Inhalt

LArbG Nürnberg, Urteil v. 02.03.2021 – 7 Sa 347/20
Titel:

Transparenzanforderungen an Urlaubsabgeltungsklausel in einem Formular-Arbeitsvertrag

Normenketten:
BUrlG § 1, § 7 Abs. 4
BGB § 305, § 307
Leitsatz:
Die formularmäßige Vereinbarung im Arbeitsvertrag,  „Urlaubsabgeltung wird nur in Höhe des noch nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruches gewährt.“ ist nicht intransparent i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. (Rn. 36 – 41)
Schlagworte:
Arbeitsvertrag, Erholungsurlaub, Urlaubsabgeltung, Transparenzgebot, blue-pencil-test
Vorinstanz:
ArbG Würzburg, Endurteil vom 04.08.2020 – 9 Ca 300/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 8277

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg, Kammer Schweinfurt – 9 Ca 300/20 - vom 04.08.2020 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um restliche Urlaubsabgeltung.
2
Die 1958 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit 01.12.2018 als Objektleiterin Gebäudereinigung Zweigniederlassung F… beschäftigt mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 4.580,73 € einschließlich Dienstwagenvorteil zu im Übrigen den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 16.11.2018 (Bl. 6 ff der Akte). Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.11.2019 mit Kündigung der Beklagten vom 04.10.2019. Im Kündigungsrechtsstreit einigten sich die Parteien auch darauf, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß und ungekürzt und unter Berücksichtigung offener Urlaubsansprüche abrechnet und ausbezahlt.
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Der Arbeitsvertrag vom 16.11.2018 sieht - soweit hier von Interesse - zum Urlaub in § 10 Urlaub vor:
1. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vergüteten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Hiervon sind 20 Arbeitstage der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in der derzeit geltenden Fassung und 10 Arbeitstage werden als vertraglicher Zusatzurlaub gewährt. Dieser Zusatzurlaub mindert sich um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat.
2. Bei Eintritt/Ausscheiden während eines Kalenderjahres hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für den vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses soweit sich nicht aus den zwingenden Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes ein höherer Anspruch ergibt. Der Urlaubsanspruch nach Absatz 1 verringert sich um 1/12 für den vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis ruht.
3. Der Jahresurlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Auch bei Vorliegen der gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen verfällt mit Ablauf des 31. März des Folgejahres (Übertragungszeitraum) der Urlaub ersatzlos. Der gesetzliche Mindesturlaub bleibt jedoch auch in diesem Fall ganz oder teilweise erhalten, wenn der Arbeitnehmer ihn wegen Arbeitsunfähigkeit im Übertragungszeitraum ganz oder teilweise nicht nehmen konnte. Er muss dann in Absprache mit dem Arbeitgeber unverzüglich nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit genommen werden.
4. Genommener Urlaub wird zunächst auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch angerechnet. Urlaubsabgeltung wird nur in Höhe des noch nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruches gewährt.
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Im Jahr 2019 hat die Klägerin unstreitig 12 Tage Urlaub genommen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin vorgerichtlich 1.053,12 € brutto und 351,04 € brutto Urlaubsabgeltung. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zahlte sie unter Berücksichtigung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung des Dienstwagens bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung weitere 253,12 € brutto.
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Erstinstanzlich machte die Klägerin geltend:
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Ihr stehe im Hinblick unter Berücksichtigung der Kürzungsregelung in § 10 Ziffer 2 Satz 1 ArbV bei Ausscheiden zum 30.11.2019 Urlaub zu in Höhe von 30 x 11/12 = 28 Tage. Diese seien abzugelten mit 4.580,74 € brutto x 3 Monate: 13 Wochen: 5 Arbeitstage = 5.919,73 €. Da nur 1.053,12 € brutto bezahlt worden seien, sei noch ein Abgeltungsanspruch von 4.866,61 € brutto offen.
