Inhalt

Text gilt ab: 08.08.1986
Fassung: 12.05.1986
Gesamtansicht
Vorheriges Dokument (inaktiv)
Nächstes Dokument (inaktiv)

Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten
Vom 12. Mai 1986[1]

Vollzitat nach RedR: Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten vom 12. Mai 1986 (GVBl. S. 158, 226, BayRS 03-5-S)
Das Land Baden-Württemberg,
der Freistaat Bayern und
das Land Rheinland-Pfalz
schließen nachstehenden Staatsvertrag:

[1] Der Staatsvertrag wurde ratifiziert in:
Baden-Württemberg: G v. 14.7.1986 (GVBl S. 242);
Bayern: Bek. v. 23.7.1986 (GVBl. S. 158);
Rheinland-Pfalz: G v. 24.6.1986 (GVBl. S. 170).
Artikel 1
Nutzung eines Fernsehkanals
(1) Die vertragsschließenden Länder kommen überein, Vergabe und Nutzung eines Kanals für Fernsehzwecke durch private Anbieter auf einem von der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellten Rundfunksatelliten gemeinsam zu regeln.
(2) Das Programm wird für die vertragsschließenden Länder ausgestrahlt.
(3) Die studiotechnische Abwicklung des Programms soll im Gebiet der vertragsschließenden Länder erfolgen.
(4) 1Zur Verbreitung des Programms wird der Anbieter nach Maßgabe landesrechtlicher Regelungen auch an der Nutzung verfügbarer drahtloser terrestrischer Fernsehfrequenzen beteiligt. 2Erreicht der Versorgungsgrad des über Rundfunksatelliten ausgestrahlten Programms einschließlich der kabelgebundenen Versorgung 70 v. H. der Rundfunkteilnehmer der vertragsschließenden Länder, kann die Beteiligung widerrufen werden.
Artikel 2
Ausschreibung des Kanals
(1) 1Die nach Landesrecht zuständigen Stellen (Landesstellen) schreiben die Vergabe des Kanals in ihrem Hoheitsgebiet in dem für öffentliche Bekanntmachungen bestimmten Mitteilungsblatt gleichzeitig aus. 2Die Ausschreibungsfrist beträgt vier Wochen.
(2) 1Alle innerhalb dieser Frist eingegangenen Anträge werden von jeder Landesstelle darauf überprüft, ob nach ihrem Landesrecht die persönlichen Voraussetzungen als Anbieter erfüllt werden. 2Anträge, welche nach einem Landesrecht diese Voraussetzungen nicht erfüllen, werden von den Landesstellen zurückgewiesen.
Artikel 3
Vorschlagsverfahren
(1) 1Die nach Artikel 2 Abs. 2 nicht zurückgewiesenen Anträge werden unverzüglich einer gemeinsamen Kommission zur Erstellung eines Vorschlags zugeleitet. 2Diese besteht aus je drei Vertretern der Landesstellen.
(2) 1Die gemeinsame Kommission schlägt spätestens acht Wochen nach Ablauf der Ausschreibungsfrist unter Beachtung des Artikels 5 einen Antragsteller für die Vergabe und Nutzung des Kanals sowie die Ablehnung der übrigen Anträge vor. 2Die Wahl kann zugunsten mehrerer Antragsteller getroffen werden, wenn diese in einer Gemeinschaft verbunden sind. 3Die gemeinsame Kommission hat auf die Bildung einer Gemeinschaft mit dem Ziel eines koordinierten Gesamtprogramms hinzuwirken, wenn andernfalls das Gesamtangebot den Voraussetzungen der Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1 nicht entsprechen würde.
(3) 1Die Vorschläge der gemeinsamen Kommission bedürfen einer Mehrheit von sieben Stimmen. 2Sie werden den Landesstellen vorgelegt.
Artikel 4
Auswahlverfahren
(1) Die Landesstellen beschließen über die Vorschläge der gemeinsamen Kommission.
(2) Weicht einer der Beschlüsse von den Vorschlägen der gemeinsamen Kommission ab, so hat diese unverzüglich den Landesstellen neue Vorschläge zu unterbreiten.
Artikel 5
Auswahlgrundsätze
(1) Der Antragsteller muß die Gewähr dafür bieten, daß er als Anbieter die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Grundsätze des Artikels 7 Abs. 2 und 4 sowie der Artikel 8 und 9 beachtet.
(2) 1Bei der Auswahl ist der Antragsteller zu berücksichtigen, der für die Erfüllung der nachfolgenden Anforderungen die bessere Gewähr bietet:
1.
Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1,
2.
ein Programm mit vielfältigen Nutzungsinhalten, in welchem die einzelnen Programmsparten angemessen berücksichtigt werden,
3.
organisatorische, technische, personelle und finanzielle Ausstattung zur Sicherstellung der Durchführung des Programms.
