Inhalt

LSG München, Urteil v. 08.10.2020 – L 4 KR 315/17
Titel:

Zur Behandlung mit dendritischen Zellen im Recht der GKV

Normenkette:
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 135, § 2 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Zur Frage der Unaufschiebbarkeit der streitgegenständlichen Leistung. (Rn. 49 – 51)
2. Die Behandlung einer Brustkrebserkrankung mit dendritischen Zellen stellt eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar, für die eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vorliegt. (Rn. 59)
3. Es liegt kein Systemmangel und kein sog. Seltenheitsfall vor. (Rn. 60 – 62)
4. Hier: Kein Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1a SGB V, weil noch allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung standen. (Rn. 64 – 89)
Typische, regelmäßig auftretende Nebenwirkungen schließen die Anwendung allgemein anerkannter, dem medizinischen Standard entsprechender Therapien nicht aus.  (Rn. 87 – 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Chemotherapie, dendritische Zellen, Mammakarzinom (ossär metastasiert), Nebenwirkungen, neue Behandlungsmethode, Unaufschiebbarkeit, Beschaffungsweg
Vorinstanz:
SG Augsburg, Urteil vom 05.04.2017 – S 2 KR 226/15
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41289

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 05.04.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist ein Anspruch des Klägers und Berufungsklägers als Rechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten auf Kostenerstattung für eine bei der Versicherten durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen.
2
Am 03.12.2014 beantragte die Versicherte (geboren 1959, verstorben 29.11.2016) die Kostenübernahme für die Behandlung mit dendritischen Zellen aufgrund eines metastasierenden Mammakarzinoms. Sie legte ein Schreiben vom Dr. G. vom 03.12.2014 vor, das ebenfalls einen entsprechenden Antrag enthielt.
3
Die Beklagte und Berufungsbeklagte schaltete - ohne dies der Versicherten mitzuteilen - den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der sich unter dem 16.12.2014 negativ äußerte.
4
Nach einem Aktenvermerk vom 19.12.2014 rief die Versicherte an diesem Tag bei der Beklagten an und fragte nach dem Bearbeitungsstand. Weiter wird ausgeführt: „Da GA Stellungnahme vorliegt, KÜ abgelehnt und vom MDK genannte Alternativen bereits mitgeteilt.“.
5
Mit schriftlichem Bescheid vom 22.12.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die dendritische Zelltherapie sei als neue Behandlungsmethode noch nicht bewertet worden. Um zu klären, ob besondere Gründe eine Kostenübernahme im Einzelfall zuließen, sei der MDK eingeschaltet worden. Dieser sei im Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass vertragliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als Alternative zur Verfügung ständen. In Betracht komme z.B. die Bestrahlung der Knochenmetastasen und sonstige Weiterbehandlung gemäß S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms.
6
Hiergegen erhob die Versicherte mit Schreiben vom 09.01.2015 Widerspruch. Sie legte einen Arztbrief des Internisten und Onkologen Dr. N. vom 21.10.2014 vor. Der nochmals eingeschaltete MDK hielt in einem Gutachten vom 16.02.2015 an seiner Auffassung fest. Die Versicherte legte eine Rechnung vom 22.01.2015 über 6.353,15 Euro vor.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der von der Versicherten durchgeführten Therapie handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der G-BA noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Kosten dürften daher nicht getragen werden. Der MDK habe die beantragte Leistung nicht befürwortet, da die vom Bundessozialgericht (BSG) geforderten und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Kriterien für die Anwendung einer nicht anerkannten Behandlungsmethode nicht vorlägen. Die Versicherte leide zwar an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, es ständen jedoch allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungen zur Verfügung.
8
Hiergegen hat die Versicherte am 05.06.2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Sie leide seit 2011 an einer schwerwiegenden Krebserkrankung in Form eines metastasierenden Mammakarzinoms. Es handele sich angesichts der insbesondere im Jahr 2014 aufgetretenen Metastasen um eine fortgeschrittene Form eines Mammakarzinoms. Eine lediglich palliative Therapie zeige nur bedingt Wirkung, im September 2014 seien neuerlich Metastasen aufgetreten. Die Versicherte habe sich angesichts dieser sehr Besorgnis erregenden Entwicklung auf ausdrücklichen ärztlichen Rat zu einer Therapie mit dendritischen Zellen entschlossen. Insoweit habe sie am 03.12.2014 die Kostenübernahme bei der Beklagten beantragt. Für die Inanspruchnahme der Therapie seien der Versicherten Kosten in Höhe von 6.353,15 Euro entstanden. Das von der Beklagten eingeholte MDK-Gutachten nehme an keiner Stelle Bezug auf die konkreten Erkrankungsbefunde bei der Versicherten. Außerdem existierten keine schulmedizinischen Alternativmethoden, die nicht nur palliativ wirkten, sondern auch die Krankheit bekämpften. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 06.12.2015 sei die Kostenübernahme gerechtfertigt. Dies habe die Rechtsprechung für einen ähnlich gelagerten Fall zuletzt mit Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 19.03.2014 (L 5 KR 1496/13) bestätigt. Im vorliegenden Fall hätten die zahlreich durchgeführten Chemotherapien eine Metastasierung nicht verhindern können. Die beantragte dendritische Zelltherapie habe bereits eine spürbar positive Wirkung bei einer Vielzahl von Krebspatienten gezeigt. Aus Sicht des behandelnden Arztes Dr. G. sei die Behandlung mit dendritischen Zellen bei der Versicherten dringend im Sinne einer Ultima-Ratio-Maßnahme indiziert, um angesichts der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung das fortbestehende Rezidivrisiko relevant zu verringern. Sowohl die bei der Versicherten vorliegende Schwere der Erkrankung als auch die offensichtlich weder kurativ wirkenden noch zu einer spürbaren Heilung oder Linderung führenden alternativen Behandlungsmethoden führten zu einer Ausnahme im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, so dass die Kostenübernahme durch die Beklagte gerechtfertigt sei. Die Versicherte könne nicht ausschließlich auf Alternativbehandlungen verwiesen werden. Im Rahmen der vom BVerfG entwickelten Kriterien komme es nicht darauf an, einen möglichst weitgehenden Wirksamkeitsnachweis der Methode zu belegen, sondern nur darauf, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe.