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Kürzungen kämen nicht in Betracht. § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV sei als unangemessene Benachteiligung unwirksam, nachdem damit wieder genommen werde, was in § 10 Ziffer 2 Satz 1 ArbV gewährt werde. Dort werde für jedes volle Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Jahr des Eintritts oder im Jahr des Austritts Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubes gewährt. Das Ergebnis eines Ausschlusses der Kürzung nach § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV ergebe sich aus der Analogie zur Rechtsprechung des BAG zu Gratifikationszahlungen. Auch dort dürfe nicht mit der einen Hand genommen werden, was mit der anderen Hand gegeben werde. Die unangemessene Benachteiligung ergebe sich auch daraus, dass der Arbeitnehmer bei Eigenkündigung aus Verschulden des Arbeitgebers oder bei betriebsbedingter Kündigung ohne eigenes Verschulden Urlaubsansprüche verliere. § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV sei auch intransparent als Folge der widersprüchlichen Regelungen in § 10 Ziffer 1 Satz 2 ArbV und § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV. Im erstgenannten Fall mindere sich der Zusatzurlaub um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt oder auf Entgeltfortzahlung habe. Im zweitgenannten Fall verringere sich der Urlaubsanspruch, also der Gesamturlaubsanspruch, um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis ruhe. Dazu zähle auch der Fall der Krankheit und die Pflegezeit sowie die Elternzeit. Dieser Wertungswiderspruch sei nicht aufzulösen mit der Folge der Intransparenz nach § 307 BGB. Diese Intransparenz infiziere auch § 10 Ziffer 4 ArbV.
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Unter Berücksichtigung von 12 Tagen Urlaub, die tatsächlich genommen wurden, ergäben sich letztlich noch 16 abzugeltende Tage, gerechnet aus 30 Tage x 11/12 = 28 Tage abzüglich 12 genommene Tage. Auf den sich ergebenden Abgeltungsbetrag von 3.382,42 € brutto seien bezahlt worden 1.053,12 € brutto, 351,04 € brutto und 253,12 € brutto, sodass noch zur Zahlung offen seien 2.329,30 € brutto.
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Die Klägerin beantragte zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.329,30 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Das Erstgericht gab der Klage statt in Höhe eines Teilbetrages von 34,07 € brutto und wies die Klage im Übrigen ab.
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Das Erstgericht führte zur Begründung aus, dass mit dem Urlaubsanspruch in § 10 Ziffer 2 ArbV und dem Urlaubsabgeltungsanspruch in § 10 Ziffer 4 ArbV unterschiedliche Sachverhalte geregelt seien und deshalb keine zur Intransparenz führende Widersprüchlichkeit vorliege. Auch § 10 Ziffer 4 ArbV benachteilige die Klägerin nicht unangemessen, da sie bei betriebsbedingter Kündigung ihren Urlaub ungekürzt vor Ablauf der Kündigungsfrist noch nehmen könne und im Falle der fristlosen Eigenkündigung Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB geltend machen könne. Auf die etwaige Unwirksamkeit von § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV käme es nicht an, da sich aus der Streichung dieser Regelung nach dem blue-pencil-test keine Folgen für § 10 Ziffer 4 ArbV ergäben.
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Deshalb seien im Ergebnis nur die 20 Tage gesetzlicher Urlaub abzüglich die tatsächlich genommenen 12 Tage abzugelten, also 8 Tage. Es ergebe sich ein Anspruch von 4.580,73 € x 3 Monate: 65 Tage x 8 Tage = 1.691,35 € brutto. Darauf bezahlt seien 1.053,12 € brutto, 351,04 € brutto und 253,12 € brutto, sodass noch zur Zahlung verblieben 34,07 € brutto.
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Das Ersturteil wurde der Klägerin am 07.09.2020 zugestellt. Die Berufung wurde am 18.09.2020 beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet.
