Inhalt

VG München, Urteil v. 27.05.2021 – M 17 K 19.2057
Titel:

Beihilfe bei Zahnersatz für Mitglieder der gesetzlichen Krankenersicherung: Zur Anrechnung von Zuschüssen der gesetzlichen Krankenversicherung

Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 2 S. 4, Art. 96 Abs. 2 S. 5
BayBhV § 6 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 S. 3
Leitsatz:
Kommt es nach einer Beihilfevorschrift für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer (anteiligen) Anrechnung eines Zuschusses der Krankenkasse, ohne dass es darauf ankommt, ob von dieser tatsächlich ein Zuschuss gewährt wird, ist die Bezugsgröße für die Anrechnung der maximale, höchstmögliche Festzuschuss der Krankenkasse, nämlich der entsprechende Anteil der festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Zahnersatz, Anrechnung des Festzuschusses der gesetzlichen Krankenversicherung in voller Höhe, Generelle Anrechnung unabhängig von tatsächlicher Gewährung, generelle Anrechnung unabhängig von tatsächlicher Gewährung, Anrechnung, Zuschuss, Krankenkasse, gesetzliche Krankenversicherung, Bezugsgröße, Anteil
Fundstelle:
BeckRS 2021, 14039

Tenor

I.  Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.  Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3. IV.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für zahnmedizinische Behandlungen. Die Klägerin ist als Empfängerin von Versorgungsbezügen in Form von Witwengeld dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen der Klägerin beträgt 70 v.H.
2
Die Klägerin ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Bei der … … unterhält die Klägerin eine Zusatzversicherung, deren Beiträge sie seit ihrem Ruhestand selbst bezahlt.
3
Mit Formblatt vom 12. November 2018 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beihilfe für eine Zahnarztrechnung der Zahnärztin … … vom … … 2018 über einen Betrag von 1.722,96 €. Der Rechnungsbetrag setzt sich zusammen aus Honorarkosten der Zahnärztin i.H.v. 894,80 € sowie Material- und Laborkosten i.H.v. 1.280,35 €. Von der sich hieraus ergebenden Gesamtsumme von 2.225,42 € wurde der von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährte Zuschuss i.H.v. 502,46 € abgezogen.
4
Die … … erstattete der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnung einen Betrag i.H.v. 886,59 €.
5
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26. November 2018 wurde seitens des Beklagten von der Rechnung vom … … 2018 ein Betrag in Höhe von 836,37 € als beihilfefähig anerkannt und der Klägerin dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 585,46 € (70 v.H. von 836,37 €) gewährt. Der Beklagte begründete die Kürzung damit, dass von dem Betrag von 2.225,42 € eine anderweitige Kostenerstattung i.H.v. 1.389,05 € abzuziehen sei.
6
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 2018 Widerspruch ein. Ihren Widerspruch begründete sie am 3. Januar 2019 damit, dass die Berücksichtigung der Erstattung der Bayerischen Beamtenkrankenversicherung zu Unrecht berücksichtigt worden sei. Es handele sich hierbei um eine Versicherung, für die sie als Selbstzahlerin selbst aufkomme.
7
Der Beklagte wies mit Schreiben vom 21. Februar 2019 darauf hin, dass die gesamten Aufwendungen aufgrund § 5 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 BayBhV nicht beihilfefähig seien. Bei dem von der Klägerin gewählten Tarif bei der … … handle es ich um einen Beihilfeanspruch auf Grund privatrechtlicher Rechtsbeziehung. Bei Rücknahme des Widerspruchs sehe der Beklagte aber von einer Rückforderung der überzahlten Beihilfe ab.
8
Mit Schreiben vom 19. März 2019 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an den Beklagten. Der Widerspruch werde nicht zurückgenommen. Bei einer Versicherungsleistung handle es sich niemals um eine Beihilfe i.S.v. § 5 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 BayBhV.
9
Der Widerspruch gegen den Beihilfebescheid vom 26. November 2018 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2019 zurückgewiesen. Zur Begründung wiederholte der Beklagte die im Schreiben vom 21. Februar 2019 enthaltene Begründung.
10
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 2. Mai 2019 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben.
11
Der Klägerbevollmächtigte beantragte mit Schriftsatz vom 29. April 2019,
I.
12
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom 1. April 2019 verpflichtet, Beihilfe in Höhe von insgesamt 836,37 € zu gewähren.
II.
13
Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, über den Beihilfeantrag der Klägerin gegebenenfalls unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
14
Zur Begründung der Klage wurde der Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
15
Der Beklagte erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 13. Juni 2019.