9
Die Beklagte hat geltend gemacht, das von der Versicherten zitierte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.03.2014 (L 5 KR 1496/13) befasse sich mit einer vom Fall der Versicherten abweichenden Ausgangssituation. Bei der Versicherten ständen noch vertragliche Standardbehandlungsmethoden zur Verfügung. Bei der Behandlung der Knochenmetastasen ständen der Versicherten die Therapie mit indikationsgerecht zugelassenen Behandlungsformen sowie die Bestrahlung der Knochenmetastasen zur Verfügung. Diese Therapiemethoden seien zumindest ein gleich geeignetes Mittel zum Erreichen des Behandlungsziels.
10
Die Versicherte hat erwidert, dass die Bestrahlung der Knochenmetastasen laut Aussage des behandelnden Onkologen Dr. N. primär gegen die Schmerzen eingesetzt werde, mithin wohl zu rein palliativen Zwecken. Ferner bestehe bei der Bestrahlung der Knochenmetastasen das Risiko, dass entsprechende Nekrosen aufträten. Außerdem sei der Versicherten mitgeteilt worden, dass eine Strahlentherapie allenfalls kleinflächig und punktuell durchgeführt werden könne. Das Urteil des LSG Baden-Württemberg bestätige gerade, dass der dendritischen Zelltherapie auch eine präventive Komponente zuerkannt werden könne. Soweit die Beklagte geltend mache, dass für den konkreten Erkrankungsfall der Versicherten eine entsprechende allgemein anerkannte medizinische Standardmethode zur Verfügung stehe, sei dies nicht belegt.
11
Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Versicherte sich laut den Befundberichten seit 2013 in einem palliativen Stadium der Erkrankung befinde. Dr. N. habe mitgeteilt, dass eine zugelassene palliative Therapie sowie antihormonelle Therapie durchgeführt werde, somit seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt. Außerdem habe Dr. G. selbst mitgeteilt, dass nach der im Januar 2015 durchgeführten Therapie mit dendritischen Zellen gegenüber dem Vorbefund kein entsprechender Wandel eingetreten sei.
12
Das SG hat am 15.02.2016 einen Termin zur Beweisaufnahme durchgeführt und Dr. G. als Zeugen vernommen. Dieser hat erklärt, er habe die Versicherte nur einmal im Januar 2015 behandelt. Durch Befunde vom 10.03.2015 und vom 16.03.2015 habe er erfahren, dass sich gegenüber dem Vorbefund kein entscheidender Befundwandel ergeben habe.
13
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Anschließend hat es nach § 106 SGG eine Begutachtung durch Prof. Dr. H. (Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie) nach Aktenlage veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.03.2016 ausgeführt, die bisherige Therapie sei korrekt nach den aktuellen S3-Leitlinien für das Mammakarzinom erfolgt. Unter engmaschiger Kontrolle sollte die bisherige Therapie weitergeführt werden. Bei einer erneuten Progression sollte eine systemische Chemotherapie durchgeführt werden. Sollten die Knochenmetastasen schmerzhaft und bzw. oder frakturgefährdend werden, wäre eine lokale Bestrahlung die beste Behandlung. Diese aufgeführten Therapiemaßnahmen hätten eine gute Chance, die Erkrankung längerfristig zu stabilisieren. Das Mammakarzinom sei nicht die Tumorerkrankung mit einer positiven Beeinflussung durch dendritische Zellen. Dendritische Zellen dürften bei einem Mammakarzinom nur dann eingesetzt werden, wenn keine Therapieoption bestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr sei die Gefahr gegeben, dass die Patientin in der Hoffnung auf die dendritischen Zellen eine entsprechende Therapie nach den S3-Richtlinien ablehne.
14
Die Versicherte hat ausgeführt, gegen die Ausführungen des Sachverständigen beständen insoweit Bedenken, als dieser ausführe, dass der sog. Nikolaus-Beschluss des BVerfG nicht anwendbar sei. Außerdem hat sie nochmals auf die zitierte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zu Therapien mit dendritischen Zellen verwiesen. Auf diese könne insoweit verwiesen werden, als der Sachverständige arzneimittelrechtliche Bedenken gegen die Anwendung und Herstellung von dendritischen Zellen erhebe. Die Ausführungen zu § 31 SGB V bzw. § 4b AMG gingen in rechtlicher Hinsicht fehl. Auch die Ausführungen des Gutachters zum Beschluss des BVerfG vom 06.12.2015 sowie zu § 2 Abs. 1a SGB V zeigten eine insoweit unzutreffende Rechtsauffassung des Sachverständigen, mit welcher der Sachverständige seinen Gutachtensauftrag erheblich überschreite. Insoweit könne die Besorgnis der Befangenheit nicht ausgeschlossen werden. Soweit der Sachverständige zu dem Ergebnis gelange, dass der Einsatz von dendritischen Zellen nicht einem in Fachkreisen anerkannten Standard entspreche, sei dies ohne Aussagewert. Insoweit sei im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nach der konkreten Herstellung und Applikation durch das Labor Dr. G. zu fragen.