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Die Klägerin macht in der Berufung geltend:
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§ 10 Ziffer 1 Satz 2 ArbV und § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV seien widersprüchlich mit einmal der Minderung des Zusatzurlaubes und einmal der Minderung des gesamten Urlaubes. Dies ergebe sich aus dem Beispiel der Langzeiterkrankung. Nach § 10 Ziffer 1 ArbV mindere sich hier nur der Zusatzurlaub um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem kein Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung bestehe. Der gesetzliche Urlaub bleibe bestehen. Da das Arbeitsverhältnis bei Krankheit ohne Entgeltfortzahlung im ganzen Kalenderjahr das ganze Jahr ruhe, errechne sich dagegen nach § 10 Ziffer 2 ArbV in dieser Situation ein gesamter Urlaubsanspruch von Null. Der nicht juristisch vorgebildete Arbeitnehmer werde deshalb nach § 10 Ziffer 2 ArbV keinen Urlaubsanspruch geltend machen, weil er davon ausgehe, keinen Urlaubsanspruch zu haben. Dies führe zur Intransparenz der Regelung. Zu verweisen sei auf BAG, Urteil vom 15.10.2013 - 9 AZR 374/12 -. Der Arbeitnehmer wisse nicht, was auf ihn zukommt. Dies infiziere § 10 Ziffer 4 ArbV, da damit gar nicht feststellbar sei, wie hoch der abzugeltende gesetzliche Urlaubsanspruch sei. Geltungserhaltende Reduktion und blue-pencil-test schieden aus, da der Klägerin klar sein müsse, wieviel gesetzlicher Urlaub ihr noch zustehe, was nach § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV gerade nicht möglich sei. Diese Regelung sei auch europarechtswidrig.
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§ 10 Ziffer 4 ArbV benachteilige auch unangemessen, da nicht differenziert werde hinsichtlich der unterschiedlichen Gründe des Ausscheidens des Arbeitnehmers. Ferner werde damit vorher erarbeiteter und verdienter Urlaub wieder entzogen.
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Die Klägerin berechnet ihren noch offenen Urlaubsabgeltungsanspruch zuletzt mit 16 Tagen x 4.580,73 € x 3 Monate: 65 Tage = 3.382,42 € brutto. Darauf bezahlt seien 1.053,12 € brutto, 351,04 € brutto und 253,12 € brutto. In erster Instanz seien 34,07 € brutto zugesprochen worden, sodass noch 1.691,07 € brutto zur Zahlung offen seien.
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Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:
I. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Schweinfurt vom 04.08.2020, AZ: 9 Ca 300/20 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1691,07 EUR brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
19
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
Die Berufung ist zurückzuweisen.
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Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch reduziere sich auch nicht wegen § 10 Ziffer 4 des Arbeitsvertrages. Diese Bestimmung verstoße gegen AGB-Recht und sei unwirksam. Auf die Argumentation des Klägerinvertreters diesbezüglich in seinem Schriftsatz vom 31.03.2020, dort Seite 3 ff., und vom 17.06.2020, dort Seiten 2 - 5, wird insoweit Bezug genommen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor:
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Abzugelten sei nur der gesetzliche Urlaub von 20 Tagen abzüglich des genommenen Urlaubes von 12 Tagen. Die Urlaubsabgeltung für die verbleibenden Tage sei bezahlt. Der von der ersten Instanz noch ausgeurteilte Betrag von 34,07 € brutto werde nicht angegriffen.
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Weder verstoße § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV gegen zwingendes gesetzliches Urlaubsrecht noch gegen §§ 305 ff BGB.
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§ 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV betreffe nur den übergesetzlichen Urlaub, insoweit hätten die Parteien des Arbeitsvertrages Vertragsfreiheit. § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV sei in seinem Regelungsgehalt völlig klar und deshalb nicht intransparent. § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV werde auch nicht durch eine vermeintliche Widersprüchlichkeit von § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV und § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV infiziert. Die behauptete Widersprüchlichkeit gebe es nicht, da § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV auf ein nicht ruhendes Arbeitsverhältnis abstelle und § 10 Ziffer 2 ArbV auf ein ruhendes Arbeitsverhältnis. Das klägerseits genannte Urteil des BAG sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
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Eine etwaige Unwirksamkeit von § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV nach dem bue-pencil-test berühre § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV nicht. Diese Regelung bleibe weiterhin in sich verständlich, auch wenn § 10 Ziffer 2 Satz 2 ArbV gestrichen werde.
