BaySchlG
Text gilt ab: 30.04.2013
Fassung: 25.04.2000

Bayerisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen
(Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG)
Vom 25. April 2000
(GVBl. S. 268)
BayRS 300-1-5-J

Vollzitat nach RedR: Bayerisches Schlichtungsgesetz (BaySchlG) vom 25. April 2000 (GVBl. S. 268, BayRS 300-1-5-J), das zuletzt durch § 2 Abs. 15 des Gesetzes vom 8. April 2013 (GVBl. S. 174) geändert worden ist
Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:

Abschnitt I Obligatorische Schlichtung als Prozessvoraussetzung

Art. 1 Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung
Art. 2 Örtlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung
Art. 3 Schlichtungsstellen
Art. 4 Bescheinigung über erfolglosen Schlichtungsversuch
Art. 1
Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung
Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen:
1.
in Streitigkeiten über Ansprüche wegen
a)
der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
b)
Überwuchses nach § 910 BGB,
c)
Hinüberfalls nach § 911 BGB,
d)
eines Grenzbaums nach § 923 BGB,
e)
der in den Art. 43 bis 54 AGBGB geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
2.
in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist,
3.
in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Art. 2
Örtlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung
1Ein Schlichtungsversuch nach Art. 1 vor Erhebung der Klage ist nur erforderlich, wenn die Parteien ihren Wohnsitz, ihren Sitz oder ihre Niederlassung im selben Landgerichtsbezirk haben. 2Die Bezirke der Landgerichte München I und München II gelten insoweit als ein Landgerichtsbezirk.
Art. 3
Schlichtungsstellen
(1) 1Die Parteien können sich für einen Schlichtungsversuch einvernehmlich an jeden Rechtsanwalt, der nicht Parteivertreter ist, an jeden Notar oder an dauerhaft eingerichtete Schlichtungsstellen der Kammern, Innungen, Berufsverbände oder ähnliche Institutionen im Sinn von § 15a Abs. 3 EGZPO wenden. 2Das Einvernehmen nach Satz 1 wird unwiderleglich vermutet, wenn der Verbraucher eine branchengebundene Schlichtungsstelle, eine Schlichtungsstelle der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat. 3Fehlt es am Einvernehmen nach den Sätzen 1 und 2, ist der Schlichtungsversuch vor einem örtlich zuständigen Schlichter der Gütestellen nach Art. 5 durchzuführen.
(2) Ein Schlichter ist von der Schlichtung ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 41 ZPO vorliegen.
Art. 4
Bescheinigung über erfolglosen Schlichtungsversuch
(1) 1Bleibt der Schlichtungsversuch erfolglos, so ist dem Antragsteller darüber ein Zeugnis auszustellen, das dem Gericht bei Klageerhebung vorzulegen ist. 2Das Zeugnis wird auf Antrag auch erteilt, wenn binnen einer Frist von drei Monaten das beantragte Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist. 3Die Frist beginnt nicht vor Einzahlung des Vorschusses gemäß Art. 14.
(2) Das Zeugnis ist außerdem auszustellen, wenn der Schlichter den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 1 oder, soweit dies zwischen den Parteien strittig ist, den örtlichen Anwendungsbereich nach Art. 2 für nicht eröffnet oder die Angelegenheit für eine Schlichtung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen von vorneherein für ungeeignet erachtet.
(3) 1Das Zeugnis hat auch die Namen und die Anschriften des Antragstellers und des Antragsgegners, eine kurze Darstellung des Streitgegenstands, Angaben zum Streitwert sowie den Zeitpunkt, zu dem das Verfahren beendet ist, zu enthalten. 2Wird das Zeugnis ausgestellt, weil der Schlichter die Angelegenheit für eine Schlichtung für ungeeignet erachtet, sind die Gründe dafür im Zeugnis anzugeben.

