Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 07.12.2020 – AN 19 K 20.30605
Titel:

Erfolglose Asylklage einer Iranerin

Normenkette:
AsylG § 3, § 4, § 71
Leitsatz:
Wird ein Asylerstantrag im Rahmen der Dublin III-Regelungen als unzulässig abgelehnt, ergeht insoweit lediglich eine Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands, was nicht mit einer unanfechtbaren Ablehnung eines ersten Asylantrages gleichzusetzen ist. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Iran, Asyl, kein Verfolgungsgrund bei häuslicher (sexueller) Gewalt, Asylklage, Erstantrag, Folgeantrag, Asylgrund, häusliche Gewalt, kriminelles Unrecht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38999

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Tatbestand

1
Bei der Klägerin handelt es sich um eine iranische Staatsangehörige persischer Volkszugehörigkeit und schiitisch-muslimischen Glaubens. Die Klägerin stellte einen Asylantrag am 31. März 2020 beim Bundesamt für ... (Bundesamt). Der Asylerstantrag unter dem Bundesamtsaktenzeichen … wurde im Rahmen eines Dublin-Verfahrens durch Bescheid vom 26. September 2019 als unzulässig abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Abschiebung der Klägerin nach Italien angeordnet. Die Überstellung der Klägerin nach Italien erfolgte am 14. Januar 2020. Gemäß EURODAC-Treffer hat sich die Klägerin seit dem 19. Januar 2020 wieder in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Nach Ablehnung des Übernahmeersuchens durch Italien ist das Verfahren in das sog. nationale Verfahren übergegangen. Im Rahmen der Antragstellung führt die Klägerin schriftlich aus, dass es für sie in Italien keinen geeigneten Wohnort gegeben habe, und sie dort immer noch nicht sicher gewesen sei. Sie sei eine alleinstehende Frau, welche in ihrem Heimatland keine Sicherheit und keine Freiheit gehabt habe. In Deutschland könne sie aufgrund der hiesigen Einrichtungen, der Sicherheit und der Möglichkeiten für Einwanderer eine „bessere Sicherheit“ haben (Bl. 38 der Bundesamtsakte). Im Rahmen des Asylerstverfahrens gab die Klägerin am 29. August 2019 in ihrer persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt an, dass sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Teheran gelebt und als Aufsichtsperson in einer Pension gearbeitet habe. Sie habe ihr Heimatland wegen ihres Bruders verlassen. Dieser sei nämlich süchtig nach Chrystal gewesen. Eines Tages habe ihr Bruder ihr einen Tee gekocht, von dem die Klägerin bewusstlos geworden sei. Als sie wieder wach geworden sei, habe sie Schmerzen unterhalb des Magens gehabt und festgestellt, dass jemand an ihrer Brust gebissen habe. An einem anderen Tag sei sie allein mit ihrem Bruder zuhause gewesen. Bei dieser Gelegenheit habe ihr Bruder ihr auf seinem Handy eine Videoaufnahme gezeigt, auf der sie nackt zu sehen gewesen sei. Außerdem sei auf der Videoaufnahme Geschlechtsverkehr mit der Klägerin zu sehen gewesen. Ihr Bruder habe das Video aufgenommen, als die Klägerin bewusstlos gewesen sei. Der Bruder selbst sei auf der Aufnahme nicht zu sehen gewesen. Ihr Bruder habe gedroht, dass er das Video über Facebook veröffentlichen werde, wenn sie ihm nicht weiterhin gefügig sein solle. Sie habe aufgrund dessen Angst um ihr Ansehen gehabt. Die Klägerin sei einen Monat lang jeden Tag von ihrem Bruder belästigt worden. Sie habe nicht in eine andere Provinz gehen können, da sie dort niemanden habe und gefürchtet habe, dass ihr Bruder sie dort finden werde. Sie habe sich auch nicht an die Behörden wenden können, da ihr Bruder nicht auf den Aufnahmen zu sehen gewesen sei und sie daher keinen Beweis gegen ihn gehabt habe. Ende des 6. Monats 1395 (entspricht Mitte September 2016) habe die Klägerin auf dem Luftweg Iran verlassen und sei über die Türkei nach Serbien geflogen. Über Bosnien, Kroatien, Slowenien, Italien und Frankreich sei sie schließlich in die Bundesrepublik Deutschland gereist.
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Mit Bescheid vom 24. Juni 2020 wurde der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1) und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheids wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde zudem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids zu verlassen (Ziffer 5). Gleichzeitig wurde die Abschiebung in den Iran angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
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Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, dass dieser zwar zulässig sei, weil Wiederaufgreifensgründe im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Denn im Asylerstverfahren sei der Asylantrag als unzulässig bewertet und die Gründe bezüglich der Ausreise aus dem Iran nicht überprüft worden, sodass nunmehr eine vollumfängliche materiell rechtliche Entscheidung notwendig sei.