16
Darin stellte er klar, dass der Klage in Höhe von 82,87 € abgeholfen werden kann. Ein entsprechender Abhilfebescheid ergehe nach Abschluss des Verfahrens.
17
Der Beklagte erklärte den Rechtsstreit in Höhe von 82,87 € für erledigt.
18
Im Übrigen beantragte er,
19
Die Klage wird abgewiesen.
20
Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass die Zusatzversicherung entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht als eine der Beihilfe vergleichbare Versicherung berücksichtigt werden könne. Allerdings sei die Festsetzung der Material- und Laborkosten fehlerhaft in voller Höhe berücksichtigt worden. Neben dem Honorar der Zahnärztin seien gem. Art. 96 Abs. 2 Satz 5 BayBG i.V.m. § 14 BayBhV nur 40 v.H. der entstandenen Aufwendungen für Material- und Laborkosten beihilfefähig. Folglich sei das Honorar i.H.v. 945,07 € sowie die Material- und Laborkosten in Höhe von 512,14 € (40 v.H. von 1.280,35 €), insgesamt 1.457,21 € beihilfefähig. Von diesen grundsätzlich beihilfefähigen Aufwendungen sei nach Art. 96 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BayBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 BayBhV der Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung i.H.v. 502,46 € abzuziehen. Aus dem sich hieraus ergebenden Betrag ergebe sich für die Klägerin ein Beihilfeanspruch i.H.v. 668,33 € (70 v.H. von 954,75 €). Aufgrund der bereits gewährten Beihilfe verbleibe es bei einem Restanspruch i.H.v. 82,87 €.
21
Der Klägervertreter stellte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 klar, dass selbst bei für den Fall der nicht vollständigen Berücksichtigung der Material- und Laborkosten über dem Teilanerkenntnis hinaus ein weiterer Anspruch i.H.v. 123,10 € bestehe. Vom beihilfefähigen Betrag von 1.457,21 € seien lediglich 65 v.H. des Festzuschusses der gesetzlichen Krankenkasse, mithin 326,60 € abzuziehen. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 1 Satz 3 BayBhV.
22
Der Klägervertreter erklärte den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 13. April 2021 in Höhe von 82,87 € für erledigt.
23
Auf richterliche Nachfrage erklärte der Klägervertreter zuletzt mit Schriftsatz vom 13. April 2021,
24
der Klägerin ist über den anerkannten Betrag hinaus weitere Beihilfe in Höhe von 168,04 € zu gewähren.
25
Der Vertreter der Klägerin hat mit Schreiben vom 24. Mai 2019 und 5. März 2021, der Beklagte mit Schreiben vom 13. Juni 2019 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
26
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 24. Februar 2021, der Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 4. März 2021 das Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer erklärt.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 S. 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

28
Die zulässige Klage, insofern noch über sie zu entscheiden war, hat keinen Erfolg.
29
Über die Klage konnte nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten durch die Berichterstatterin und im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden.
30
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid vom 26. November 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 1. April 2019, insofern keine Abhilfe in Aussicht gestellt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
31
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 82,87 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 entsprechend.
II.
32
Das Klagebegehren ist dahin auszulegen (§ 88 VwGO), dass die Klägerin im Hauptantrag die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Beihilfe in Höhe von 168,04 € unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 26. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. April 2019 begehrt. Auf gerichtliche Nachfrage erklärte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. April 2021 ausdrücklich, dass der Klägerin über den anerkannten Betrag hinaus weitere Beihilfe in Höhe von 168,04 € zu gewähren sei. Dies ergebe sich aus der Differenz der ursprünglich eingeklagten 250,91 €, die auch dem vorläufigen Streitwert zugrunde gelegt worden seien, und der in Aussicht gestellten Abhilfe in Höhe von 82,87 €. Der ursprüngliche Antrag auf Gewährung einer Beihilfe von „insgesamt 836,37 € habe nur der Verdeutlichung der zu gewährenden Gesamtbeihilfe gedient. Nur für den Fall, dass die Material- und Laborkosten nicht in voller Höhe berücksichtigt werden könnten, wäre dennoch eine weitere Beihilfe in Höhe von 123,10 € zu leisten.
33
Da der Klägerbevollmächtigte im Laufe des gerichtlichen Verfahrens lediglich den Betrag der zu gewährenden Beihilfe seines ursprünglichen Antrags 1 vom 29. April 2019 modifizierte, blieb der ursprünglich gestellte Hilfsantrag (Ziffer 3) aufrechterhalten.
III.