2Darüber hinaus können der zeitliche Umfang des Programms, der täglich nicht unter fünf Stunden liegen darf, und der Grad der Rücksichtnahme auf die programmlichen Interessen lokaler/regionaler Anbieter bei terrestrischer Verbreitung berücksichtigt werden.
(3) Zur Feststellung dieser Anforderungen können von den Antragstellern Auskünfte und Unterlagen verlangt werden.
Artikel 6
Zulassung, Genehmigung, Widerruf
(1) 1Die Landesstellen erteilen nach dem für sie vorgeschriebenen Verfahren die nach Landesrecht erforderliche Zulassung oder Genehmigung für die Dauer von 15 Jahren. 2Unbeschadet der landesrechtlichen Bestimmungen kann die Zulassung oder Genehmigung auch widerrufen werden, wenn das Programm aus Gründen, die der Anbieter zu vertreten hat, länger als einen Monat nicht gesendet wird.
(2) Solange in mindestens einem der vertragsschließenden Länder eine Zulassung oder Genehmigung vorliegt, kann die Ausstrahlung für dieses Land erfolgen.
Artikel 7
Ausgewogenheit, allgemeine Programmgrundsätze
(1) 1Das Programm darf nicht einseitig einzelne politische, religiöse, weltanschauliche oder andere gesellschaftliche Meinungsrichtungen berücksichtigen. 2Es trägt zusammen mit den übrigen im Geltungsbereich des Staatsvertrags verbreiteten inländischen Rundfunkprogrammen dazu bei, daß die bedeutsamen politischen, religiösen, weltanschaulichen oder anderen gesellschaftlichen Meinungsrichtungen angemessen zum Ausdruck kommen. 3Es trägt ferner zur Unterrichtung, Bildung und Kultur sowie Unterhaltung bei.
(2) 1Das Programm darf sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen die Völkerverständigung richten. 2Die Menschenwürde, die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer sowie Ehe und Familie sind zu achten.
(3) 1Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts können zur Übertragung religiöser Sendungen besondere Sendezeiten eingeräumt werden. 2Politische Parteien können Sendezeiten für Wahlwerbung nur entsprechend § 5 Abs. 1 bis 3 des Parteiengesetzes erhalten.
(4) 1Alle Nachrichten und Berichte haben Sachlichkeit zu wahren und sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. 2Noch nicht ausreichend verbürgte Nachrichten und Berichte dürfen nur mit einem erkennbaren Vorbehalt versehen veröffentlicht werden. 3Entstellungen durch Verzerrung der Sachverhalte sind zu unterlassen. 4Die Personen oder Stellen, die durch eine Nachricht oder einen Bericht wesentlich betroffen werden, sollen vor der Verbreitung nach Möglichkeit gehört werden. 5Berichterstattung und Kommentar sind zu trennen. 6Kommentare sind als solche zu kennzeichnen.
Artikel 8
Verbotene Sendungen, Jugendschutz
(1) Sendungen sind verboten, wenn sie
1.
zum Rassenhaß aufstacheln oder grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
2.
den Krieg verherrlichen,
3.
pornographisch sind,
4.
offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich erheblich zu gefährden.
(2) 1Unzulässig sind auch Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen oder zu gefährden, es sei denn, der Anbieter trifft auf Grund der Sendezeit Vorsorge, daß Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersklassen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen. 2Der Anbieter darf Sendungen, die für Jugendliche bis sechzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr und Sendungen, die für Jugendliche bis achtzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreiten.
(3) In den Anwendungsgrundsätzen nach Artikel 13 verständigen sich die Landesstellen auch darüber, inwieweit die Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und die Einstufungen der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft zugrundegelegt werden.
Artikel 9
Werbung
(1) 1Werbung ist als solche zu kennzeichnen und vom übrigen Programm zu trennen. 2Sie darf 20 v. H. der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. 3Sie darf nur in Blöcken verbreitet werden; eine Sendung, deren Dauer 60 Minuten übersteigt, darf einmal Werbeeinschaltungen enthalten.
(2) Werbung, die sich auch an Kinder oder Jugendliche richtet, darf nicht deren Unerfahrenheit mißbräuchlich ausnutzen.
(3) Werbung darf das übrige Programm inhaltlich nicht beeinflussen.
(4) 1Werbung im Sinn dieser Bestimmung sind nicht Sendungen, die von einem Dritten (Sponsor) finanziert werden, ohne daß ihr Inhalt in einem Zusammenhang mit dessen wirtschaftlichem Interesse steht. 2Der Sponsor muß genannt werden.
Artikel 10
Verlautbarungspflicht
1Der Anbieter hat der Bundesregierung und den drei Landesregierungen für amtliche Verlautbarungen unverzüglich angemessene Sendezeiten einzuräumen, wenn dies wegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. 2Der Anbieter kann Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.
Artikel 11
Aufzeichnungspflicht, Kennzeichnung
(1) 1Der Anbieter hat das Programm in Bild und Ton vollständig aufzuzeichnen und mindestens zwei Monate lang aufzubewahren. 2Danach kann der Anbieter die Aufzeichnung löschen, wenn ihm nicht zuvor eine Beanstandung oder Beschwerde mitgeteilt worden ist.
