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KonsultVer
Text gilt ab: 21.05.2004
Fassung: 21.05.2004
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Vereinbarung über ein Konsultationsverfahren zwischen der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zur Umsetzung des Konnexitätsprinzips
(Konsultationsvereinbarung – KonsultVer)
Vom 21. Mai 2004
(GVBl. S. 218)
BayRS 1102-11-S

Vollzitat nach RedR: Konsultationsvereinbarung (KonsultVer) vom 21. Mai 2004 (GVBl. S. 218, BayRS 1102-11-S)
Mit der Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips in Art. 83 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Bayern ist die verlässliche und faire Partnerschaft zwischen dem Freistaat Bayern und den bayerischen Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt worden. Der Schutz der Kommunen vor finanzieller Überforderung hat Verfassungsrang erhalten und wird in umfassender Weise gewährleistet.
Die Verfassung beauftragt in Art. 83 Abs. 7 Satz 2 die Bayerische Staatsregierung und die kommunalen Spitzenverbände, zur partnerschaftlichen Ausfüllung des Konnexitätsprinzips ein Konsultationsverfahren zu vereinbaren.
Zur Umsetzung dieses Auftrags schließen die Bayerische Staatsregierung und die kommunalen Spitzenverbände, nämlich der Bayerische Gemeindetag, der Bayerische Städtetag, der Bayerische Landkreistag und der Verband der bayerischen Bezirke nachfolgende Vereinbarung:
I.
Zweck und Anwendungsbereich des Konsultationsverfahrens:

1.

Das Konsultationsverfahren dient in erster Linie der praktischen Umsetzung des Konnexitätsprinzips in Art. 83 Abs. 3 der Verfassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl S. 991, BayRS 100-1-I), geändert durch die Gesetze vom 10. November 2003 (GVBl S. 816,817). Die Kostenfolgen von staatlichen Maßnahmen, die unter das Konnexitätsprinzip fallen, sollen in partnerschaftlichem Miteinander möglichst objektiv abgeschätzt und ein Vorschlag hinsichtlich Höhe und Art des gebotenen Ausgleichs gefunden werden.

2.

Das Konnexitätsprinzip findet Anwendung, wenn der Staat den Gemeinden1Aufgaben überträgt, sie zur Erfüllung von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis verpflichtet oder besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben stellt. Erfasst ist auch die Setzung von Standards, die einen spezifischen Bezug zur gemeindlichen Aufgabenerfüllung aufweisen.
Dabei ist von Folgendem auszugehen
Die Geltung des Konnexitätsprinzips setzt voraus, dass die Kosten durch eine Entscheidung des Freistaates Bayern verursacht werden (Verursacherprinzip). Derartige Entscheidungen können Gesetze, Rechtsverordnungen, aber auch Verwaltungs- und Ausführungsvorschriften sein.
Das landesrechtliche Konnexitätsprinzip gilt auch für die Ausführung von bundes- und EU-rechtlichen Regelungen durch die Gemeinden, soweit dem Freistaat Bayern ein eigener Gestaltungsspielraum verbleibt und zu Lasten der Gemeinden genutzt wird (z.B. Begründung gemeindlicher Zuständigkeiten).

3.

Förderprogramme als solche sind keine Anforderungen im Sinn des Art. 83 Abs. 3 der Verfassung. Besondere Umstände können aber eine Verpflichtungslage (wie auch sonst z.B. durch Standards) begründen und damit Konnexitätsforderungen auch dann auslösen, wenn die normative Grundlage lediglich in Förderbestimmungen besteht.

4.

