Inhalt

ArbG München, Teilurteil v. 29.07.2021 – 17 Ca 12472/20
Titel:

Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Befristetes Arbeitsverhältnis, Arbeitsvertraglich, Unbefristeter Arbeitsvertrag, Arbeitsvertrag - Parteien, Befristeter Arbeitsvertrag, Befristung des Arbeitsvertrages, Anstellungsvertrag, Wirksamkeit der Befristung, Befristungsabrede, Rechtsmißbrauch, Feststellungsantrag, Abgabe einer Kündigungserklärung, Zahlungsantrag, Arbeitsleistung, Kostenentscheidung, Gemeindeordnung, Gemeinderat, Anstellungsverhältnis, Widerklage

Schlagworte:
Restzahlung, Vergütung, Arbeitsvertrag, Kürzungsregelung, Vertragsänderung, Verfallfrist, Befristungsabrede
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 29.07.2022 – 1 Sa 681/21
BAG Erfurt vom -- – 7 AZR 367/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63277

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 18.240,00 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 1.200,14 brutto seit 01. Februar 2020, 02. März 2020, 01. April 2020, 02. Mai 2020, 01. Juni 2020, 01. Juli 2020, 01. August 2020, 01. September 2020, 01. Oktober 2020 und 02. November 2020, aus € 4.737,94 brutto seit 01. Dezember 2020 sowie aus € 300,60 brutto seit 01. Juli 2020 zu bezahlen.
2. Der Klageantrag II wird abgewiesen.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 32.480,40.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Restvergütungsansprüche des Klägers und über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung und Befristung.
2
Zwischen den Parteien bestand seit dem 01.02.2013 ein Arbeitsverhältnis. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein mit der satzungsmäßigen Aufgabe, seine Mitglieder pastoral und seelsorgerlich zu betreuen sowie die Religion zu fördern (s. Satzung in Kopie als Anlage B1, Bl. 72 ff d. A.). Er ist Mitglied in einer Arbeitsgemeinschaft Auslandsgemeinden, die mit dem D-Bezirk M-Stadt (einer Körperschaft des öffentlichen Rechts) in der Kirche in B zusammenarbeiten. Der D-Bezirk M-Stadt vertritt hierbei die Auslandsgemeinden in der Arbeitsgemeinschaft Kirchen in M-Stadt mit dem Status der Gastmitgliedschaft (vgl. Anlage B12, Bl. 155 d. A.).
3
Mit Anstellungsvertrag vom 11.11./04.12.2012 wurde der Kläger ab dem 01.02.2013 vom Beklagten zunächst für die Dauer von zwei Jahren als Gemeindepastor angestellt. Der Anstellungsvertrag vom 25.12.2014 sah eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um weitere 3 Jahre bis zum 31.12.2018 vor. Mit weiterem Anstellungsvertrag vom 25.12.2017 wurde das Arbeitsverhältnis um weitere 3 Jahre bis zum 31.12.2020 verlängert (s. Anlagen K1 bis K3, Bl. 5 ff d. A.). Im Vertrag vom 25.12.2017 wurde vereinbart, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein jährliches Bruttogehalt von Euro 60.800,00 erhält (V. des Arbeitsvertrags, Bl. 16 d. A.). Weiter enthält der Vertrag eine Bestimmung, wonach das Gehalt „je nach der Budgetplanung des jeweiligen Finanzjahres in einem kleinen Umfang modifiziert werden“ kann (V. Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags, Bl. 16 d. A.).
4
Zur Vertragsdauer und zum Aufgabengebiet enthält der letzte Anstellungsvertrag die folgenden Regelungen (Bl. 15 f. d. A.):
„II. Vertragsdauer
Der vorliegende Anstellungsvertrag ist gemäß der Gemeindeordnung zunächst für weitere drei Jahre gültig (Stichtag: ab 01.01.2018). Der Vertrag kann gemäß der Gemeindeordnung weiter verlängert werden.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Ziffer 4 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) die Eigenart der Arbeitsleistung als Pastor ist und damit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen den sachlichen Grund für die Befristung bietet. Darüber hinaus sieht die Gemeindeordnung der Gemeinde eine Befristung der Amtszeit des Gemeindepastors vor (Tendenzbetrieb).