15
Die Versicherte hat den Behandlungsvertrag mit Dr. G. vorgelegt. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, der am 03.12.2014 unterzeichnete Behandlungsvertrag belege, dass die Versicherte den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe, denn die Beklagte habe erst nach Unterzeichnung des Vertrages von dem Antrag Kenntnis erlangt.
16
Am 29.11.2016 ist die Versicherte verstorben; der Kläger (Ehemann) hat mitgeteilt, dass er den Rechtsstreit fortführe.
17
Mit Urteil vom 05.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Ehefrau des Klägers habe zwar eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne von § 2 Abs. 1a SGB V vorgelegen. Nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. H. habe jedoch nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden können, dass eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode nicht zur Verfügung gestanden habe. Daher habe dahinstehen können, ob auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1a SGB V vorgelegen habe (nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf) bzw. ob der Beschaffungsweg nach § 13 Abs. 3 SGB V eingehalten worden sei.
18
Im Gutachten sei festgestellt worden, dass die bisherige Therapie bei der Ehefrau des Klägers korrekt nach den aktuellen S3-Leitlinien für das Mammakarzinom erfolgt sei und unter engmaschiger Verlaufskontrolle weitergeführt werden sollte. Außerdem sei darauf hingewiesen worden, dass bei einer erneuten Progression eine systemische Chemotherapie nach dem CMF-Schema oder dem „Gemcitabin/Carboplatin“-Schema durchgeführt werden sollte. Sollten die Knochenmetastasen schmerzhaft und/oder frakturgefährdend werden, wäre eine lokale Bestrahlung die beste Behandlung. Im Gutachten sei dargelegt worden, dass die aufgeführten Therapiemaßnahmen eine gute Chance hätten, die Erkrankung längerfristig zu stabilisieren. Gleichzeitig sei Prof. Dr. H. zu dem Ergebnis gekommen, dass das Mammakarzinom nicht eine Tumorerkrankung darstelle, die durch dendritische Zellen positiv beeinflusst werden könne. Dendritische Zellen könnten beim Mammakarzinom nur dann eingesetzt werden, wenn keine Therapieoption mehr bestehe.
19
Es habe daher nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis festgestellt werden können, dass keine andere Behandlungsalternative entsprechend dem medizinischen Standard bestanden habe. Insoweit treffe den Kläger die Darlegungssowie die objektive Beweislast.
20
Das Gutachten von Prof. Dr. H. erscheine auch schlüssig und überzeugend. Die Einwände der Klägerseite gegen das Gutachten hätten nicht überzeugen können. Soweit die Klägerseite sich auf ein positives Urteil des LSG Baden-Württemberg beziehe, sei zu berücksichtigen, dass sich hieraus keine andere Beurteilung ergebe. Auch insoweit wäre Voraussetzung für einen Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V, dass keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung gestanden habe. Dies habe im hier vorliegenden Verfahren nicht mit dem Vollbeweis nachgewiesen werden können. Insoweit liege daher ein Unterschied zu dem Sachverhalt vor, der der zitierten Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zugrunde gelegen habe. Für § 2 Abs. 1a SGB V komme es auf eine Prüfung für jeden konkreten Einzelfall an.
21
Soweit die Klägerseite geltend mache, dass Bedenken gegen das Gutachten beständen, nachdem der Gutachter ausführe, dass vorliegend der sog. Nikolaus-Beschluss des BVerfG nicht anwendbar sei, ergebe sich hieraus ebenfalls keine andere Beurteilung. Das Gericht könne nicht feststellen, dass der Gutachter insoweit von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Vielmehr habe der Gutachter die im BVerfG-Beschluss aufgestellten Voraussetzungen medizinisch überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass vorliegend die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, nachdem hier noch dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.
22
Soweit die Klägerseite geltend mache, dass die Ausführungen des Sachverständigen zum Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 sowie zu § 2 Abs. 1a SGB V eine unzutreffende Rechtsauffassung des Sachverständigen widerspiegelten, mit welcher der Sachverständige seinen Gutachterauftrag erheblich überdehne, sei darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um eine wortwörtliche Zitierung aus dem MDK-Gutachten handele. Es habe sich daher lediglich um eine Zusammenfassung der Aktenlage gehandelt, nachdem im Gutachten zunächst auch andere ärztliche Stellungnahmen und Unterlagen zusammengefasst worden seien. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass der Gutachter seinen Gutachterauftrag überdehnt habe. Vielmehr ergebe sich, dass er entsprechend dem Gutachtensauftrag und den gestellten Beweisfragen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1a SGB V geprüft und das Vorliegen der Voraussetzungen verneint habe.
23
Gegen das am 19.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat grundsätzliche Bedenken gegen die Person des Sachverständigen Dr. H. geäußert. Dieser sei bei Erstellung des Gutachtens bereits 75 Jahre alt gewesen und habe seit zehn Jahren nicht mehr ärztlich praktiziert. Auch die angegebenen Quellen belegten, dass das Gutachten sich nicht auf dem neuesten Stand der Fachpublikationen befinde. Die Therapie mit dendritischen Zellen sei jedoch gerade eine neuartige Therapie.