§ 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV stelle auch keine unangemessene Benachteiligung dar. Der Abgeltungsanspruch stehe nicht im arbeitsrechtlichen Synallagma. Der Zusatzurlaub müsse auch nicht verdient werden. § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV nehme von der Minderung des Zusatzurlaubsanspruches mit den Entgeltfortzahlungszeiträumen auch Zeiten ohne Arbeitsleistung aus. Die Gratifikationsrechtsprechung des BAG sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da diese Rechtsprechung Sonderzahlungen betreffe, die im Synallagma stünden, da sie auch Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung seien.
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Außerdem könne der Arbeitnehmer im Regelfall seinen Urlaub ungekürzt in Anspruch nehmen bei Eigenkündigung und bei betriebsbedingter Kündigung.
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Die Parteien haben übereinstimmend der Anregung des Berufungsgerichtes, im schriftlichen Verfahren nach § 128 ZPO zu entscheiden, zugestimmt. Das Berufungsgericht hat entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit bis 08.02.2021 gegeben, noch ergänzend schriftlich vorzutragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 18.09.2020 (Bl. 48 ff der Akte) und die weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 07.12.2020 (Bl. 86 ff der Akte) und vom 22.01.2021 (Bl. 101 f der Akte) sowie die Berufungserwiderung vom 21.10.2020 (Bl. 71 ff der Akte) und den weiteren Schriftsatz vom 08.02.2021 (Bl. 104 ff der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
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Die Berufung ist zulässig.
30
Die Berufung ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2b ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO.
31
Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden nach § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
B.
32
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV verstößt nicht gegen Vorschriften der AGB-Kontrolle und ist auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam. Die Klägerin hat deshalb nur einen Anspruch auf Abgeltung von acht nicht in Natur genommenen Urlaubstagen.
33
Dies hat das Erstgericht in seiner sorgfältigen Begründung zutreffend erarbeitet. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen des Erstgerichtes nach eigener Prüfung an nach § 69 Abs. 2 ArbGG. Ergänzend ist zum Berufungsvorbringen noch auszuführen:
34
1. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV ist wie der gesamte § 10 ArbV eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 BGB. § 10 ArbV wurde von der Beklagten vorformuliert, die Klägerin hatte keinen Einfluss auf die verwendeten Formulierungen. Eine AGB-Kontrolle nach §§ 306 bis 309 BGB findet statt.
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2. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV verstößt gegen kein Klauselverbot der §§ 308, 309 BGB.
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3. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. In der Gefahr, dass er wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt oder von deren Wahrnehmung abgehalten wird, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, BAG, Urteil vom 20.05.2008 - 9 AZR 382/07 -, Rn. 39, zitiert nach juris, in jüngerer Zeit BAG, Urteil vom 24.09.2019 - 9 AZR 273/18 -, Rn. 42, zitiert nach juris.
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(2) Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus, dass kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt, da die Klägerin mit der Regelung nicht im Unklaren darüber bleibt, welcher Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist und im Umkehrschluss, welcher Urlaubsanspruch ersatzlos verfällt. In § 10 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages wird die Klägerin klar darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von zwanzig Arbeitstagen in der Fünftagewoche nach § 3 BurlG hat und einen darüber hinaus gehenden „vertraglichen Zusatzurlaub“ von weiteren zehn Arbeitstagen. § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV lässt sich dem Wortlaut nach problemlos und eindeutig entnehmen, dass nur nicht genommener gesetzlicher Urlaub abgegolten wird und nicht auch „vertraglicher Zusatzurlaub“.
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4. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB, weil die arbeitsvertragliche Vereinbarung infiziert wäre durch die vermeintlich widersprüchlichen Vorschriften des § 10 Ziffer 1 Satz 3 ArbV und § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV.
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(1) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht ohnehin allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit der Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem “blauen Stift” zu ermitteln, der sogenannte blue-pencil-test. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen, BAG, Urteil vom 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 -, Rn. 27 f, zitiert nach juris. Nur in diesem Sinne ist die Theorie der Klägerin von einer Infektion einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung durch eine andere und Infektionsschutz durch AGB-Kontrolle nach der Rechtsprechung des BAG denkbar.