III. Aufgabengebiet
Das Aufgabengebiet des Gemeindepastors umfasst die geistliche und seelsorgerische Betreuung der Gemeindemitglieder im Großraum M-Stadt. Näheres ist in der Dienstordnung geregelt.
Die bisherige Dienstordnung ist auch für den neuen Anstellungsvertrag weiter gültig, falls sie nicht neu erstellt wird.
Der Gemeindepastor verpflichtet sich zur Einhaltung der Satzung, der Gemeindeordnung und der Dienstordnung, die ein Bestandteil des vorliegenden Vertrages sind. Darüber hinaus ist der Gemeindepastor verpflichtet, sich aktiv um die Realisierung der in der Satzung genannten Gründungszwecke zu bemühen.
IV. Ämter
Der Gemeindepastor vertritt zusammen mit dem Vorstand die Gemeinde nach außen und vertritt nach innen den Vorstand sowie das Arbeitsgremium der Gemeindehelfer. Darüber hinaus hat er gemäß der Satzung der Gemeindeordnung folgende Ämter inne:
Vorsitzender der Mitgliederversammlung, Vorsitzender des Vorstands (i.a.W. Gemeinderat), Vorsitzender des Arbeitsgremiums der Gemeindehelfer.
Der Gemeindepastor ist verpflichtet, sich in Sachen Gemeindeführungsdienst und pastoraler Administration mit dem Vorstand zu beraten. Der Gemeindepastor achtet darauf, dass alle Beschlüsse der Vorstandssitzungen eine Abstimmung benötigen.
Die Abstimmung bei einer Vorstandssitzung erfolgt gemäß der Satzung nach dem Prinzip der einfachen Mehrheit, wobei die Vorstandsmitglieder das gleiche Mitspracherecht- bzw. Stimmrecht haben.“
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Weiter enthält der Arbeitsvertrag vom 25.12.2017 u.a. die folgenden Regelungen (Bl. 17 f d. A.):
„XI. Beendigung
Bei Ablauf dieses Vertrages endet das Anstellungsverhältnis von selbst, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der Anstellungsvertrag endet am Ende der Amtsdauer des Gemeindepastors nach ordentlicher Kündigung.
Im Übrigen kann das Anstellungsverhältnis kann das Anstellungsverhältnis von den beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.
Die Kündigung ist schriftlich in der Vorstandssitzung vorzulegen.
Bei Amtsentlassung einen alle Ämter sowie Tätigkeiten als Gemeindepastor mit sofortiger Wirkung.
XIII. Änderung / Fälligkeitsklausel
Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Sind einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam, so wird hierdurch die Wirksamkeit des übrigen Teils des Vertrages nicht berührt.
Ansprüche des Gemeindepastors und der Gemeinde aus dem Anstellungsverhältnis verfallen, wenn sie nicht spätestens 1 Monat nach dem Erstellungsdatum durch Gegenzeichnung und Rücksendung geltend gemacht werden.“
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Nahezu die gesamte Finanzierung des Beklagten erfolgt ausschließlich über Spenden von Mitgliedern und/oder Gönnern. Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben. Im Jahr 2019 hatte der Kläger noch sein volles Jahresgehalt erhalten. Ausweislich des Berichts des Kassenwarts in der Mitgliederversammlung vom 16.02.2020 hatten die tatsächlichen Einnahmen im Jahr 2019 mit Euro 84.416,00 48% der prognostizierten Einnahmen entsprochen. Die tatsächlichen Ausgaben hatten im Jahr 2019 gemäß dem Kassenbericht Euro 110.695,85 betragen. Die Mitgliederversammlung beschloss den Haushaltsplan 2020 mit Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder per Akklamation. Der Haushaltsplan sah eine Reduktion des Jahresgehalts des Klägers auf Euro 42.560,00 vor (s. das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 16.02.2020 als Anlage Konvolut B 5 in und deutscher Sprache, Bl. 113 ff d. A). Das Protokoll enthält die Anmerkung, wonach der Kläger dem Vorstand bekannt gegeben habe, dass er die Ergebnisse der Versammlung nicht akzeptieren werde und daher das Protokoll nicht unterzeichnen werde (Bl. 117 d. A.). Eine Anfechtung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung durch den Kläger erfolgte nicht. Bestrebungen von Seiten des Beklagten, mit dem Kläger eine schriftliche Vertragsänderung auf der Grundlage der in der Mitgliederversammlung beschlossenen Gehaltskürzung abzuschließen, blieben erfolglos.