24
Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung habe nicht zur Verfügung gestanden. Bei der Versicherten habe keine in der Leitlinie genannte Indikation für eine Strahlentherapie (lokale Schmerzsymptomatik, Stabilitätsgefährdung, Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen, pathologische Frakturen, postoperativ nach chirurgischer Behandlung von Knochenmetastasen) vorgelegen. Auch eine operative Therapie (von Skelettmetastasen) zur Wiederherstellung oder dem Erhalt von Funktion und Stabilität der Knochenstrukturen sei nicht indiziert gewesen. Auch die weiteren genannten Therapieoptionen seien nicht anwendbar gewesen. Eine Chemotherapie habe die Versicherte bereits hinter sich gehabt; es seien aber Unverträglichkeiten aufgetreten. Eine weitere Chemotherapie habe sie wegen der Nebenwirkungen abgelehnt. Die Krankheit habe ein palliatives Stadium erreicht gehabt; die schulmedizinischen Methoden seien vollständig ausgeschöpft gewesen. Die dendritische Zelltherapie habe eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprochen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2017 (L 5 KR 1036/16, Rn. 52 ff.) verwiesen.
25
Zur Problematik des Beschaffungsweges hat der Kläger auf den Beschluss des BVerfG vom 19.03.2009 (1 BvR 316/09) hingewiesen. Im vorliegenden Fall seien dendritische Zellen erst am 22.01.2015 hergestellt worden; allein hierfür seien Kosten angefallen.
26
Im Erörterungstermin am 10.01.2019 haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich geschlossen, den die Beklagte später widerrufen hat.
27
Der Senat hat daraufhin den Sachverständigen Prof. Dr. C. (Arzt für Gynäkologie und Radiologie; Schwerpunkt: Gynäkologische Onkologie) mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.06.2019 ausgeführt, die bisherigen Gutachten basierten auf Leitlinien. Diese dürften allerdings nicht unbesehen als Grundlage für die ärztliche Praxis verwendet werden. Denn neben wissenschaftlichen Erkenntnissen, klinischen Studien, Experimenten, Grundlagenforschung und Anwendungsbeobachtungen gingen auch Expertenerfahrung und Einzelbeobachtung in den ärztlichen Alltag ein. Die streitgegenständliche Therapie sei zu tolerieren gewesen und habe mindestens längeres Überleben bewirkt als eine eventuelle Chemotherapie bei wesentlich geringeren Nebenwirkungen. Eine uneingeschränkte Therapiewahl zu Lasten der Solidargemeinschaft könne der Versicherten nicht zugestanden werden. Andererseits dürfe die Würde des Menschen keiner erzwungenen Fremdbestimmung unterliegen, z.B. durch Leitlinien, die nebenwirkungsreiche Medikamente vorgäben.
28
In der mündlichen Verhandlung am 05.09.2019 ist der Rechtsstreit vertagt worden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
29
Die Allgemeinmedizinerin D. hat auf Anforderung durch den Senat umfangreiche Unterlagen zur Behandlung der Versicherten 2015 und 2016 übersandt.
30
Der Senat hat sodann den Gynäkologen Prof. Dr. F. als Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.07.2020 ausgeführt, die Versicherte sei im Dezember 2011 an einem lobulär-invasiven Mammakarzinom rechts erkrankt. Es sei eine Ablatio mammae rechts mit Lymphonodektomie erfolgt, anschließend eine adjuvante Chemotherapie nach dem ETC-q-14 Protokoll, wobei die Taxangabe nach dem 3. Zyklus abgebrochen worden sei, und die Behandlung mit Cyclophosphamid fortgesetzt worden sei. Anschließend habe die Versicherte eine adjuvante Strahlentherapie sowie adjuvante antihormonelle Therapie mit Tamoxifen, später Anastrozol und einen Monat später Exemestan erhalten. Tamoxifen sei nicht toleriert worden.
31
Im Februar 2014 sei es zum Auftreten von osteolytischen Knochenmetastasen gekommen. Die Therapie sei auf Zometa (Biphosphonat) und Fulvestrant (500 mg) umgesetzt worden. lm September 2014 seien weitere kleine, osteoplastische Knochenmetastasen aufgetreten, wobei sich die osteolytischen Knochenmetastasen sklerosiert dargestellt hätten.
32
lm Januar 2015 sei die Behandlung mit autologen dendritischen Zellen erfolgt. Es finde sich kein Hinweis dafür, dass diese Behandlung in Kombination mit einer Chemotherapie erfolgt sei.
33
Bei einer reduzierten Fulvestrantdosis (250 mg) ab Mai 2015 sei die Krankheit bis Dezember 2015 stabil gewesen. Bei steigenden Tumormarkern sei die Fulvestrantdosis wieder auf 500 mg erhöht worden; das Biphosphonat sei auf die Antikörpertherapie mit Denosumab umgestellt worden. Allerdings sei es im Laufe der Zeit zu zunehmenden Knochenschmerzen gekommen, die weiter medikamentös mit antihormoneller Therapie behandelt worden seien, da die Versicherte eine Strahlentherapie abgelehnt habe.
34
lm September 2016 sei eine Knochenmarkkarzinose diagnostiziert worden. Ab dem 25.10.2016 seien Chemotherapien mit Vinorelbin und Capecitabine erfolgt.
35
Die Sinnhaftigkeit der Therapie mit dendritischen Zellen allein nach dem Prinzip von Dr. G. sei nicht belegt. Wenn, dann wäre diese nur in Kombination mit Chemotherapie sinnvoll gewesen, wie eine Studie zum Bauchspeicheldrüsenkrebs und andere Studien zum Mammakarzinom nahelegten. Beim Pankreaskarzinom sei die alleinige Therapie mit dendritischen Zellen schlechter als die mit alleiniger Chemotherapie gewesen. Da das Mammakarzinom als chemotherapiesensibler als Bauchspeicheldrüsenkrebs gelte, lasse sich mutmaßen, dass positive Effekte der Chemotherapie beim Mammakarzinom deutlicher ausgefallen sein dürften.
36
Auf das Gutachten wird im Übrigen verwiesen.