Die Landkreise haben nach Art. 53 Abs. 2 der Landkreisordnung in Verbindung mit der diesbezüglichen Ausführungsverordnung den Verwaltungsaufwand (Personal- und Sachaufwand) für die Erfüllung der Aufgaben des Landratsamts als Staatsbehörde zu tragen. Unmittelbar zugewiesen ist die Aufgabe – also der für die Anwendung des Konnexitätsprinzips maßgebliche Anknüpfungspunkt – aber nicht der kommunalen Gebietskörperschaft Landkreis, sondern nur seiner insoweit in die Staatsorganisation inkorporierten Behörde Landratsamt. Ein entsprechender finanzieller Ausgleich für Mehrbelastungen nach den Grundsätzen des Konnexitätsprinzips ist jedoch auch den Landkreisen zu gewähren.

5.

Das Konsultationsverfahren dient über Art. 83 Abs. 3 der Verfassung hinaus dazu, die Zwecksetzung und Ausgestaltung neuer oder umgestalteter staatlicher Förderungen für die Kommunen frühzeitig mit den kommunalen Spitzenverbänden zu erörtern.

6.

Daneben findet weiterhin im Vorfeld der jeweiligen Haushaltsaufstellung das traditionelle Spitzengespräch über die Ausstattung des kommunalen Finanzausgleichs statt. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Konnexitätsprinzip als von der Finanzkraft der Kommune unabhängige Ausgleichsregelung neben die allgemeinen Bestimmungen zur Absicherung einer finanziellen Mindestausstattung der Kommunen durch originäre kommunale Einnahmen sowie den kommunalen Finanzausgleich tritt. Damit ist ein „Nullsummenspiel“ dergestalt ausgeschlossen, dass der Staat die zur Finanzierung des Ausgleichs notwendigen Haushaltsmittel dem kommunalen Finanzausgleich entnimmt.

1 [Amtl. Anm.:] hier und im Folgenden sind damit auch stets die Gemeindeverbände gemeint (vgl. Art. 83 Abs. 6 der Verfassung)
II.
Grundsätze der Kostenfolgenabschätzung und des Ausgleichs:

1. Verfahren

1.1

In den Fällen der Konnexität trägt das Fachressort seine Regelungsidee im Rahmen der Vorbereitung des Entwurfs frühzeitig an die berührten kommunalen Spitzenverbände heran, um Notwendigkeit, Angemessenheit und Folgewirkungen auch unter Vollzugsgesichtspunkten in die Erarbeitung des Entwurfs einzubeziehen. Die kommunalen Spitzenverbände behandeln die ihnen bei dieser Gelegenheit eröffneten Regelungsideen oder Arbeitsentwürfe vertraulich. Die Staatsregierung sichert zu, Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände auf deren Bitte ebenfalls vertraulich zu behandeln.

1.2

Das federführende Staatsministerium fügt dem Entwurf eine Kostenfolgeabschätzung bei, in welcher die sich ergebenden Kostenauswirkungen und die Grundlagen der Kostenermittlung (insbesondere Berechnungen) dargestellt werden. Zugleich ist darzulegen, auf welche Weise der Mehrbelastungsausgleich erfolgen soll. Die Kostenfolgeabschätzung und die Festlegung der Art und Weise des Mehrbelastungsausgleichs erfolgen nach den Vorgaben dieser Vereinbarung (siehe unter II.2).

1.3

Erforderliche innerstaatliche Abstimmungen (z.B. Behandlung im Ministerrat) erfolgen vor der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände noch ohne Festlegung.

1.4

Danach hört das federführende Staatsministerium die berührten kommunalen Spitzenverbände binnen einer Frist von in der Regel sechs Wochen an. Stimmen die kommunalen Spitzenverbände der Kostenfolgeabschätzung und der vorgesehenen Ausgestaltung des Mehrbelastungsausgleichs im Entwurf zu, so teilen sie dies dem federführenden Staatsministerium mit, welches dieses Ergebnis in den Entwurf aufnimmt.