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In einem Schreiben vom 09.08.2020 (s. Kopie als Anlage B2, Bl. 80 d. A.) bezog sich der Beklagte gegenüber dem Kläger auf eine Mitgliederversammlung vom 02.08.2020 wie folgt:
„Das Ergebnis der Abstimmung: – Teilnahme: 64 Mitglieder
- Tagesordnung: Der zum Jahresende ablaufende Arbeitsvertrag des Gemeindepastors W. soll unbefristet verlängert werden. Dafür: 0 Stimme, Dagegen: 64 Stimmen Die unbefristete Verlängerung des Arbeitsvertrags wurde einstimmig abgelehnt.
Daher wird Ihnen hiermit mitgeteilt, dass Ihr Arbeitsvertrag ohne eine Verlängerung zum 31.12.2020 beendet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Vorstandsmitglieder“
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Am Ende des Schreibens befinden sich mehrere Unterschriften.
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Im Jahr 2020 wurden dem Kläger für das Jahr 2020 an Vergütung insgesamt Euro 42.560,00 brutto ausbezahlt.
10
Mit beim Arbeitsgericht München am 14.01.2021 eingegangenem Anwaltsschriftsatz selbigen Tages ließ der Kläger den Antrag stellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten nicht aufgrund der Regelung in Ziffer II des Arbeitsvertrages vom 25.12.2017 am 31.12.2020 sein Ende gefunden habe (Bl. 53 d. A.).
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Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm auch für 2020 das volle Jahresgehalt zustehe, da eine wirksame Änderungsvereinbarung nicht zustande gekommen sei. Er habe sich auch zu keiner Zeit mit einer Kürzung seines Gehalts einverstanden erklärt. Außerdem ist der Kläger der Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten auch noch nach Ablauf der Befristung (31.12.2020) fortbestehe. Zum einen enthalte das ihm übermittelte Schreiben vom 09.08.2020 keine Kündigungserklärung, sondern erkennbar nur den Hinweis des Beklagten, dass er den Arbeitsvertrag nicht über den 31.12.2020 hinaus zu verlängern gedenke. Zum anderen sei aber auch die im Arbeitsvertrag vom 25.12.2017 vorgenommene Befristung unwirksam, denn ein sachlicher Grund für die Befristung seines Arbeitsverhältnisses habe nicht vorgelegen. Insbesondere könne sich der Beklagte nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG berufen, da die Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen dem Beklagten und ihm als Gemeindepastor keine Besonderheiten aufweisen würden, aus denen sich ein berechtigtes Interesse des Beklagten ergäbe, statt eines unbefristeten nur ein befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen. Jedenfalls scheitere die Wirksamkeit einer Befristung daran, dass die zeitlich aufeinanderfolgenden Befristungen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von insgesamt 7 Jahren und 10 Monaten als rechtsmissbräuchlich zu beanstanden seien.
12
Der Kläger beantragte zuletzt,
I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 18.240,00 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 1.200,14 brutto seit 01. Februar 2020, 02. März 2020, 01. April 2020, 02. Mai 2020, 01. Juni 2020, 01. Juli 2020, 01. August 2020, 01. September 2020, 01. Oktober 2020 und 02. November 2020, aus € 4.737,94 brutto seit 01. Dezember 2020 sowie aus € 300,60 brutto seit 01. Juli 2020 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede in Ziffer II des Arbeitsvertrages vom 17.12.2017 am 31.12.2020 sein Ende gefunden hat.