37
Der Kläger hat hierzu vorgetragen, der Sachverständige beschreibe eine - wohl erstmalig eingetretene - Stabilisierung des Krankheitsverlaufs im Jahr 2015, nachdem die Versicherte im Januar 2015 mittels dendritischer Zellen behandelt worden sei. Nicht zuletzt diese zeitliche Koinzidenz bestätige - was nach der Rechtsprechung angesichts der Schwere der potentiell tödlichen Erkrankung bereits hinreichend sei - die spürbar positive Beeinflussung des weiteren Krankheitsverlaufs vermittels der streitgegenständlichen Therapie.
38
Soweit der Sachverständige lediglich abstrakt darlege, welche weiteren Therapieoptionen zum Zeitpunkt der Behandlung mit der streitgegenständlichen Therapie bestanden hätten, bleibe unklar, welche der vermeintlich mannigfaltigen Therapieangebote, vornehmlich Chemotherapie mit unterschiedlichen Medikamenten bzw. einer Kombination derselben, bei der Versicherten tatsächlich konkret indiziert und darüber hinaus im hier zu entscheidenden Einzelfall verträglich gewesen wären. Hierzu treffe der Sachverständige keine Aussage. Stattdessen sei den Ausführungen zu entnehmen, dass auch solchen (theoretischen) Behandlungsalternativen jedenfalls keine bessere Erfolgsaussicht als der dendritischen Zelltherapie zugesprochen werden könne. Im Gegenteil: Der Sachverständige verweise darauf, dass - was nach der Rechtsprechung als Nachweis der potentiell positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufs bereits ausreichend sein könne - sich nach Studienlage Dr. G. mittels der dendritischen Zelltherapie eine signifikante Steigerung der Überlebensrate erzielen lasse. Angesichts des - letztlich unvermeidbaren - tödlichen Verlaufs sei eine Steigerung von 6,9 auf 8,9 Monate mittlerer Überlebenszeit für einen selbstbestimmten Patienten durchaus signifikant und erheblich. Soweit der Sachverständige in diesem Zusammenhang einen wissenschaftlichen Nachweis für eine kurative Wirkweise der dendritischen Zelltherapie vermisse, komme es darauf in rechtlicher Hinsicht nicht an. Auch die potentiell von ihm benannten Chemotherapien wirkten nicht kurativ; andernfalls wäre der regelhaft tödliche Verlauf beim metastasierenden Mamma-Karzinom nicht zu erklären. Der Sachverständige lege daher an die streitgegenständliche Therapie tatsächlich einen strengeren evidenzbasierten Maßstab an als an die herkömmlichen Therapien - dies sei bedenklich, jedoch nicht streiterheblich, da es auf eine „Heilungsaussicht“ nicht ankomme. Es reiche vielmehr nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass eine auf (einzelnen) Indizien basierende positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs nicht ausgeschlossen werden könne. So liege es hier.
39
Der Sachverständige äußere sich nicht zur - entscheidungserheblichen - Frage der Unverträglichkeit und Nebenwirkungen der aus Sicht des Sachverständigen wohl allein vorrangigen Chemotherapie. Schon deshalb könnten und dürften die Feststellungen des Sachverständigen jedenfalls insoweit nicht Grundlage einer Entscheidungsfindung durch das Gericht sein. Im Ergebnis bleibe lediglich festzuhalten, dass jedenfalls die dendritische Zelltherapie keine nennenswerten Nebenwirkungen zeitige.
40
Der Sachverständige habe nicht dargelegt, ob bei einer Behandlung mittels dendritischer Zellen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden habe.
41
Soweit der Sachverständige im Übrigen ausführe, gerade die Studie von Dr. G. widerspreche der von der Versicherten gewählten Therapie, sei dies weder nachvollziehbar noch begründbar. Jede Form der Krebsbekämpfung - erst recht in einem weit fortgeschrittenen Stadium - sei multimodal, fuße also auf mehreren Therapieansätzen. Insoweit erhebe die dendritische Zelltherapie - erst recht nicht im Falle der Versicherten - einen (gemeint wohl: keinen) Ausschließlichkeitsanspruch. Auf sie sei zurückgegriffen worden, als die Versicherte bereits alle anderen Therapieformen nachweislich bereits in Anspruch genommen gehabt habe. Sowohl Chemo- als auch Strahlentherapie seien durchgeführt worden. Der Sachverständige prüfe nicht den Einzelfall, wenn er aus abstrakten Veröffentlichungen von Dr. G. ableite, dass vorliegend primär andere Therapien vorrangig gewesen seien.
42
Maßgeblich und letztlich streitentscheidend seien folgende Aussagen des Sachverständigen auf Seite 12 des Gutachtens; dort heiße es: „Es gibt Hinweise auf Wirksamkeit“. Das sei juristisch ausreichend. Evidenzbasierte Phase III-Studien zur dendritischen Zellbehandlung werde es aus naheliegenden Gründen nicht geben. Der Sachverständige beschränke sich auf eine allgemein gehaltene Kritik, wonach man nicht davon ausgehen könne, dass die dendritische Therapie einen kurativen Ansatz verfolge. Das werde weder behauptet noch komme es streiterheblich darauf an. Die Aussagen des Sachverständigen gingen auch insoweit am Gutachtenauftrag vorbei, seien jedenfalls aber zumindest nicht relevant für den Ausgang des Rechtsstreits.
43
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 05.04.2017 sowie den Bescheid vom 22.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Behandlung der Versicherten C. A. mit dendritischen Zellen gemäß Rechnung des Labors Dr. G. vom 22.01.2015 in Höhe von 6.353,15 Euro zu erstatten.
44
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

46
Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
47
Sie ist jedoch nicht begründet; das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger als (Sonder-)Rechtsnachfolger der Versicherten hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Kosten.