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Allerdings lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung nicht vor. Denn soweit die Klägerin vorgetragen habe, durch ihren Bruder verfolgt worden zu sein, sei lediglich ein krimineller Hintergrund anzunehmen, der an keines der Merkmale, Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung anknüpfe, welche allein Flüchtlingsschutz begründen könnten. Die vorgetragene Bedrohung durch den Bruder stelle eine reine Straftat dar, jedoch keinen asylrechtlichen Verfolgungsgrund.
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Der Klägerin drohe zudem kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG (subsidiärer Schutz). So bestünden bereits Zweifel, ob die von der Klägerin vorgetragene Bedrohung durch ihren Bruder überhaupt stattgefunden habe. Die Klägerin habe nämlich angegeben, sie habe Ende des 6. Monats 1395 (= Mitte September 2016) Iran auf dem Luftweg verlassen. Das Video von ihrem angeblichen Missbrauch habe der Bruder einen Monat vorher aufgenommen. Allerdings habe die Klägerin gemäß ihren Angaben bereits drei bis vier Monate vor ihrer Ausreise aus Iran bei der griechischen Botschaft ein Visum beantragt. Sie habe in der griechischen Botschaft angegeben, dass sie nicht in Griechenland bleiben, sondern nach Deutschland reisen wolle. Zur Begründung habe sie angegeben, dass sie Deutschland im Allgemeinen möge. Dass sich die Klägerin bereits lange vor den angeblichen Belästigungen durch ihren Bruder um ein Visum bemüht habe, um nach Deutschland zu gelangen, vermittle den Eindruck, dass sie bereits lange eine Einwanderung nach Deutschland geplant und die Probleme mit ihrem Bruder nur erfunden habe, um ein Asylbegehren in Deutschland begründen zu können.
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Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens wäre die Klägerin jedoch in einem solchen Fall auf innerstaatlichen Schutz durch die Gerichte, Polizei und Behörden im Iran zu verweisen. Eine staatliche Verfolgung habe der Klägerin nach eigenen Angaben nicht gedroht. Sie sei vielmehr ausschließlich durch den eigenen Bruder als nichtstaatlichem Akteur bedroht worden, ohne sich deshalb überhaupt hilfesuchend an andere Familienmitglieder oder an staatliche oder nichtstaatliche Hilfsorganisationen gewandt zu haben.
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Dass der Bruder, selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens, ein angebliches Video veröffentlichen würde, sei unwahrscheinlich, da er auf diese Weise selbst das Begehen einer strafbaren Handlung öffentlich machen und sich möglicherweise der Strafverfolgung aussetzen würde.
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Nicht zuletzt wäre es der Klägerin auch zumutbar gewesen, sich an die durchaus existierenden staatlichen wie nichtstaatlichen Organisationen zu wenden, die sich im Iran um gewaltleidende Frauen und Kinder kümmern würden.
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Nach den Erkenntnissen des Schweizerischen Staatssekretariats für Migration bestehe im Iran ein vielfältiges Angebot staatlicher und zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen, welche sich auch um Gewaltopfer kümmern würden. Allen sei ein aufrichtiges Bemühen um pragmatische Lösungen für sozial Benachteiligte und gewaltleidende Frauen und Kinder zu Gute zu halten. Die entsprechenden Angebote würden im gesamten Iran existieren, wenn auch spärlicher in ländlichen Gegenden (vgl. Schweiz/Staatssekretariat für Migration SEM; Focus Iran: Häusliche Gewalt, 27.2.2019).
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Genauso wenig habe die Klägerin versucht, durch einen Wegzug innerhalb ihres Heimatlandes der Bedrohung durch den Bruder zu entgehen.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen (Bl. 88 ff. der Behördenakte).
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Am 9. Juli 2020 erschien die Klägerin vor der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach und stellte folgenden Klageantrag:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 24. Juni 2020, Az. …, zugestellt am 1. Juli 2020, wird aufgehoben.
2. Das Bundesamt wird verpflichtet, mich als Asylberechtigte anzuerkennen, die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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Weiterhin wird beantragt,
das Bundesamt für ... zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Mit Schriftsatz vom 14. August 2020 ließ die Klägerin durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen.
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Durch Beschluss der 19. Kammer vom 17. September 2020 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020 erschien weder die Klägerin noch ein Vertreter.
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Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung sowie auf die Gerichts- und Behördenakten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020 entschieden werden. Die Klägerin ist ausweislich der Gerichtsakten ordnungsgemäß geladen und auf die Folge des Ausbleibens hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
19
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Asylanerkennung noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote liegen nicht vor.
