Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.09.2020 – 9 ZB 20.31760
Titel:

Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Normenkette:
AsylG § 78 Abs. 3
Leitsätze:
1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden im Gewand einer Grundsatzrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltend gemacht, stellt dies keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG dar. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Sierra Leone), Sierra Leone, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, alleinerziehend, Existenzminimum, Lebensunterhalt, Erwerbsfähigkeit, Grundsatzrüge
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.07.2020 – M 30 K 17.41654
Fundstelle:
BeckRS 2020, 24839

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Klägerin ist Staatsangehörige Sierra Leones und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 16. Juni 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
3
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 - 9 ZB 18.30670 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
4
Die Klägerin sieht eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, ob eine alleinerziehende Frau mit zwei Kleinkindern in Sierra Leone leben kann und ob das wirtschaftliche Existenzminimum für diese gewährleistet ist. Die Frage ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 4.7.2019 - 1 C 45/18) ausgeführt hat, dass bei einer realitätsnahen, aber hypothetischen Rückkehrprognose anzunehmen sei, dass die Klägerin nicht nur mit ihrer in Deutschland geborenen Tochter, sondern auch mit dem Vater dieser Tochter und eines weiteren zu erwartenden Kindes, im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehren werde.
5
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist davon ausgegangen, dass die Klägerin mit elfjähriger Schulbildung und ehemals einem selbständigen Getränke- und Kleiderhandel als gesunde, voll erwerbsfähige und junge Frau in der Lage sein werde, einen hinreichenden Lebensunterhalt zu sichern. Es hat zudem ausführlich die familiäre Situation der Klägerin und eventuelle Unterstützungsmöglichkeiten - auch unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten Erwerbsfähigkeit des Vaters der in Deutschland geborenen Tochter - gewürdigt. Die Frage ist somit auch nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2020 - 9 ZB 20.31477 - juris Rn. 4). Abgesehen davon setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander und legt auch nicht anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen) dar, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2020 - 9 ZB 20.30142 - juris Rn. 3).
6
Soweit die Klägerin anführt, das Verwaltungsgericht sei nur von einem Kind ausgegangen und die Klägerin habe inzwischen zwei Kinder von ihrem Lebensgefährten, ändert dies nichts. Denn einerseits hat das Verwaltungsgericht ein weiteres zu erwartendes Kind der Klägerin bereits mitberücksichtigt (vgl. UA S. 16). Andererseits werden hiermit im Gewand einer Grundsatzrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltend gemacht, was keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 - 9 ZB 18.31719 - juris Rn. 5).
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
8
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
9
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).