48
1. Eine Genehmigungsfiktion kommt nicht in Betracht. Der Antrag wurde nicht vor dem 03.12.2014 gestellt und am 19.12.2014 durch telefonischen Verwaltungsakt (dazu Pattar, in: jurisPK-SGB X, § 37 Rn. 40) abgelehnt. Damit wurde die Drei-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V eingehalten.
49
2. Auch ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V („unaufschiebbare Leistung“) scheidet aus.
50
Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Soweit der 1. Senat des BSG früher hierzu formuliert hat, dass der Kostenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung nur begründet werden kann, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten, hält er hieran nicht fest. Diese Sicht ist zu eng und vernachlässigt die Normstruktur des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Alternative zur rechtswidrigen Ablehnung des Antrags (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V) besteht gerade, um Eilsituationen aufgrund der Unaufschiebbarkeit Rechnung zu tragen, bei denen der Versicherte die Entscheidung seiner Krankenkasse nicht mehr abwarten kann. Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, Rn. 15 m.w.N.).
51
Die streitgegenständliche Leistung war nicht unaufschiebbar in diesem Sinne. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Versicherte sich die Leistung erst nach der Entscheidung der Beklagten verschafft hat. Die Beklagte hat am 19.12.2014 mündlich und am 22.12.2014 schriftlich über den Antrag der Versicherten entschieden. Die streitgegenständliche Leistung wurde erst am 22.01.2015 erbracht und der Versicherten in Rechnung gestellt.
52
3. Schließlich kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V („zu Unrecht abgelehnt“) stützen.
53
a) Zwar hat die Versicherte den Beschaffungsweg eingehalten, weil die Leistungsablehnung kausal für das Entstehen der streitgegenständlichen Kosten war („und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden“).
54
Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (Helbig, in: jurisPK-SGB V, Stand 9/2020, § 13 Rn. 75). An einem Ursachenzusammenhang fehlt es auch dann, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Eine derartige Vorfestlegung ist beispielsweise gegeben, wenn schon vor der Bekanntgabe der Entscheidung die Rechnung des Leistungserbringers im Wege der Vorkasse bezahlt und die Reise zum Behandlungsort fest gebucht wird (BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, Rn. 9; Helbig, a.a.O., Rn. 77).
55
So liegt der Fall hier nicht. Die Versicherte hat sich die streitgegenständliche Leistung erst nach der Entscheidung der Beklagten beschafft. Wie bereits dargelegt, hat die Beklagte am 19.12.2014 mündlich und am 22.12.2014 schriftlich über den Antrag der Versicherten entschieden. Die streitgegenständliche Leistung wurde erst am 22.01.2015 erbracht und der Versicherten in Rechnung gestellt. Die Versicherte hatte sich auch nicht unabhängig von der Entscheidung der Beklagten auf die streitgegenständliche Behandlung bei Dr. G. festgelegt. Zwar hatte die Versicherte bereits am 03.12.2014 einen „Auftrag zur Herstellung dendritischer Zellen und Einwilligungserklärung“ unterzeichnet. Damit ist sie allerdings keine bindende rechtliche Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung des streitgegenständlichen Geldbetrages, eingegangen. Es handelt sich weitgehend um einen Informations- und Aufklärungstext. Dem entspricht, dass Dr. G. vor dem SG ausgesagt hat, am 03.12.2014 habe nur ein „Beratungsgespräch zum Antrag für die Krankenkasse“ stattgefunden. Die Versicherte hat also keine Vorkasse geleistet; eine Rechnung wurde erst am 22.01.2015 erstellt. Die Versicherte hätte sich von dem „Auftrag“ ohne negative Rechtsfolgen distanzieren können.
56
b) Die Beklagte hat die streitgegenständliche Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt.
57
aa) Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat in beiden Regelungsalternativen einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (Primäranspruch) zur Grundvoraussetzung. Das war schon unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) für den richterrechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung anerkannt und ist seit der positivrechtlichen Normierung unbestritten, weil der Erstattungsanspruch den durch Zweckerreichung erloschenen (primären) Sach- und Dienstleistungsanspruch ersetzt bzw. an dessen Stelle tritt. Der Primäranspruch ergibt sich grundsätzlich aus dem materiellen Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB V, kann aber auch auf verwaltungsrechtlichem Vertrag oder Verwaltungsakt beruhen (Helbig, a.a.O., Rn. 52).
58
Nicht erstattungsfähig sind mithin Kosten für ausgeschlossene Leistungserbringer (z.B. Heilpraktiker) und für ausgeschlossene Leistungen (z.B. nicht zugelassene Arzneimittel). Die Grenzen des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben auch bei ärztlichen Aufklärungsmängeln maßgeblich. Grundsätzlich besteht auch keine (primäre) Leistungspflicht der Krankenversicherung bei einem zulassungsüberschreitenden Einsatz (sog. off-label-Gebrauch) von Arzneimitteln. Das Gleiche gilt bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, für die noch keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gemäß § 135 SGB V vorliegt (Helbig, a.a.O., Rn. 53).
59
bb) Die streitgegenständliche Behandlung einer Brustkrebserkrankung mit dendritischen Zellen stellt eine solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar. Eine Empfehlung des G-BA nach § 135 SGB V lag im Zeitpunkt der Behandlung nicht vor.