13
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
14
Er hält beide Klageansprüche für unbegründet. Den Vergütungsanspruch für das Jahr 2020 hält der Beklagte bereits in voller Höhe für erfüllt, da sich der Kläger nicht mehr auf die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung berufen könne. Die Gehaltskürzung sei in der Mitgliederversammlung beschlossen worden, woran sich der Kläger nun zu halten habe. Außerdem beruft sich der Beklagte auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist sowie die im Arbeitsvertrag vorgesehene Kürzungsmöglichkeit. Hinzu komme, dass sich der Beklagte auf eine Störung in der Geschäftsgrundlage des § 313 Abs. 1 BGB berufen könne; bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Konditionen habe wegen der schwierigen finanziellen Situation die Insolvenz gedroht. Auch der Feststellungsantrag sei unbegründet. Zum einen sei das Schreiben vom 09.08.2020 als ordentliche Kündigung zum 31.12.2020 umzudeuten. Denn dessen Sinn und Zweck sei es gewesen, einen einseitigen Beendigungswillen zu äußern. Wegen des Kündigungscharakters des Schreibens hätte der Kläger innerhalb von drei Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage erheben müssen, was er unstreitig nicht getan habe. Wegen der Beendigungsfiktion der §§ 4, 7 KSchG sei das Arbeitsverhältnis daher bereits mit Ablauf des 31.12.2020 beendet worden. Hilfsweise weist der Beklagte darauf hin, dass es sich bei der Befristung gemäß Arbeitsvertrag vom 25.12.2017 jedenfalls um eine wirksame Befristung gehandelt habe, da der Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Ziffer 4 TzBfG vorliege. Die besondere Eigenart des Arbeitsverhältnisses, die eine Befristungsnotwendigkeit begründe, ergebe sich aus den Aufgaben des Klägers als Gemeindepastor und Organ der Glaubensgemeinschaft. Es sei üblich und wichtig, durch einen Wechsel neue Ideen oder Einflüsse in eine Gemeinde zu bringen, um eine stetige Weiterentwicklung des Glaubens zu gewährleisten. Außerdem beruft sich der Beklagte auf die verfassungsrechtliche Sonderstellung gemäß Artikel 140 GG, 137 WRV.
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Mit Schriftsatz vom 28.07.2021 ließ der Beklagte darüber hinaus Widerklage mit folgenden Anträgen einreichen:
1. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten die folgenden Gegenstände herauszugeben:
- Fotodrucker, Marke Canon Selphy Cp910 (Seriennummer B00HQC0H6ECLI:C:4960999984636)
- Laptop, Marke Asus Zenbook UX310UA-FC344T (Seriennummer B01M1FE3HX)
- Sicherheitsschlüssel für die Kirchenräume der N-Kirche
- sämtliche Vereinssiegel
- -Mitgliedskarte für die M. Deutschland GmbH
- sämtliche Unterlagen, die im Rahmen der Tätigkeit bei der Beklagten erstellt wurden
- sämtliche Daten, die dem Kläger im Rahmen der Tätigkeit bei dem Beklagten überlassen wurden
2. Der Kläger wird verurteilt, es zu unterlassen, im Internet per Livestream, per ...-Video, durch Hinweise auf seinem ...-Channel oder in sonstiger Weise in Gottesdiensten als Pastor im Namen der Gemeinde aufzutreten.
3. Dem Kläger für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 10.000,- oder Ordnungshaft von bis zu drei Monaten im Einzelfall anzudrohen.
16
Der Kläger beantragt
Abweisung der Widerklage.
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Zum weiteren Sachvortrag der Parteien sowie zur Prozessgeschichte wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Klage war im Zahlungsantrag stattzugeben, im Feststellungsantrag war sie abzuweisen. Demgegenüber war über die Widerklage wegen fehlender Entscheidungsreife noch nicht zu urteilen, sodass ein Teilurteil zu ergehen hatte (§ 301 ZPO).
I.