1.5

Stimmen die kommunalen Spitzenverbände der Kostenfolgeabschätzung des Entwurfs bzw. dem vorgesehenen Mehrbelastungsausgleich nicht zu, so führt das federführende Staatsministerium ein Kostenabstimmungsgespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Jede Seite kann zu dem Abstimmungsgespräch Dritte beiziehen, die Kommunen etwa den Kommunalen Prüfungsverband, das federführende Staatsministerium etwa das Staatsministerium der Finanzen oder das Staatsministerium des Innern.
Bestehen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem federführenden Staatsministerium ernsthafte und tiefgreifende Differenzen über die Grundlagen der Kostenermittlung, soll im Einvernehmen beider Parteien ein Gutachter bestellt werden. Die Kosten des Gutachters trägt die Staatsregierung.
Kommt es zu keiner Einigung, werden die abweichende Haltung der kommunalen Spitzenverbände, deren Gründe hierfür und die Haltung des federführenden Staatsministeriums hierzu im Entwurf dokumentiert.

1.6

Erst danach wird von den zuständigen Stellen endgültig über den Entwurf entschieden.

2. Kostenermittlung

Der Kostenfolgenabschätzung sind die bei wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit notwendig anfallenden Kosten zugrunde zu legen. Diese werden im Schätzwege mit der gebotenen Sorgfalt und mit einem vertretbaren Aufwand ermittelt. In Fällen besonderer Dringlichkeit, insbesondere zur Gefahrenabwehr, werden ggf. kommunale Kostenbelastungen ex post ermittelt.
Für die Kostenprognose gelten die folgenden Schritte:

2.1 Ermittlung der Aufgabenkosten

Zur Ermittlung der Aufgabenkosten sind grundsätzlich die sich aus den Nummern 2.1.1 bis 2.1.4 ergebenden Kosten zu addieren. Bei Aufgaben, die parallel durch die Staatsverwaltung wahrgenommen werden (z.B. Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörden), kann als Indikator für die Ermittlung der Personal- und Sachkosten, der Zweckausgaben sowie der Investitionskosten auf die staatlichen Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.
Dies gilt auch bei Aufgaben, die bisher staatlich wahrgenommen wurden und auf die Kommunen übertragen werden sollen.

2.1.1

Personalkosten
Die Personalkosten setzen sich aus den durchschnittlichen Kosten einschließlich Pensionslasten der mit der Aufgabenwahrnehmung betrauten Mitarbeiter, multipliziert mit dem für den Verwaltungsvollzug geschätzten durchschnittlichen Zeitaufwand zusammen. Hinzu treten etwaige aufgabenspezifische Vollzugskosten (z.B. für eine etwa erforderliche Heranziehung verwaltungsexterner Dienstleister).

2.1.2

Sachkosten
Die Sachkosten werden regelmäßig mit einem in Abhängigkeit von der erforderlichen Arbeitsplatzausstattung pauschalierten Zuschlag erfasst, es sei denn, dass dies im Einzelfall zu unvertretbaren Ergebnissen führt.

2.1.3

Zweckausgaben
Die Zweckausgaben sind auf der Grundlage der durch den Entwurf bewirkten Leistungen, multipliziert mit der angenommenen Zahl der Fälle, pauschal zu schätzen. Wenn die Fallzahlen (z.B. auf Grund von notwendigen Anträgen usw.) auch nicht annäherungsweise geschätzt werden können, sollte ein oberer und ein unterer Wert der möglichen Fallzahlen herangezogen und entsprechend alternativ ein oberer und ein unterer Betrag dargestellt werden.

2.1.4

Investitionskosten
Soweit Investitionsaufwendungen der Gemeinden für die Aufgabenerfüllung erforderlich werden, sind diese bei der Kostenermittlung – gegebenenfalls pauschal – zu berücksichtigen.

2.2 Ermittlung von Einnahmen

Zur Deckung der Kosten können neue Finanzquellen erschlossen oder bestehende Finanzquellen erweitert werden. Wenn die Gemeinden berechtigt sind oder berechtigt werden sollen, Aufgabenkosten durch Einnahmen zu decken, ist im partnerschaftlichen Miteinander unter besonderer Beachtung der kommunalen Finanzhoheit zu ermitteln, ob und in welchem Umfang entsprechende Einnahmen erzielbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit Einrichtungen in zumutbarer Weise über Kommunalabgaben oder sonstige Nutzungsentgelte finanziert werden können.

2.3 Ermittlung von Einsparungen

Falls die Gemeinden in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung, der Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung oder der Vorgabe besonderer Anforderungen von Aufgaben entlastet werden bzw. Aufgabenveränderungen unmittelbar zu Entlastungen führen, sind die dadurch entstehenden Minderkosten (Einsparungen) pauschal zu ermitteln und eventuellen Mehrkosten gegenüber zu stellen. Dabei sind auch Synergieeffekte und Einsparungen im Hinblick auf bisherige kommunale Leistungen und Aufgaben zu berücksichtigen.

2.4 Berechnung der Mehrbelastung

Die Mehrbelastung errechnet sich durch Verrechnung der jeweils prognostizierten Aufgabenkosten (Nr. 2.1) mit den Einnahmen (Nr. 2.2) und den Einsparungen (Nr. 2.3).

2.5 Ausgleich

2.5.1

Im Fall einer trotz Kostendeckungsregelung verbleibenden wesentlichen Mehrbelastung ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich ab dem Zeitpunkt der Belastung in einem engen zeitlichen Zusammenhang aus dem Einzelplan des federführenden Staatsministeriums zu leisten. Die Mehrbelastung ist für die Gesamtheit der betroffenen Gemeinden und unter Berücksichtigung eines etwaigen kommunalen Eigeninteresses festzustellen. Der finanzielle Ausgleich besteht in einem Vollkostenersatz der Mehrbelastung, der regelmäßig pauschaliert gewährt wird. Die Pauschalen sollen einfach gestaltet sein und nach Möglichkeit auf vorhandenem statistischem Datenmaterial aufsetzen.

2.5.2

Ob und inwieweit zur Deckung der Kosten auf gemeindliche Finanzquellen zurückgegriffen werden kann, ist im partnerschaftlichen Miteinander unter besonderer Beachtung der kommunalen Finanzhoheit festzustellen. Gleiches gilt für die Frage wie hoch das kommunale Eigeninteresse zu bewerten ist und ob im Einzelfall die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist.

2.5.3

Stellt sich die Prognose über die Kostenfolgen als wesentlich fehlerhaft heraus oder müssen auf Grund tatsächlicher Entwicklungen, z.B. auf Grund eines sprunghaften Anstiegs der Fallzahlen bei einem Leistungsgesetz, die der Prognose zugrundeliegenden Annahmen korrigiert werden, besteht Anlass, die Bestimmungen über die Deckung der Kosten anzupassen. Die Anpassung erfolgt unter diesen Voraussetzungen in der Regel auch für die Vergangenheit, wenn der Ausgleich nicht nur geringfügig abweicht. Die kommunalen Spitzenverbände sind gehalten, Erkenntnisse über einen sprunghaften Anstieg der Fallzahlen dem zuständigen Staatsministerium rechtzeitig mitzuteilen. Daneben kann jeder Partner in angemessenen Zeitabständen unter Vorlage schlüssiger Gründe eine Überprüfung verlangen.

2.5.4

Entfällt die Aufgabe ganz oder teilweise, wird der hierfür nach Art. 83 Abs. 3 der Verfassung gewährte Ausgleich entsprechend angepasst.

2.5.5

Im Übrigen bleibt der kommunale Finanzausgleich unberührt.
München, den 21. Mai 2004
Der Bayerische Ministerpräsident
Dr. Edmund Stoiber
Der Präsident des Bayerischen Gemeindetags
Dr. Uwe Brandl
Erster Bürgermeister
Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags
Josef Deimer
Oberbürgermeister
Der Präsident des Bayerischen Landkreistags
Theo Zellner
Landrat
Der Vizepräsident des
Verbandes der Bayerischen Bezirke
Franz Jungwirth
Bezirkstagspräsident