60
cc) Ein Primäranspruch ergibt sich nicht aus einem Systemmangel. Die Besonderheit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen von § 13 Abs. 3 SGB V liegt darin, dass - nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BSG - für diesen Bereich eine spezifische Form des Systemmangels anerkannt ist. Ein Kostenerstattungsanspruch kommt danach in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Das ist (abstrakt) der Fall bei einer unsachgemäßen Behandlung durch den Ausschuss oder die antragsberechtigten Stellen. Ein Systemmangel liegt beispielsweise vor, wenn das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. Hat der G-BA eine (negative) Entscheidung getroffen, kann sich ein Systemversagen aus der Verletzung der ihm obliegenden Beobachtungspflicht ergeben (Helbig, a.a.O., Rn. 55).
61
Anhaltspunkte für eine solche Fallkonstellation sieht der Senat vorliegend nicht.
62
dd) Auch eine seltene Erkrankung liegt nicht vor (sog. Seltenheitsfall). Bei sehr seltenen Krankheiten, die weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden können, darf für die Leistungsgewährung keine vorherige Anerkennung in den Richtlinien zur Anspruchsvoraussetzung erhoben werden (Helbig, a.a.O., Rn. 56).
63
Dies trifft auf die Erkrankung der Versicherten nicht zu. Brustkrebs ist mit etwa 30,5 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in allen Staaten der industrialisierten Welt. (www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal).
64
ee) Schließlich kann der Kläger einen Primäranspruch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V stützen.
65
Ein Kostenerstattungsanspruch kann sich bei neuen Behandlungsmethoden schließlich wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation ausnahmsweise unter Berücksichtigung grundrechtlicher Belange ergeben. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der GKV ausgeschlossen, weil der zuständige Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt hat, verstößt nach dieser Rechtsprechung des BVerfG gegen das GG, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
66
a) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor.
67
b) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.
68
c) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
69
Durch das GKV-VStG sind die vom BVerfG entwickelten Grundsätze ab 01.01.2012 in Gesetzesrang (§ 2 Abs. 1a SGB V) erhoben worden.
70
§ 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V lautet:
71
Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
72
(1) Der Senat lässt offen, ob die Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BSG litt.
73
Danach ist eine Erkrankung lebensbedrohlich, wenn sie in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Es genügt hierfür nicht, dass die Erkrankung unbehandelt zum Tode führt. Dies trifft auf nahezu jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zu. Die Erkrankung muss trotz des Behandlungsangebots mit vom Leistungskatalog der GKV regulär umfassten Mitteln lebensbedrohlich sein. Kann einer Lebensgefahr mit diesen Mitteln hinreichend sicher begegnet werden, besteht kein Anspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts. Die notstandsähnliche Situation muss sich nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles ergeben. Ein nur allgemeines mit einer Erkrankung verbundenes Risiko eines lebensgefährlichen Verlaufs genügt hierfür nicht. So reicht es z.B. nicht aus, dass allgemein Pneumonien unter den Infektionskrankheiten in den industrialisierten Ländern die häufigste Todesursache darstellen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl. 2014, Stichwort Pneumonie). Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 20.03.2018, B 1 KR 4/17 R, Rn. 21 mit zahlreichen Nachweisen).
74
Das BVerfG hat es dabei ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich „erst“ in einigen Jahren zum Tod führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, Rn. 22, unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98).
75
Zwar hat vorliegend der MDK in seinem Gutachten vom 16.02.2015 ausgeführt, bei einem metastasierten Tumorleiden sei eine lebensbedrohliche Erkrankung belegt.
76
Dagegen hat der Sachverständige Prof. Dr. C. dargelegt, die Situation 2014/2015 sei keinesfalls akut lebensbedrohlich gewesen, da vital notwendige Organe noch nicht vom Tumor befallen gewesen seien. Bei Knochenmetastasen sei ein längeres Überleben, teilweise sogar über Jahre, durchaus möglich. Allerdings führten die Knochenmetastasen erfahrungsgemäß immer zu einem weiteren Progress der Tumorerkrankung in vital notwendige Organe wie Leber, Lunge, Gehirn und andere und seien daher regelmäßig tödlich.
77
Schließlich hat der Sachverständige Prof. Dr. F. ausgeführt, dass es sich bei einem metastasierten Mammakarzinom um eine Erkrankung handele, die als lebensbedrohlich oder als regelmäßig tödlich verlaufend zu bezeichnen sei. Allerdings gelte ein ausschließlich ossär metastasiertes Mammakarzinom als eine Erkrankung mit einer vergleichsweise günstigen Prognose. Eine Analyse von Briasoulis et al. (2004) zeige, dass nach der Diagnose von Knochenmetastasen die mittlere Überlebenszeit bei 72 Monaten liege. In manchen Fällen könnten Überlebenszeiten von 20 Jahren und mehr erreicht werden.
78
Danach ist für den Senat zweifelhaft, ob die Erkrankung der Versicherten im Dezember 2014 bzw. Januar 2015 bereits so weit fortgeschritten war, dass nach den konkreten Umständen des Falles die Gefahr bestand, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen würde. Angesichts der Tatsache, dass jedenfalls eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung noch zur Verfügung stand (siehe unten), kann dies aber letztlich dahinstehen.
79
(2) Für die Erkrankung der Versicherten stand eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung noch zur Verfügung. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat insoweit folgende Behandlungsoptionen genannt:
a) Antihormonelle Therapie: hoch dosierte Gestagene oder die Kombination von Exemestan und Everolimus
b) Chemotherapie: Monochemotherapie mit verschiedenen Substanzen wie Vinorelbin, Capecitabin, Gemcitabin, Carboplatin, Eribulin, NabPaclitaxel u.v.a.m.
c) Chemotherapie mit antiangiogenetischer Therapie: Die unter b) genannten in Kombination mit Bevacizumab.
80
Der Sachverständige Prof. Dr. F. verfügt über besondere Expertise im Bereich der alternativen und komplementären Therapien. Er hat hierzu bereits publiziert und steht als Ansprechpartner des Arbeitskreises Komplementäre Medizin im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft zur Verfügung.