Abschnitt II Gütestellen nach § 15a Abs. 1 EGZPO

Art. 5 Einrichtung der Gütestellen
Art. 6 Auswahl unter den Gütestellen
Art. 7 Aufnahme des Schlichtungsantrags durch die Gütestelle
Art. 8 Schlichter, Pflichten aus dem Schlichteramt
Art. 5
Einrichtung der Gütestellen
(1) Jeder Notar ist als Träger eines öffentlichen Amtes Gütestelle.
(2) 1Jeder Rechtsanwalt, der sich gegenüber der Rechtsanwaltskammer dazu verpflichtet hat, Schlichtung als dauerhafte Aufgabe zu betreiben, ist durch die Rechtsanwaltskammer als Gütestelle zuzulassen. 2Die Zulassung kann widerrufen werden, wenn die Pflichten nach Art. 8 gröblich vernachlässigt werden.
(3) 1Die Gütestellen nach den Absätzen 1 und 2 sind landesrechtlich anerkannte Gütestellen nach § 15a Abs. 6 EGZPO. 2Der Präsident des Oberlandesgerichts München kann weitere Gütestellen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unter den Voraussetzungen des Art. 22 AGGVG einrichten und anerkennen.
Art. 6
Auswahl unter den Gütestellen
1Unter mehreren Gütestellen des Landgerichtsbezirks hat die antragstellende Partei die Auswahl. 2Bestehen in dem Amtsgerichtsbezirk, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder seine Niederlassung hat, Gütestellen, so kann die antragstellende Partei nur unter diesen auswählen. 3Die zuerst angerufene Gütestelle ist auch für einen Gegenantrag zuständig.
Art. 7
Aufnahme des Schlichtungsantrags durch die Gütestelle
1Die Gütestelle nimmt den schriftlichen Schlichtungsantrag während der üblichen Geschäftszeiten entgegen und registriert ihn. 2Der Schlichtungsantrag kann auch zu Protokoll der Gütestelle erklärt werden.
Art. 8
Schlichter, Pflichten aus dem Schlichteramt
(1) 1Schlichter der Gütestellen nach Art. 5 Abs. 1 und 2 sind Personen, die den Beruf des Notars oder des Rechtsanwalts ausüben. 2Sie beachten bei Ausübung des Schlichteramts ihre allgemeinen Berufspflichten. 3Sie üben ihr Amt unparteiisch und unabhängig aus. 4Sie tragen für eine zügige Erledigung der Schlichtungsverfahren Sorge.
(2) 1Den Schlichtern steht hinsichtlich der Tatsachen, die Gegenstand des Schlichtungsverfahrens sind, ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. 2Wer als Schlichter tätig war, kann in derselben Sache keine der Parteien im gerichtlichen Verfahren vertreten.
(3) 1Die Aufsicht über die Notare als Schlichter führt die Landesnotarkammer, die Aufsicht über die Rechtsanwälte als Schlichter die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer. 2Die Aufsichtsbehörde kann die hierfür erforderlichen Verwaltungsanordnungen treffen. 3Sie hat darauf zu achten, dass die Schlichter den ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen nachkommen. 4Sie kann jederzeit Auskunft über alle die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten verlangen.

Abschnitt III Durchführung des Schlichtungsverfahrens vor dem Schlichter der Gütestelle nach Abschnitt II