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(2) Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht dazu in seinen Entscheidungsgründen, dort Ziffer 2.c., die erforderlichen Ausführungen zum behaupteten Wertungswiderspruch zwischen § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV und § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV sowie zum Ergebnis eines blue-pencil-testes gemacht, denen sich das Berufungsgericht anschließt. § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV und § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV regeln unterschiedliche Sachverhalte mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Ein Wertungswiderspruch ist auch für das Berufungsgericht nicht ersichtlich. Bei einer Streichung des von der Klägerin beanstandeten § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV mittels des blue-pencil-Testes entfällt der dort vorgesehene Rechenschritt für die Berechnung des Urlaubsanspruches im Ein- und Austrittsjahr, was die Berechnung nicht schwieriger macht.
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5. Die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV benachteiligt die Klägerin auch nicht unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zum Urlaub, von der abgewichen wird, nicht vereinbar wäre.
43
a) Die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV weicht nicht von dem Grundgedanken des § 1 BurlG ab, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses abhängt, nicht notwendig von der Erbringung der Arbeitsleistung.
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(1) Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub knüpft nach § 1 BurlG grundsätzlich nur an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses an. Der Anspruch steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbringt, BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, Rn. 8, zitiert nach juris. Der Anspruch auf den gesetzlichen Urlaub dient - wie es § 1 BUrlG mit dem Wort „Erholungsurlaub“ auch deutlich zum Ausdruck bringt - der Erholung des Arbeitnehmers und ist arbeitsleistungsunabhängig. Gewährt der Arbeitgeber einen darüber hinaus gehenden arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub, so gilt dies für diesen arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub in gleicher Weise, BAG, Urteil vom 22.07.2014 - 9 AZR 981/12 -, Rn. 24, zitiert nach juris, für den im dortigen Fall gewährten Gesamturlaub von 30 Tagen pro Jahr. Der gesetzliche Mindesturlaub wie auch der arbeitsvertragliche Zusatzurlaub stehen deshalb nicht im arbeitsrechtlichen Synallagma von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt, soweit sich nicht aus den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Zusatzurlaub ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Bei den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Zusatzurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, sind die Parteien des Arbeitsvertrages in ihrer Regelungsmacht frei und nicht durch die Regelungen des BurlG und ihre richtlinienkonforme Ausgestaltung durch EuGH und BAG gebunden, BAG, Urteil vom 04.05.2010 - 9 AZR 183/09 -, Rn. 23, zitiert nach juris, und in jüngster Zeit BAG, Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 321/16 -, Rn. 52, zitiert nach juris.
45
(2) Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus, dass die Regelung in § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV nicht von den wesentlichen Grundgedanken der Regelung des § 7 Abs. IV BurlG abweicht, weil diese von vorne herein keine Geltung für den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub beanspruchen. § 7 Abs. 4 BurlG und seine Ausformung durch die Rechtsprechung beanspruchen nur dort Geltung für den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub, wo die Parteien des Arbeitsvertrages für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine eigenständige Regelung getroffen haben für den dann noch offenen nicht in Natur gewährten arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub. Eine solche eigenständige Regelung wurde getroffen in § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV mit der Beschränkung der Urlaubsabgeltung auf die Abgeltung nur des gesetzlichen Urlaubes, nicht des arbeitsvertraglichen Zusatzurlaubes.
46
Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus ferner, dass die Regelung in § 10 Ziffer 4 Satz 2 ArbV auch nicht von den wesentlichen Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Synallagmas von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt abweicht. Dieses gilt grundsätzlich nicht für den gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruch. Anderes könnte sich nur ergeben, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub abweichend von der gesetzlichen Regelung ausdrücklich in das Synallagma gestellt hätten. Dafür fehlen aber im vorliegenden Fall ausreichende Anhaltspunkte.
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Aus § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV ergeben sich insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte. § 10 Abs. 1 Satz 3 ArbV führt zu einer Minderung des arbeitsvertraglichen Zusatzurlaubes um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf „Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat“. Damit verliert der Arbeitnehmer nicht konsequent in allen Fällen, in denen er nicht arbeitet und dieser Zustand länger als ein Kalendermonat andauert, ein Zwölftel seines arbeitsvertraglichen Zusatzurlaubes. Dieser bleibt vielmehr bestehen auch in den Fällen des Anspruches auf Entgelt ohne Arbeitsleistung aus einer der anspruchserhaltenden Normen des Arbeitsrechtes wie § 2 EFZG, § 3 EFZG oder § 615 BGB. Die für eine synallagmatische Verknüpfung von Zusatzurlaub und Arbeitsleistung erforderliche Verbindung ergibt sich hieraus nicht.
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Auch aus § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien den Zusatzurlaub in ein synallagmatisches Verhältnis stellen wollten. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV verringert sich der Urlaubsanspruch insgesamt, also der gesetzliche und der arbeitsvertragliche Urlaub, um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis ruht. Das ruhende Arbeitsverhältnis ist davon gekennzeichnet, dass die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert sind bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis, sei es kraft Vereinbarung zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages wie beispielsweise beim Sonderurlaub ohne Bezüge oder kraft Gesetzes bei der Elternzeit oder bei der Pflegezeit. Im Falle der Erkrankung eines Arbeitnehmers mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung ruht das Arbeitsverhältnis nicht. Im Fall der über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehenden Erkrankung ruht das Arbeitsverhältnis ebenfalls nicht, sondern auf Seiten des Arbeitnehmers liegt eine Leistungsstörung vor, BAG, Urteil vom 25.09.2013 - 10 AZR 850/12 -, Rn. 14, zitiert nach juris. Die Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbV lässt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in all den Fällen des aktiven Arbeitsverhältnisses unberührt, in dem der Arbeitnehmer nach der gesetzlichen Grundentscheidung einen Urlaubsanspruch hat, und dies auch ohne Erbringung einer Arbeitsleistung. Die für eine synallagmatische Verknüpfung von Zusatzurlaub und Arbeitsleistung erforderliche Verbindung ergibt sich auch hieraus nicht.
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b) Die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV weicht auch nicht von dem Grundgedanken des § 7 Abs. 4 BurlG ab, dass der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubes nicht ohne Weiteres bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses untergehen kann, sondern nur der Freistellungsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis entfällt, nicht aber der Vergütungsanspruch, so für den Fall der langen Erkrankung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 -, Rn. 9, zitiert nach juris, und für den Fall des Todes des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis, BAG, Urteil vom 22.01.2019 - 9 AZR 328/16 -, Rn. 17, zitiert nach juris.
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(1) Bei den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Zusatzurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, sind die Parteien des Arbeitsvertrages in ihrer Regelungsmacht frei und nicht durch die Regelungen des BurlG und ihre richtlinienkonforme Ausgestaltung durch EuGH und BAG gebunden, BAG, Urteil vom 04.05.2010 - 9 AZR 183/09 -, Rn. 23, zitiert nach juris, und in jüngster Zeit BAG, Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 321/16 -, Rn. 52, zitiert nach juris. Die Vertragsfreiheit schließt dabei auch das Recht ein, das teilweise oder vollständige Erlöschen des arbeitsvertraglichen Zusatzurlaubes für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzusehen, BAG, Urteil vom 22.01.2019 - 9 AZR 328/16 -, Rn. 33, zitiert nach juris.
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(2) Im vorliegenden Fall liegt mit § 10 Abs. 4 Satz 2 ArbV kein Fall vor, in dem von den gesetzlichen Regelungen des § 7 Abs. 4 BurlG und der dazu ergangenen Rechtsprechung abgewichen wird, weil diese Regelungen für den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub schlicht nicht gelten.
52
An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die schon erstinstanzlich aufgeworfene Frage, wer die Verantwortung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Entstehen eines entsprechenden Abgeltungsanspruches für den noch nicht eingebrachten arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub trägt. Dies stellt nicht die Wirksamkeit der getroffenen Regelung unter dem Aspekt der unangemessenen Benachteiligung in Frage, sondern ist eine Frage des Schadensersatzanspruches des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber durch etwaiges rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten den ersatzlosen Untergang des Anspruches auf den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten hat.
53
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1 ZPO.
D.
55
Die Revision war nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.