81
Auch der Sachverständige Prof. Dr. H. hat bestätigt, dass eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung noch zur Verfügung stand. Er hat ausgeführt, dass bei einer erneuten Progression eine systemische Chemotherapie nach dem CMF-Schema oder dem „Gemcitabin / Carboplatin“ - Schema durchgeführt werden sollte. Auch andere Schemata hätten verwendet werden können.
82
Schließlich hat auch der Sachverständige Prof. Dr. C. bestätigt, dass die Leitlinientherapie dem medizinischen Standard entspricht und allgemein von allen Standesvertretern und Medizinfunktionären akzeptiert ist. Er hat die Vorgutachten des MDK und von Prof. Dr. H. insoweit als korrekt bezeichnet.
83
Die Ausführungen sind schlüssig und überzeugend. Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
84
(a) Der Kläger moniert, dass der Sachverständige Prof. Dr. F. lediglich abstrakt darlege, welche weiteren Therapieoptionen zum Zeitpunkt der Behandlung mit der streitgegenständlichen Therapie bestanden hätten. Es bleibe unklar, welche der vermeintlich mannigfaltigen Therapieangebote bei der Versicherten tatsächlich konkret indiziert und darüber hinaus im hier zu entscheidenden Einzelfall verträglich gewesen wären. Hierzu treffe der Sachverständige keine Aussage. Stattdessen sei den Ausführungen zu entnehmen, dass auch solchen (theoretischen) Behandlungsalternativen jedenfalls keine bessere Erfolgsaussicht als der dendritischen Zelltherapie zugesprochen werden könne.
85
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Sachverständige konkret angegeben hat, die von ihm genannten Therapieoptionen hätten „der Klägerin“ zur Verfügung gestanden. Es handelt sich also nicht um eine allgemeine, sondern um eine einzelfallbezogene Aussage. Dem Sachverständigen lagen alle verfügbaren medizinischen Informationen vor; der Senat sieht keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass er auf dieser Grundlage jeden der genannten Behandlungsansätze für die Versicherte in ihrer damaligen Situation als geeignet angesehen hat. Es muss nicht festgestellt werden, dass eine der genannten Optionen für die Versicherte am ehesten geeignet gewesen wäre; dementsprechend handelt es sich insoweit auch nicht um einen Mangel des Gutachtens.
86
Eine Verweisung der Versicherten auf die von den Sachverständigen genannten Therapieoptionen setzt nicht die Feststellung voraus, dass diese eine bessere Erfolgsaussicht gehabt hätten als die Therapie mit dendritischen Zellen. Wenn ein Vergleich der Erfolgsaussichten nicht sinnvoll möglich ist, weil es - wie der Sachverständige Prof. Dr. F. ausgeführt hat - an Informationen über die Erfolgsaussichten einer Behandlung mit dendritischen Zellen nach dem Konzept von Dr. G. fehlt, ist eine Verweisung auf zugelassene Therapien möglich.
87
(b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass drohende schwere Nebenwirkungen sämtliche von den Sachverständigen genannten allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Therapien im Fall der Versicherten ausgeschlossen hätten.
88
Nach der Rechtsprechung des BSG stehen Fälle, in denen überhaupt keine Behandlungsmethode zur Verfügung steht, jenen Fällen gleich, bei denen es zwar grundsätzlich eine solche anerkannte Methode gibt, diese aber bei dem konkreten Versicherten wegen des Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken nicht angewandt werden kann. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, die eine weitere Anwendung der Standard-Arzneimitteltherapie ausschließen, und auch die Anwendung eines (weiteren) anderen anerkannten Arzneimittels ausscheidet (BSG, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, Rn. 31 m.w.N.).
89
So liegt der Fall hier nicht. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sämtliche von den Sachverständigen genannten zugelassenen Therapien speziell im Einzelfall der Versicherten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen geführt hätten. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es sich um Nebenwirkungen handeln müsste, die deutlich über typische, regelmäßig auftretende Nebenwirkungen bestimmter Therapien hinausgehen. Denn typische, regelmäßig auftretende Nebenwirkungen sind in der Fachwelt bekannt; wenn sie dort als zu gravierend angesehen würden, wäre die entsprechende Therapie nicht allgemein anerkannt bzw. entspräche nicht dem medizinischen Standard. Daher schließen typische, regelmäßig auftretende Nebenwirkungen die Anwendung allgemein anerkannter, dem medizinischen Standard entsprechender Therapien nicht aus. Darin liegt - anders als dies der Sachverständige Prof. Dr. C. sieht - weder eine erzwungene Fremdbestimmung noch ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Dass entsprechende Therapien im vorliegenden Fall noch zur Verfügung standen, haben die Sachverständigen übereinstimmend bestätigt (s.o.).
90
(3) Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand. Dies ist angesichts der Ausführungen unter (2) nicht mehr entscheidungserheblich.
91
Damit gehen auch die diesbezüglichen Einwände des Klägers gegen das Gutachten des Prof. Dr. F. ins Leere. Im Übrigen stellt die unterbliebene Beantwortung von Frage 7 keinen Mangel des Gutachtens von Prof. Dr. F. dar. Die Frage lautete: „Wenn Frage 4 verneint wird: Bestand bei einer Behandlung mittels dendritischer Zellen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf?“. Da der Sachverständige Frage 4 nicht verneint hatte - er hatte vielmehr dargelegt, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stand - war Frage 7 nicht mehr zu beantworten.
92
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
93
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegiert. Denn als Ehemann, der bis zum Tod der Versicherten mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ist er Sonderrechtsnachfolger im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I.
94
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.