Art. 9 Verfahrenseinleitung
Art. 10 Gang des Schlichtungsverfahrens
Art. 11 Persönliches Erscheinen der Parteien
Art. 12 Protokollierung der Konfliktbeilegung
Art. 9
Verfahrenseinleitung
1Das Schlichtungsverfahren wird auf Antrag eingeleitet. 2Der Antrag muss Namen und ladungsfähige Anschrift der Parteien, eine kurze Darstellung der Streitsache und den Gegenstand des Begehrens enthalten. 3Ihm sollen die für die förmliche Mitteilung erforderlichen Abschriften beigefügt werden.
Art. 10
Gang des Schlichtungsverfahrens
(1) 1Sobald dem Schlichter der Antrag vorliegt und der Vorschuss (Art. 14) eingezahlt worden ist, bestimmt er einen Schlichtungstermin, zu dem er die Parteien persönlich lädt. 2Er erörtert mit den Parteien mündlich die Streitsache und die Konfliktlösungsvorschläge der Parteien. 3Zur Aufklärung der Interessenlage kann er mit den Parteien in deren Einvernehmen auch Einzelgespräche führen. 4Auf der Grundlage der Schlichtungsverhandlung kann er den Parteien einen Vorschlag zur Konfliktbeilegung unterbreiten. 5In geeigneten Fällen sieht der Schlichter von einem Termin ab und verfährt schriftlich.
(2) Die Schlichtungsverhandlung ist nicht öffentlich.
(3) 1Der Schlichter lädt keine Zeugen und Sachverständigen. 2Zeugen und Sachverständige, die von den Parteien auf deren Kosten herbeigeschafft werden, können angehört, und ein Augenschein kann eingenommen werden, wenn dadurch der Abschluss des Schlichtungsverfahrens nicht unverhältnismäßig verzögert wird.
(4) Im Übrigen bestimmt der Schlichter das zur zügigen Erledigung der Streitsache zweckmäßige Verfahren nach seinem Ermessen.
Art. 11
Persönliches Erscheinen der Parteien
(1) Die Parteien haben im Schlichtungstermin persönlich zu erscheinen.
(2) Dies gilt nicht, wenn eine Partei zu dem Termin eine Vertretung entsendet, die zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zu einem unbedingten Vergleichsabschluss schriftlich ermächtigt ist, und der Schlichter dem Fernbleiben der Partei zustimmt.
(3) Jede Partei kann sich im Termin eines Beistands oder eines Rechtsanwalts bedienen.
(4) 1Erscheint der Antragsteller unentschuldigt nicht zum Schlichtungstermin, gilt der Antrag als zurückgenommen; bei hinreichender Entschuldigung binnen 14 Tagen ist vom Schlichter ein neuer Schlichtungstermin zu bestimmen. 2Der Antrag gilt auch als zurückgenommen, wenn der Vorschuss nach Art. 14 nicht in der vom Schlichter gesetzten Frist einbezahlt wurde. 3Fehlt die Gegenpartei unentschuldigt, so ist dem Antragsteller frühestens nach 14 Tagen ein Zeugnis nach Art. 4 auszustellen. 4In der Ladung sind die Parteien auf die Folgen ihres Ausbleibens hinzuweisen.
Art. 12
Protokollierung der Konfliktbeilegung
1Wird vor dem Schlichter eine Vereinbarung zur Konfliktbeilegung geschlossen, so ist diese unter Angabe des Tages ihres Zustandekommens schriftlich niederzulegen und von den Parteien zu unterschreiben. 2Der Schlichter bestätigt den Abschluss der Vereinbarung mit seiner Unterschrift. 3Die Konfliktregelung muss auch eine Einigung der Parteien über die Kosten des Schlichtungsverfahrens enthalten. 4Die Kosten des Schlichtungsverfahrens sind der Höhe nach auszuweisen. 5Die Parteien erhalten vom Schlichter auf Antrag eine Abschrift der Vereinbarung.

Abschnitt IV Vergütung für das Güteverfahren der Gütestellen nach Abschnitt II und deren Vollstreckung