34
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Für die vorgenommene zahnärztliche Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand September 2020, Bd. 2 Anm. 12 zu § 7 Abs. 2 BayBhV).
35
Bei den streitgegenständlichen Behandlungen am … … … … 2018 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl. S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. März 2018 (GVBl. S. 118), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl. S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 24. Juli 2017 (GVBl. S. 418).
IV.
36
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 168,04 €. Die vorgenommene Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen hinsichtlich der Rechnung vom … … 2018 durch den Beklagten - soweit Abhilfe nicht in Aussicht gestellt wurde - erfolgte zurecht.
37
Der Anspruch auf Beihilfeleistungen ist bei Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt auf Leistungen für Zahnersatz, für Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen und auf Wahlleistungen im Krankenhaus. Dabei sind Zuschüsse aus anderen Sicherungssystemen anzurechnen, Art. 96 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 BayBG. Gewährte Zuschüsse im Sinne des Art. 96 Abs. 2 Satz 4 BayBG werden in voller Höhe auf die beihilfefähigen Aufwendungen angerechnet, § 6 Abs. 1 Satz 2 BayBhV. Bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen nach Maßgabe der §§ 14 bis 17 sind hierbei 65 v.H. als gewährte Leistung anzurechnen; Berechnungsgrundlage ist der Betrag, aus dem sich der Zuschuss der Krankenkasse errechnet, § 6 Abs. 1 Satz 3 BayBhV.
38
Aus diesen gesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass zunächst die beihilfefähigen Aufwendungen berechnet werden. Diese setzten sich aus den Honorarkosten der Zahnärztin und dem beihilfefähigen Anteil (§ 14 BayBhV) der Material- und Laborkosten zusammen. Erst von dieser Summe ist der Zuschuss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BayBhV abzuziehen. Auf den sich hieraus ergebenden Betrag ist der individuelle Beihilfemessungssatz zur Berechnung der zustehenden Beihilfe anzuwenden (vgl. HessVGH, U.v. 10.3.2016 - 1 A 1161/14 - juris Rn. 20 ff. zu § 9 Abs. 2 und § 16 BBhV).
39
Beihilfefähige Aufwendungen sind im konkreten Fall das ärztliche Honorar i.H.v. 945,07 € sowie 40 v.H. (§ 14 BayBhV) der in Rechnung gestellten Material- und Laborkosten in Höhe 1.280,35 €, mithin 512,14 €. Insgesamt sind damit 1.457,21 € beihilfefähig.
40
Von diesen beihilfefähigen Aufwendungen ist nach Art. 96 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BayBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 3 BayBhV der Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung i.H.v. 502,46 € in voller Höhe abzuziehen. Hieraus ergibt sich ein Beihilfeanspruch i.H.v. 668,33 € (70 v.H. von 954,75 €). Aufgrund der bereits gewährten Beihilfe i.H.v. 585,46 € verbleibt es rechnerisch bei einem Restanspruch i.H.v. 82,87 €. Die Gewährung einer weiteren Beihilfe in dieser Höhe wurde vom Beklagten in Aussicht gestellt, das Verfahren insoweit eingestellt (vgl. Textziffer I). Damit besteht kein weiterer Beihilfeanspruch.
41
Dass vorliegend der Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung i.H.v. 502,46 € voll abgezogen wird, ergibt sich daraus, dass es sich hierbei um den (damals) höchstmöglichen Festzuschuss von 65 v.H. für die Regelversorgung handelt. Der Abzug wäre auch dann erfolgt, wäre der Zuschuss der Klägerin nicht gewährt worden.
42
Grundsätzlich sieht die Verordnung in § 6 Abs. 1 Satz 2 BayBhV vor, dass gewährte Zuschüsse im Sinne des Art. 96 Abs. 2 Satz 4 BayBG in voller Höhe auf die beihilfefähigen Aufwendungen angerechnet werden. Hier wird also auf tatsächlich gewährte Zuschüsse abgestellt.
43
Für Zahnersatz sieht die Verordnung eine hiervon abweichende Regelung vor. Anders als in Satz 2 erfolgt in Satz 3 in jedem Fall, also nicht nur bei tatsächlich gewährtem Zuschuss, eine Anrechnung. Das ergibt sich aus dem Wortlaut „sind 65 v.H. als gewährte Leistung anzurechnen“. Bei Zahnersatz greift keine Privilegierung, dass gewährte Zuschüsse nur anteilig berücksichtigt werden, sondern eine generelle Anrechnung unabhängig von der Gewährung.