19
Der zulässige Zahlungsantrag ist in vollem Umfang begründet, sodass ihm stattzugeben war: Der Kläger hat Anspruch auf Restzahlung seiner Vergütung für 2020 in der geltend gemachten Höhe.
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1. Unstreitig wurden zwischen den Parteien mit Arbeitsvertrag vom 25.12.2017 vereinbart, dass dem Kläger ein jährliches Bruttogehalt in Höhe von Euro 60.800,00 zusteht.
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2. Dieser Anspruch wurde vom Beklagten unstreitig bisher nur in Höhe von Euro 42.560,00 brutto erfüllt, sodass dem Kläger noch ein Restlohnanspruch in Höhe der Differenz, Euro 18.240,00 brutto, zusteht (§§ 611a Abs. 2, 362 Abs. 1 BGB), da sämtliche vom Beklagten erhobenen Einwendungen unbehelflich sind.
22
a. Anders als der Beklagte meint, wurde seine arbeitsvertragliche Zahlungsverpflichtung wirksam weder einseitig noch durch eine einvernehmliche oder gesetzliche Gestaltung revidiert.
23
(1) Eine Berufung auf die Regelung in V Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags scheidet aus mehreren Gründen offensichtlich aus. Zum einen hält die dort vorgesehene einfache Kürzungsregelung einer Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 ff BGB nicht stand (vgl. § 310 Abs. 3 Ziffer 2 BGB), und dies wiederum aus mehreren Gründen (Verstoß gegen Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB; § 308 Ziffer 4 BGB, Änderungsvorbehalt); zum anderen stellt die in Rede stehende Kürzung weder nach ihrer absoluten Höhe noch nach ihrem relativen Bezug zum Ausgangsbetrag offenkundig keine Kürzung „in einem kleinen Umfang“ dar.
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(2) Eine einvernehmliche Änderung scheidet aus. Dabei kann offengelassen werden, ob der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 16.02.2020 auch unter satzungsgemäßer Mitwirkung des Klägers zustande gekommen ist; denn jedenfalls war damit allenfalls die Meinungsbildung auf Seiten des Beklagten als Arbeitgeber abgeschlossen. Zusätzlich erforderlich für eine wirksame Vertragsänderung wäre eine Vereinbarung mit dem Kläger als anderer Arbeitsvertragspartei gewesen, wozu es aber – unstreitig – trotz heftigem und wiederholtem Dringen des Beklagten nicht gekommen ist.
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(3) Auch eine konkludente Zustimmung des Klägers zu der vom Beklagten beschlossenen Gehaltskürzung liegt nicht vor: Diese scheitert zum einen bereits aus formellen Gründen daran, dass die im Arbeitsvertrag für eine Änderung vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten ist (auf die Unwirksamkeit der Schriftformklausel in XIII des Arbeitsvertrags kann sich der Beklagte aufgrund des Schutzzwecks der AGB Bestimmungen nicht berufen, vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2021 – 4 AZR 283/20, Rn 19). Zum anderen kann aus dem Verhalten des Klägers nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden: Er hat zwar trotz vorgenommener und erkennbarer Kürzung die ihm auferlegten arbeitsvertraglichen Pflichten – wenn auch im Einzelnen zwischen den Parteien streitig – weiter erfüllt; er hat dies aber nicht widerspruchslos getan (vgl. BAG – 4 AZR 129/00, Rn 45 ff.), sondern im Anschluss an das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 16.02.2020 seinen Protest dokumentiert (Bl.117 d.A.).
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(4) Auch die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB liegen nicht vor. Dies liegt nicht nur an der grundsätzlichen gesetzlichen Ausgangslage, wonach der Arbeitgeber allein das unternehmerische Risiko einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation trägt, sodass nur in besonders schwerwiegenden Notfällen eine Anpassung am Maßstab des § 313 BGB möglich sein soll. Zum anderen hätte dem Beklagten als einfachster Weg einer Anpassung das Gestaltungsmittel der Änderungskündigung zur Verfügung gestanden, dessen er sich bei unstreitiger Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes – der Kläger ist der einzige Beschäftigte – auch risikolos hätte bedienen können, sodass von einem unzumutbaren Festhalten an der Zahlungsverpflichtung nicht gesprochen werden kann.