Art. 13 Vergütung
Art. 14 Vorschuss für die Vergütung
Art. 15 Vergütungsfreiheit
Art. 16 Beitreibung der Vergütung durch die Staatskasse
Art. 17 Aufwendungen der Beteiligten
Art. 13
Vergütung
(1) 1Die Schlichter nach Art. 5 Abs. 1 und 2 erheben für ihre Tätigkeit eine Vergütung (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz. 2Sie erhalten Ersatz der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes unerhoben bleibt.
(2) Die Gebühr für das Schlichtungsverfahren beträgt
1.
50 Euro, wenn das Verfahren ohne Schlichtungsgespräch endet,
2.
100 Euro, wenn ein Schlichtungsgespräch durchgeführt wurde.
(3) Werden Schlichter im Rahmen des Vollzugs der Vereinbarung zur Konfliktbewältigung im Auftrag beider Parteien tätig, entsteht eine weitere Gebühr in Höhe von 50 Euro.
(4) 1Mit der Gebühr werden die allgemeinen Geschäftsunkosten der Schlichter abgegolten. 2Für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie Schreibauslagen können die Schlichter einen Pauschsatz von 20 Euro fordern.
Art. 14
Vorschuss für die Vergütung
(1) Der Schlichter fordert vom Antragsteller vor Durchführung des Schlichtungsverfahrens einen Vorschuss in Höhe der Gebühr nach Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 zuzüglich der Auslagen nach Art. 13 Abs. 4.
(2) Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens rechnet der Schlichter gegenüber dem Antragsteller über den Vorschuss ab.
Art. 15
Vergütungsfreiheit
(1) Eine Partei, die die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe nach den Vorschriften des Beratungshilfegesetzes erfüllt, ist von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung befreit.
(2) § 4 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3, §§ 5 und 6 des Beratungshilfegesetzes finden entsprechende Anwendung.
(3) 1Ist die Partei nach Absatz 1 von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung befreit, erstattet die Staatskasse dem Schlichter die ihm zustehende Vergütung. 2Die Erstattung der Schlichtervergütung durch die Staatskasse ist in der Bescheinigung nach Art. 4 zu vermerken.
Art. 16
Beitreibung der Vergütung durch die Staatskasse
(1) Ist dem Schlichter die Vergütung nach Art. 15 Abs. 3 erstattet worden, so geht der Anspruch auf Kostenerstattung, der sich aus der Verurteilung des Gegners in die Prozesskosten im nachfolgenden Gerichtsverfahren ergibt, insoweit auf die Staatskasse über.
(2) 1Der Vergütungsanspruch nach Absatz 1 ist von der Staatskasse nach den Vorschriften über die Einziehung der Kosten des gerichtlichen Verfahrens geltend zu machen. 2Die Ansprüche werden bei dem Amtsgericht angesetzt, bei dem der nachfolgende Rechtsstreit geführt wurde. 3Für die Entscheidung über eine gegen den Ansatz gerichtete Erinnerung und über die Beschwerde gilt § 5 Gerichtskostengesetz entsprechend.
Art. 17
Aufwendungen der Beteiligten
1Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten. 2Kosten werden, vorbehaltlich einer anderen Regelung in der Vereinbarung zur Konfliktbeilegung, nicht erstattet.

Abschnitt V Vollstreckung aus dem Vergleich der Gütestellen und Klauselerteilung

Art. 18 Vollstreckung aus einem Vergleich
Art. 19 Erteilung der Vollstreckungsklausel
Art. 18
Vollstreckung aus einem Vergleich
Aus einem vor dem Schlichter der Gütestelle geschlossenen Vergleich findet die Zwangsvollstreckung nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statt.
Art. 19
Erteilung der Vollstreckungsklausel
(1) Die Vollstreckungsklausel auf einem Vergleich einer Gütestelle nach Art. 5 Abs. 1 erteilt der Notar.
(2) Die Vollstreckungsklausel auf einem Vergleich einer Gütestelle nach Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 erteilt der Rechtspfleger des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Gütestelle eingerichtet ist.

Abschnitt VI Änderung des AGGVG, In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten und Übergangsvorschriften

Art. 20 (aufgehoben)
Art. 21 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Art. 22 (aufgehoben)
Art. 20
(aufgehoben)
Art. 21
In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Dieses Gesetz tritt am 1. Mai 2000 in Kraft.
Art. 22
(aufgehoben)
München, den 25. April 2000
Der Bayerische Ministerpräsident
In Vertretung
Barbara Stamm
Stellvertreterin des Ministerpräsidenten und
Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung
Familie, Frauen und Gesundheit