44
Bezugsgröße der anzurechnenden 65 v.H. kann aus diesem Grund gar nicht ein tatsächlich gezahlter Zuschuss sein, da die Anrechnung nach Satz 3 gerade losgelöst von etwaig gewährten Zuschüssen erfolgt. Die Höhe 65 v.H. zielt vielmehr auf den maximalen, höchstmöglichen Festzuschuss der Krankenkasse, nämlich 65 v.H. der festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung, ab (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. September 2020, Bd. 2 Anm. 12 zu § 6 Abs. 1 BayBhV).
45
Eine derartige abstrakte Berücksichtigung eines möglicherweise konkret gar nicht gewährten Zuschusses erfolgt auch in der, insoweit, vergleichbaren Regelung des § 9 Abs. 2 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV). Durch die Verwendung des Wortes „abstrakt“ im Verordnungstext wird in der BBhV klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn der tatsächlich gewährte Zuschuss diese Höhe nicht erreicht (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. September 2020, Bd. 1 Anm. 12 (4) zu § 9 Abs. 2 BBhV).
46
Der maximal mögliche Zuschuss der Krankenkasse in Höhe von 65 v.H. der jeweiligen Regelversorgung ergibt sich aus dem SGB V. Nach § 55 Abs. 1 SGB V (in der bis zum 30. September 2020 gültigen Fassung) haben gesetzlich Versicherte bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse. Diese umfassen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. grundsätzlich 50 v.H. der festgesetzten Beträge. Die Zuschüsse nach Satz 2 erhöhen sich gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 SGB V a.F. um weitere 10 v.H., wenn der Versicherte in den letzten zehn Kalenderjahren regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen hat. Insgesamt können die Festzuschüsse nach § 55 Abs. 1 SGB V a.F. daher maximal 65 v.H. der festgesetzten Beträge der jeweiligen Regelversorgung betragen.
47
Da es schon bei Abzug eines Festzuschusses in Höhe von 502,46 € zu keinem weiteren Beihilfeanspruch kommt, braucht auf den Umstand, dass sich der Festzuschuss zum 1. April 2018 erhöht hat, nicht weiter eingegangen werden. Im Zeitpunkt der Eingliederung im April 2018 wies die Festzuschuss-Richtlinie vom 1. April 2018 (veröffentlich im BAnz AT am 29. März 2018) in Teil B zu Nr. 2.1 einen Festzuschuss von 456,24 € und zu Nr. 2.7 von 67,31 € aus. Diese Festzuschüsse sind höher als die, die der konkreten Festsetzung durch die gesetzliche Krankenversicherung 13. November 2017 zugrunde gelegt wurden. Im November 2017 wurde aufgrund der damals geltenden Festzuschuss-Richtlinie vom 1. Januar 2017 (veröffentlicht im BAnz AT am 30. Dezember 2016) von einem Festzuschuss von 437,45 € (Nr. 2.1) zuzüglich 65,01 € (Ziffer 2.7) ausgegangen.
V.
48
Der Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
49
Über den Hilfsantrag konnte entschieden werden, weil die innerprozessuale Bedingung, der Nichterfolg des Klageantrags in Ziffer 1 in seiner zuletzt gestellten Form, eingetreten ist.
50
Der Hilfsantrag ist aber unbegründet. Er ist, anders als der Hauptantrag in Ziffer 1, nicht als Vornahmeantrag i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, sondern als Bescheidungsantrag i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gestellt. Bei der Gewährung von Beihilfe handelt es sich um einen gebundenen Anspruch, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 BayBhV. Insofern hat der Beklagte die beantrage Beihilfe zu gewähren, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Für Ermessenserwägungen besteht hier kein Raum. Wenn in einem solchen Fall des gebundenen Anspruchs kein Vornahmeurteil i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergehen kann, liegt das, wie auch hier, am Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen. Aus diesem Grund kann auch der Bescheidungsantrag keinen Erfolg haben, da er auf Tatbestandsebene dieselben Voraussetzungen hat und sich nur auf Rechtsfolgenseite unterscheidet. Insofern ist der Bescheidungsantrag ein Minus zum Vornahmeantrag.
VI.
51
Die Kostenfolge ergibt sich, soweit das Verfahren streitig entschieden wurde, aus § 154 Abs. 1 VwGO.
52
Hinsichtlich des eingestellten Teils infolge übereinstimmender Erledigterklärung ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht hier billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Der Beklagte hat sich in die Rolle des Untergebenen begeben und unter Aufgabe seines bisherigen Rechtsstandpunktes nachgegeben (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 100), indem er in Aussicht stellt, der Klageforderung in Höhe von 82,87 € nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens abzuhelfen.
53
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.