(2) 1Jeder Programmbeitrag muß den Namen des Anbieters erkennen lassen. 2Seine Anschrift sowie die Namen der für die Programmbeiträge zu bestellenden verantwortlichen Personen sind am Ende der täglichen Sendezeit anzugeben.
Artikel 12
Anwendung ergänzenden Landesrechts
(1) 1Soweit dieser Staatsvertrag keine Regelungen enthält, sind die landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden. 2Die Artikel 7 bis 10 enthalten abschließende Regelungen.
(2) Trägerschaft und Verantwortung des Programms richten sich nach dem jeweiligen Landesrecht.
(3) 1Maßnahmen zum Vollzug des Staatsvertrags und des ergänzenden Landesrechts der drei Länder trifft gegenüber den Anbietern jeweils eine der Landesstellen im Einvernehmen mit den beiden anderen. 2Die Zuständigkeit wechselt im Turnus von zwei Jahren ab Beginn der Ausstrahlung in der Reihenfolge Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz. 3Unberührt bleiben eigenständige Maßnahmen, die die Bayerische Landeszentrale für neue Medien im Einzelfall auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft und öffentlichen Verantwortung trifft.
Artikel 13
Zusammenarbeit
1Zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis werden die drei Landesstellen in Fragen der allgemeinen Programmgrundsätze, des Jugendschutzes und der Werbung gemeinsame Anwendungsgrundsätze vereinbaren. 2Die Landesstellen arbeiten auch hinsichtlich der Nutzung der terrestrischen Fernsehfrequenzen (Artikel 1 Abs. 4) zusammen.
Artikel 14
Hörfunk, Videotext
(1) 1Wer eine Zulassung oder Genehmigung nach Artikel 6 hat, ist berechtigt, auf dem Kanal auch Videotext und außerhalb der Fernsehzeiten Hörfunk zu verbreiten. 2 Artikel 7, 8, 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 bis 4, Artikel 10, 11 und 12 gelten entsprechend.
(2) 1Der Bayerische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk und der Südwestfunk werden ermächtigt und verpflichtet, ein gemeinsames Hörfunkprogramm kultureller Zielsetzung über Rundfunksatelliten zu veranstalten. 2Hierzu wird einer der auf das Land Baden-Württemberg entfallenden Hörfunkkanäle zur digitalen Übertragung in Stereoqualität genutzt. 3Die Federführung für das Programm hat der Südwestfunk.
Artikel 15
Kündigung
(1) 1Jedes Land kann mit einer Frist von zwölf Monaten zum Ende des auf den Ablauf der Zulassung oder Genehmigung folgenden Jahres den Staatsvertrag kündigen. 2Zwischen den übrigen Ländern bleibt der Staatsvertrag in Kraft. 3Kündigt ein Land, kann jedes andere innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Kündigung erklären, daß es sich dieser anschließt.
(2) 1Wird in einem Land die Zulassung oder Genehmigung vorzeitig unwirksam, so kann dieses Land den Staatsvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündigen. 2Diese Kündigung läßt die nach diesem Staatsvertrag erteilten Zulassungen oder Genehmigungen in den anderen Ländern unberührt. 3Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) 1 Artikel 14 Abs. 2 kann von jedem der vertragsschließenden Länder mit halbjähriger Kündigungsfrist zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31. Dezember 1990, gekündigt werden. 2Absatz 1 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.
Artikel 16
Inkrafttreten
Dieser Staatsvertrag tritt eine Woche nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
Rolandseck, den 12. Mai 1986
Für das Land Baden-Württemberg
Lothar Späth
Für den Freistaat Bayern
Franz Josef Strauß
Für das Land Rheinland-Pfalz
Dr. Bernhard Vogel
Schlußprotokoll
Schlußprotokoll zum Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten
Anläßlich der Unterzeichnung des Staatsvertrags über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten bekräftigen die Ministerpräsidenten der drei vertragsschließenden Länder ihren Willen, die Zusammenarbeit in Fragen der Medienpolitik fortzuführen und zu verstärken.
Darüber hinaus streben die drei Länder weiterhin den Abschluß eines gemeinsamen Rahmenstaatsvertrags aller Länder zur Neuordnung des Rundfunkwesens an. Der vorliegende Staatsvertrag steht einer solchen umfassenden Einigung nicht entgegen.
Die Ministerpräsidenten sind der Auffassung, daß dem Jugendschutz im Bereich des Rundfunks eine besondere Bedeutung zukommt. Sie treten deshalb dafür ein, daß einheitliche Grundsätze des Jugendschutzes für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und private Anbieter gleichermaßen verbindlich gemacht werden.
Rolandseck, den 12. Mai 1986
Für das Land Baden-Württemberg
Lothar Späth
Für den Freistaat Bayern
Franz Josef Strauß
Für das Land Rheinland-Pfalz
Dr. Bernhard Vogel