbildung

1Besonderer Wert ist auf die berufliche Fortbildung der schwerbehinderten Bediensteten zu legen. 2Ihnen ist Gelegenheit zu geben, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern. 3Sie haben Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei dienstlichen Maßnahmen zur beruflichen Bildung (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IX) und in zumutbarem Umfang auf Erleichterung der Teilnahme an entsprechenden außerdienstlichen Maßnahmen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB IX). 4Die Kosten für solche Maßnahmen sollen nach Möglichkeit übernommen werden. 5Auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – insbesondere in Bezug auf die barrierefreie Zugänglichkeit des Gebäudes, der Unterlagen für die Fortbildung sowie die barrierefreie Nutzbarkeit der Seminartechnik – ist zu achten (vergleiche Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d UN-BRK). 6Blinden und hochgradig sehbehinderten Bediensteten ist Fachschrifttum in Blindenschrift oder in akustischer oder digitalisierter Form bereitzustellen. 7Soweit erforderlich, ist für eine Vorlesekraft zu sorgen. 8Gemäß § 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. e SGB IX, § 24 SchwbAV kann das Inklusionsamt an schwerbehinderte Beschäftigte Geldleistungen für die Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung der beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten gewähren; schwerbehinderte Beschäftigte sind erforderlichenfalls auf diese Möglichkeit hinzuweisen. 9Entsprechende Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sind im Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl I S. 594) in der jeweils geltenden Fassung vorgesehen.

6.10   Mitarbeitergespräch

6.10.1  

1Das regelmäßige mindestens alle zwei Jahre zu führende Mitarbeitergespräch soll auch zur Erörterung behinderungsbedingter Probleme und notwendiger Unterstützungen zur behinderungsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsorganisation und des Arbeitsumfeldes genutzt werden. 2Ferner soll es sowohl bei den schwerbehinderten als auch bei den übrigen Beschäftigten genutzt werden, um etwaige mit der Behinderung im Zusammenhang stehende Spannungen im Arbeitsumfeld zu erkennen, ihre Ursachen zu analysieren und Lösungsansätze zu entwickeln. 3Im Rahmen des Mitarbeitergesprächs soll auch die Frage einer etwaigen Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft thematisiert werden, soweit bei der jeweiligen Mitarbeiterin oder dem jeweiligen Mitarbeiter konkrete Anzeichen hierfür vorliegen.

6.10.2  

1Über das Mitarbeitergespräch hinaus können aus akutem Anlass Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern notwendig werden. 2Es ist Aufgabe der Vorgesetzten, die Arbeitssituation zu beobachten und bei Anzeichen für auftretende Spannungen in offenen Gesprächen mit den Beschäftigten Lösungen zu erarbeiten.

6.10.3  

1Die Schwerbehindertenvertretung ist über ein anstehendes Mitarbeitergespräch frühzeitig zu unterrichten. 2Sie ist zudem bei den in Nrn. 6.10.1 und 6.10.2 genannten Mitarbeitergesprächen hinzu zu ziehen, soweit dies von den jeweiligen schwerbehinderten Beschäftigten gewünscht wird.

6.10.4  

1Vorgesetzte sollen ferner auf Beschäftigte zugehen und mit ihnen die Angelegenheit offen diskutieren, soweit sich Anzeichen und Auffälligkeiten zeigen, die auf eine etwaige Schwerbehinderung hindeuten. 2Sowohl im Rahmen des Mitarbeitergespräches als auch im Rahmen weiterer Gespräche soll versucht werden, etwaige Hinderungsgründe zu ermitteln, die Beschäftigte bisher von der Antragstellung auf Anerkennung oder von der Offenlegung der Schwerbehinderteneigenschaft abgehalten haben. 3In diesem Zusammenhang soll auch auf die nach dem SGB IX und dieser Bekanntmachung möglichen Nachteilsausgleiche hingewiesen werden.