27
b. Die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Restschuld des Beklagten ist auch nicht aufgrund des Ablaufs der in XIII des Arbeitsvertrags vorgesehenen einmonatigen Verfallfrist erloschen. Die Berufung des Beklagten auf diese unzweifelhaft unwirksame Klausel erscheint geradezu abwegig, da die Klausel unter mehrfachem Aspekt einer Inhaltskontrolle nicht ansatzweise standhält, was an dieser Stelle keiner näheren Begründung bedarf (vgl. nur BAG, Urteil vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – zur Unwirksamkeit einer Ausschlussklausel in nach dem 16.08.2014 begründeten oder geänderten Verträgen, die den Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt).
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3. Die geltend gemachten Zinsansprüche ergeben sich aus den §§ 286 Abs. 2, 288 BGB.
II.
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Dem gegenüber war der Feststellungsantrag abzuweisen, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund wirksamer Befristung mit Ablauf des 31.12.2020 sein Ende gefunden.
30
1. Allerdings geht der Beklagte fehl in der Annahme, die Unbegründetheit des Antrags ergebe sich bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Erklärung des Beklagten vom 09.08.2020 (Anlage B2, Bl. 80 d. A.) beendet worden sei, da diese eine Kündigungserklärung enthalte, gegen die der Kläger – unstreitig – nicht vorgegangen ist (§§ 4, 7 KSchG). Denn das Schreiben stellt keine Kündigungserklärung dar. Eine mit Rechtsfolgewillen abgegebene, d. h. auf einen rechtsgeschäftlichen Erfolg unmittelbar abzielende Erklärung ist in dem Schreiben nicht enthalten. Das Schreiben stellt lediglich eine Wissenserklärung dar. Es verfolgt einzig den Zweck, den Kläger über „das Ergebnis der Abstimmung bei der Mitgliederversammlung vom 02.08.2020“ zu informieren (so der Einleitungssatz des Schreibens). Dies vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis bereits in der Vergangenheit um 3 Jahre verlängert worden war und auch Ziffer 2 des Vertrags vom 25.12.2017 eine Verlängerungsmöglichkeit angedeutet hat („zunächst für weitere 3 Jahre gültig“/… kann gemäß der Gemeindeordnung weiter verlängert werden“). Dementsprechend behandelt auch der Betreff des Schreibens einzig die Thematik einer „Verlängerung“ des Arbeitsvertrags – gerade aber nicht dessen Kündigung. Im Schreiben wird lediglich mitgeteilt, dass einstimmig eine unbefristete Verlängerung des Arbeitsvertrags durch die Mitgliederversammlung abgelehnt worden sei. Dem letzten Satz – Mitteilung, dass der Arbeitsvertrag ohne eine Verlängerung zum 31.12.2020 beendet werde – kommt somit lediglich noch die Bedeutung zu, die Rechtslage vor dem Hintergrund dieses abgeschlossenen Willensbildungsprozesses (keine Verlängerung) gegenüber dem Kläger darzustellen und klarzustellen. Nichts deutet demgegenüber in diesem Schreiben darauf hin, dass der Beklagte mit diesem Schreiben einen neuen Beendigungstatbestand hätte schaffen wollen. Die Möglichkeit, dies durch eine (ggf. höchst vorsorgliche) Erklärung zu tun, hat der Beklagte erkennbar nicht genutzt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2020 wird eindeutig nur aus der ausbleibenden Verlängerung abgeleitet („daher“). Der (unzweifelhaft bestehende) im Schreiben zum Ausdruck kommende Beendigungswille des Beklagten ist – anders als der Beklagte meint – nicht ausreichend zum Nachweis der Abgabe einer Kündigungserklärung. Denn auch die nicht verfolgte Weiterverlängerung des Arbeitsverhältnisses beruht auf einem Beendigungswillen.