20
Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt in eigenen Rechten, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21
1. Vorab ist zwar festzustellen, dass nach Auffassung der erkennenden Einzelrichterin die Behandlung des Asylantrags der Klägerin als Folgeantrag durch das Bundesamt fehlerhaft war, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. So fehlt es hier an einer „unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrages“, weil der Asylerstantrag der Klägerin lediglich im Rahmen von § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, mithin über das eigentliche Asylvorbringen der Klägerin bis zum Erlass der streitgegenständlichen Entscheidung noch zu keinem Zeitpunkt - weder in Deutschland noch in Italien - entschieden worden war. Insoweit ist lediglich eine Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands im Rahmen der sog. Dublin-IIIRegelungen ergangen; diese ist jedoch nicht mit einer „unanfechtbaren Ablehnung“ des ersten Asylantrages gleichzusetzen (vgl. in diesem Sinne auch Dickten in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 27. Edition, Stand: 01.10.2020, Rn. 4-6a; BeckOK MigR/Camerer, 6. Ed. 1.10.2020, AsylG § 71; aA Bergmann/Dienelt/Bergmann, 13. Aufl. 2020, AsylG § 71 Rn. 7 - jeweils beck-online). Eine andere Auffassung würde dazu führen, dass die Gründe, die für den Asylantrag geltend gemacht werden, unter Umständen von keinem Staat geprüft würden und die nationalen sowie die internationalen Schutzgarantien ins Leere liefen. Dies gilt insbesondere, wenn keine Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden können.
22
Allerdings führt die unrichtige Sachbehandlung des Asylantrags nicht zu einer Rechtsverletzung der Klägerin, weil das Bundesamt durch die Bejahung der Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages in eine vollumfängliche Sachprüfung eingetreten ist. Zudem ist hier maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG, so dass die Klägerin ausreichend Gelegenheit hatte, ihr Asylbegehren darzutun.
23
Daher war nicht zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmeantrag gemäß § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG vorliegen. Allerdings sieht das Gericht - anders als das Bundesamt - keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes, weil sich die Klägerin insbesondere nicht auf eine geänderte Sach- oder Rechtslage berufen kann. Letztlich macht sie im Rahmen ihres Asylverfahrens, welches nach dem Scheitern der Überstellung nach Italien, im nationalen Verfahren fortgeführt wird, dieselben Gründe geltend, die sie bereits vor ihrer Überstellung dargelegt hat. Allerdings ist das Vorbringen der Klägerin hier im Rahmen des Asylerstverfahrens zu würdigen (s.o.), so dass aus der unrichtigen verfahrensmäßigen Behandlung des Antrags der Klägerin keine Rechtsverletzung resultiert.
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2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG (2.1) und ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG (2.2).
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2.1 Da die Klägerin von Italien aus und somit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, kann sie sich nicht auf das Grundrecht der Asylanerkennung berufen, Art. 16a Abs. 2 GG.
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2.2 Die Klägerin ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG.
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Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Als Fluchtgrund führt die Klägerin allein den sexuellen Missbrauch durch den Bruder und dessen Drohung, das Video zu veröffentlichen, an.
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Allgemein ist zur Glaubhaftmachung folgendes auszuführen: Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
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Selbst wenn die Missbrauchshandlungen durch den Bruder und Dritte, ermöglicht und gefilmt durch den Bruder, so stattgefunden haben, wie es die Klägerin gegenüber dem Bundesamt ausgeführt hat, stellen diese keine asylrelevanten Tatsachen dar. Insoweit wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG abgesehen. Diesem wurde im gesamten gerichtlichen Verfahren nichts Wesentliches entgegengesetzt.
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An dieser Stelle sei lediglich noch einmal hervorgehoben, dass es für Frauen, die Opfer von (sexuellen) Gewalttaten werden, nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln durchaus Hilfsangebote im Iran gibt. Die Klägerin hat sich jedoch darüber offenkundig nicht einmal informiert, sondern sich stattdessen und ausschließlich um ihre Ausreise bemüht. So verständlich der Wunsch nach Sicherheit und Schutz im Falle erlebter häuslicher sexueller Gewalt auch erscheinen mag, ist die Klägerin dennoch auf innerstaatliche Schutzangebote zu verweisen, zumal sie keine verfahrensrelevante Verfolgung - hinreichend konkret und substantiiert - dargelegt hat.
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3. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
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Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
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Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da die Klägerin auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
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4. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
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5. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 24. Juni 2020 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
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Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
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6. Ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht nicht, da keine hinreichenden Erfolgsaussichten vorliegen. Über den Antrag konnte mangels Entscheidungsreife nicht vor der mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil zwar die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben, jedoch keine Klagebegründung eingereicht wurde, so dass die Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, nicht beurteilt werden konnte.