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2. Demgegenüber wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristungsabrede gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 TzBfG mit Ablauf des 31.12.2020 (§ 15 Abs. 1 TzBfG) beendet.
32
a. Die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger als Gemeindepastor ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG durch die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt. Dabei kann vorliegend nach Auffassung der Kammer offenbleiben, ob – wie zwischen den Parteien streitig – für die Belange des Beklagten hier insbesondere verfassungsrechtliche Aspekte aus einem etwaigen auf Artikel 140 GG, 137 WRV beruhenden Sonderstatus sprechen.
33
(1) In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen können. Den Gesetzesmaterialien lässt sich zwar entnehmen, dass mit dem Sachgrund vor allem verfassungsrechtlichen Besonderheiten (aus der Rundfunkfreiheit oder aus der Freiheit der Kunst) Rechnung getragen werden soll. Der Sachgrund ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fällen zur Anwendung kommen. Dabei ist der Begriff der „Eigenart der Arbeitsleistung“ nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst betrachtet werden. Allerdings ist nicht jegliche Eigenart geeignet, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Nach der gesetzlichen Wertung ist der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme. Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. zuletzt nur BAG, Urteil vom 16.01.2018 – 7 AZR 312/16 – Rn 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Befristung aufgrund der „Eigenart“ der Arbeitsleistung „sachlich gerechtfertigt“. Der Beklagte konnte deutlich machen, dass zum einen die besonderen Anforderungen an die Arbeitsleistung eines Gemeindepastors einem ständigen Wandel unterzogen sind, dem nur durch eine höhere zeitliche Flexibilität Rechnung getragen werden kann. Genauso wie die Gemeinde einem Wandel unterworfen ist (ggf. von einer konservativen hin zu einer liberalen und weltoffenen Gemeinde), muss der jeweilige Gemeindepastor diesem Wandel entsprechen können. Hinzu kommt vorliegend, dass die besonderen Umstände des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit bedingen, auf ein etwaiges Auseinanderleben von Gemeindepastor und Gemeinde reagieren zu können. Denn der Gemeindepastor ist vorliegend nicht nur Seelsorger und Betreuer, sondern darüber hinaus auch Dreh- und Angelpunkt der Organstruktur des Beklagten als Leiter der Mitgliederversammlung, Vorsitzender des Vorstands und Gemeinderats sowie als Vorsitzender des Arbeitsgremiums der Gemeindehelfer. Zu welchen Verwerfungen diese Ämterhäufung bei einem Auseinanderleben von Kläger und Mitgliedern des Beklagten führen kann, veranschaulicht der vorliegende Fall sehr deutlich. Dabei kann eine Sensibilität des Klägers für die wohlverstandenen Interessen der Mitglieder des Beklagten schon von Berufs wegen unterstellt werden, sodass es ihm auch zuzumuten ist, seine Bestandsschutzinteressen etwas hintan zu stellen, zumal da ihm die in der Befristung liegende Problematik von Anfang an klar war (vgl. Ziffer II Abs. 2 des Arbeitsvertrags).
35
b. Die Wirksamkeit der Befristung scheitert auch nicht daran, dass sich der Beklagte – wie der Kläger meint – rechtsmissbräuchlich auf deren Wirksamkeit beruft. Die hierfür von der Rechtsprechung für eine Indikation vorausgesetzte Zahl und Gesamtdauer der in der Vergangenheit zwischen den Parteien geschlossenen befristeten Arbeitsverträge (vgl. nur die Aufzählung bei BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 7 AZR 135/15 –) sind vorliegend noch erkennbar unterschritten, zumal da die hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls (s.o.) gegen einen Rechtsmissbrauch sprechen.
III.
36
1. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
37
2. Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert ergibt sich aus dem Nennwert des Zahlungsantrags zuzüglich einem Viertel des Jahresverdienstes des Klägers (im Hinblick auf den Feststellungsantrag, vgl. § 42 Abs. 3 GKG).
38
3. Gegen dieses Urteil steht beiden Parteien das Rechtsmittel der Berufung nach näherer Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrungzu.