Inhalt

SG München, Beschluss v. 08.01.2019 – S 38 KA 282/18 ER
Titel:

Erteilung eines Hausverbotes für Bereitschaftspraxen

Normenketten:
SGB X § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Bei einem Verfahren, das sich gegen ein von der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber einem nicht zugelassenen Vertragsarzt ausgesprochenes Hausverbot für die von ihr betriebenen Bereitschaftspraxen richtet, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. (Rn. 15)
2. Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Hausverbot ist das allgemeine Hausrecht. (Rn. 20)
3. Voraussetzung für ein Hausverbot ist eine erhebliche Störung, die in der Person des am Bereitschaftsdienst teilnehmenden Arztes begründet ist. Dazu zählt insbesondere, wenn eine Zusammenarbeit mit dem ärztlichen und/oder nichtärztlichen Personal in der Bereitschaftspraxis nicht mehr gewährleistet bzw. unzumutbar erschwert oder wenn eine Gesundheitsgefährdung von Patienten zu besorgen ist. (Rn. 21 – 22)
4. Beschwerden allein reichen, da subjektiver Art, nicht für ein Hausverbot aus. Diese müssen sich objektivieren lassen. (Rn. 28)
Schlagworte:
Sofortvollzug, aufschiebende Wirkung, Vertragsarzt, Hausverbot
Fundstelle:
BeckRS 2019, 714

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 20.11.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.11.2018 wird wiederhergestellt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Mit dem beim Sozialgericht München eingelegten Antrag wendet sich die Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.11.2018. Dort wurde der Antragstellerin unter Ziff. 1. mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf des 30.11.2020 ein Hausverbot für alle Bereitschaftspraxen der Antragsgegnerin erteilt und unter Ziff. 2 die sofortige Vollziehung der Entscheidung nach Ziffer 1 angeordnet.
2
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.11.2018.
3
Die Antragstellerin ist freiberufliche Ärztin, unterhält keinen eigenen Praxissitz und bezieht ihre Einkünfte nach ihrem Vortrag zu über 50% aus der Tätigkeit im Rahmen des Bereitschaftsdienstes.
4
Zur Begründung des Bescheides vom 08.11.2018 brachte die Antragsgegnerin vor, innerhalb der letzten sechs Jahre lägen mehr als 15 schriftliche Beschwerden über das Verhalten der Antragstellerin im Rahmen dieser Tätigkeit vor. Es handle sich um Beschwerden von ärztlichen Kollegen, Ärzten im Bereitschaftsdienst, des MVZ C., des D., der E-Seniorenbetreuung E-Stadt GmbH, Arzthelferinnen, Krankenhauspersonal, als auch von Patienten und deren Angehörigen (eine Beschwerde im Jahr 2012, zwei Beschwerden im Jahr 2013, eine Beschwerde im Jahr 2015, zwei Beschwerden im Jahr 2015, eine Beschwerde im Jahr 2016, sieben Beschwerden im Jahr 2017, eine Beschwerde im Jahr 2018; wird im Einzelnen aufgezeigt).
5
Ermächtigungsgrundlage für das Hausverbot sei das gewohnheitsrechtlich anerkannte Hausrecht. Es sei zum Schutz der anderen diensthabenden Ärzte in der Bereitschaftpraxis sowie der kooperierenden Krankenhäuser, der Arzthelferinnen sowie der Patienten notwendig, dass sich die Antragstellerin für den angegebenen Zeitraum von allen Bereitschaftspraxen der KVB fernhalte. Es handle sich nicht nur um eine leichte und vorübergehende einmalige Beeinträchtigung im Ablauf von verschiedenen Bereitschaftspraxen. Aufgrund der wiederholten Vorfälle in diversen Bereitschaftspraxen in der Vergangenheit sei auch zukünftig mit solchen Beeinträchtigungen zu rechnen. Das Hausverbot werde nur zeitlich befristet ausgesprochen. Damit sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt, zumal auch ein milderes Mittel nicht ersichtlich sei.
6
Was die sofortige Vollziehung des Hausverbotes betreffe, überwiege das öffentliche Interesse an einem reibungslosen Ablauf der Bereitschaftspraxen der KVB sowie dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Patientinnen und Patienten das individuelle Interesse der Antragstellerin. Dieses besondere öffentliche Interesse bestehe auch während eines Widerspruchsverfahrens.
7
Zur Begründung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führte der Prozessbevollmächtigte aus, die Vorwürfe seien völlig unsubstantiiert, weitestgehend unbegründet und haltlos. Die Antragsgegnerin habe sich mit den Beschwerden - es handle sich um rein subjektive, von den betroffenen Personen wahrgenommene Befindlichkeiten - nicht entsprechend auseinandergesetzt. Nur in wenigen Fällen sei der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt worden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Inhaltlich hätten die Vorwürfe nichts mit der fachlichen Kompetenz der Antragstellerin zu tun. Hinzu komme, dass es sich bezogen auf die große Anzahl der von der Antragstellerin durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen um nur wenige Fälle handle, die auch auf einen Zeitraum von sechs Jahren verteilt seien. Der Antragstellerin sei auch vor Erlass des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin keine Gelegenheit eingeräumt worden, hierzu Stellung zu nehmen. Eine vorherige Anhörung der Antragstellerin wäre aber notwendig gewesen.
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Was die unter Ziff. 2 angeordnete sofortige Vollziehung betreffe, sei diese vollkommen unangemessen und unverhältnismäßig. Denn es stünden keine Fehler bei der tatsächlichen ärztlichen Tätigkeit und damit keine gesundheitliche Gefährdung der Patienten im Raum, so dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung zum Schutz der Patienten nicht notwendig gewesen sei. Auf der anderen Seite bedeute das mit sofortiger Wirkung ausgesprochene Hausverbot für die Antragstellerin eine Einkommensminderung im existenzbedrohenden Umfang. Dies sei ein nicht wiedergutzumachender wirtschaftlicher Schaden. Ferner müssten sich die Praxen, welche der Antragstellerin bisher regelmäßig Bereitschaftsdienste angetragen hätten, bis zur Aufhebung des Bescheids „Ersatz“ beschaffen.
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In Erwiderung beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag zurückzuweisen. Sie führte aus, bei einer Interessenabwägung überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Bei der Interessenabwägung seien auch die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren einzubeziehen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.11.2018 sei rechtmäßig und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Der Sofortvollzug sei insbesondere im Hinblick auf den sofortigen Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Patienten in den Bereitschaftspraxen notwendig gewesen. Einer vorherigen Anhörung der Antragstellerin habe es nicht bedurft. Im Übrigen sei, sollte ein Anhörungsmangel gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vorliegen, dieser gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 3 SGB X geheilt worden, da das Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung ersetze. Auch materiell-rechtlich sei der Bescheid vom 08.11.2018 rechtlich nicht zu beanstanden. So sei das Hausverbot inhaltlich hinreichend bestimmt ergangen und der Bescheid ausreichend begründet worden. Ebenfalls sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Es handle sich um ein wiederkehrendes Verhalten der Antragstellerin, das mit den Vorstellungen, die man üblicherweise mit einer ärztlichen Persönlichkeit verbinde, nicht in Übereinstimmung zu bringen seien. Dies gelte umso mehr, als dem Arzt, der im Rahmen des Bereitschaftsdienstes tätig sei, ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werde. Die Beschwerden seien auch in jedem Einzelfall hinreichend überprüft worden. Zudem sei die Antragstellerin mehrmals zur Stellungnahme aufgefordert worden. Bereits im Jahr 2015 habe der damalige Regionalleiter Nord die Antragstellerin aufgefordert, ihr Verhalten zu ändern. Die Verhängung des Hausverbotes sei geeignet, um in den Bereitschaftspraxen der Antragsgegnerin für einen geregelten Ablauf zu sorgen und die Störungen, die von der Antragstellerin ausgingen, zu beenden. Ein milderes Mittel, beispielsweise eine Disziplinarmaßnahme, als die Verhängung eines Hausverbotes sei nicht ersichtlich. Denn die Antragstellerin habe anders als der dienstverpflichtete Vertragsarzt keine direkte Rechtsbeziehung zur Antragsgegnerin. Die Antragstellerin könne trotz des Hausverbotes weiterhin als Ärztin tätig werden, so als angestellte Ärztin im Krankenhaus oder Vertreterin außerhalb Bayerns. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei auch durch die Befristung gewahrt. Die Verhängung eines Hausverbotes stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin. Beschwerden ließen im Laufe der Zeit auch nicht nach, vielmehr hätten sie sich in der letzten Zeit sogar gehäuft. Insgesamt sei das Hausverbot nach summarischer Prüfung in rechtmäßiger Weise erlassen worden.
10
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin nahm hierzu Stellung und betonte, es sei lediglich eine Beschwerde eines Patienten aus dem Jahr 2013 bekannt, wonach angeblich eine falsche Diagnose gestellt und falsch behandelt worden sei. Ob sich dies bewahrheitet habe, werde nicht einmal belegt. Die übrigen Vorwürfe hätten lediglich mit dem angeblich ungepflegten Äußeren der Antragstellerin und ihrem angeblich ruppigem und unfreundlichem Auftreten zu tun. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei der Anhörungsmangel nicht geheilt worden. Denn der Antragstellerin sei die Möglichkeit genommen worden, hierzu Stellung zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin legte drei Schreiben verschiedener Praxen vor, für welche die Antragstellerin seit vielen Jahren tätig sei. Der Antragstellerin werde jeweils ein absolut gutes Zeugnis ausgestellt, verbunden mit einem Unverständnis, was die Vorgehensweise der Antragstellerin betreffe. Insgesamt bleibe die Antragsgegnerin konkrete und objektiv nachvollziehbare Nachweise schuldig. Auch der Umfang des ausgesprochenen Hausverbot sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht ermessensfehlhaft. Sollte es in einzelnen Bereitschaftspraxen zu Problemen gekommen sein, so seien diese in der schlechten räumlichen und personellen Ausstattung begründet. Auch die Dauer des Hausverbotes von zwei Jahren sei erheblich überzogen, insbesondere als erstmalige Sanktion.
11
Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
12
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist zulässig und begründet.
13
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Auch bei Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung. In diesem Fall kann das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2012, Az. L 11 KA 15/12 ER).
14
Es handelt sich hier um eine Entscheidung des Antragsgegners, mit der unter Ziff. 1 gegenüber der Antragstellerin befristet ein Hausverbot für alle Bereitschaftspraxen der KVB ausgesprochen wurde. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet (Ziff. 2). Eine Anfechtung einer solchen Entscheidung entfaltet grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dadurch, dass die Antragsgegnerin unter Ziff. 2. des Bescheides den Sofortvollzug nach § 86a Abs. 2 Ziff. 5 SGG anordnete, entfaltet der dagegen mit Schreiben vom 20.11.2018 eingelegte Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Rechtsschutz kann die Antragstellerin gem. § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG erlangen, indem seitens des Gerichts die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird.
15
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist im vorliegenden Fall gegeben. Gegenstand des Antragsverfahrens ist zwar ein Hausverbot, abgeleitet aus dem Hausrecht der Antragsgegnerin. Das Hausrecht ist durch das Grundgesetz in Art. 13 Grundgesetz geschützt. Dem Inhaber des Hausrechts stehen grundsätzlich Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere aus §§ 903, 858 ff. und 1004 BGB zu. Hier wurde das Hausverbot durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Zusammenhang mit der ihr übertragenen Aufgabe ausgesprochen, die ärztliche Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten sicherzustellen (§ 75 Abs. 1b S. 1 SGB V). Nach der Sonderrechtstheorie handelt es sich deshalb nicht um eine zivilrechtliche Streitigkeit, sondern um eine Streitigkeit des öffentlichen Rechts (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Komment. zum SGG, Rn. 3c zu § 51), die in den Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichte fällt (§ 51 Abs. 1 Ziff. 2 SGG).
16
Vorauszusetzen für die Zulässigkeit des gestellten Antrags ist, dass die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Diesbezüglich bestehen keine rechtlichen Zweifel.
17
Im Rahmen der summarischen Prüfung der Begründetheit des Antrags sind die öffentlichen und privaten Interessen, d.h. das öffentliche Interesse am Sofortvollzug und das Interesse der Antragsgegnerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Bei der Abwägung der gegenteiligen Interessen sind auch die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren von Bedeutung. Leitlinie ist, dass bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, wenn der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederherstellt. Denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, ist von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen. Trotzdem bedarf es auch in diesem Fall eines besonderen öffentlichen Interesses an dem Sofortvollzug, wenngleich bei dieser Fallkonstellation die Anforderungen geringer sind (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Komment. zum SGG, Rn 20b zu § 86a). Zu beachten ist auch die Wertung des Gesetzgebers. Hat der Gesetzgeber für bestimmte Fallgruppen bestimmt (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGG), dass Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten, ist daraus der grundsätzliche Vorrang des Vollziehungsinteresses herzuleiten. In den übrigen Fällen entsteht durch Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG). Hier kann von diesem Regel/Ausnahmeverhältnis nur abgewichen werden, wenn ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten vorliegt.
18
In Anwendung der o.g. Kriterien ist zu prüfen, ob das Vollziehungsinteresse das Interesse an der aufschiebenden Wirkung überwiegt.
19
Von einem überwiegenden Vollziehungsinteresse ist generell auszugehen, wenn die Entscheidung über das gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Hausverbot als rechtmäßig anzusehen wäre.
20
Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Hausverbot ist, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, das allgemeine Hausrecht. Die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eigene Bereitschaftspraxen zu errichten und zu betreiben (§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 BDO-KVB). Als Inhaberin des Hausrechts für alle von ihr betriebenen Einrichtungen, d.h. auch für die von ihr betriebenen Bereitschaftspraxen kann sie grundsätzlich frei darüber entscheiden, wer Zutritt zu ihren Einrichtungen erhält. Zum Hausrecht gehört auch, ein Hausverbot auszusprechen, wie dies in dem streitgegenständlichen Fall geschehen ist.
21
Vertragsärzte und zugelassene MVZ´s sind sogar verpflichtet, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen (§ 2 Abs. 1 BDO-KVB). Andere Ärzte, die nicht als Vertragsärzte zugelassen sind, können am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen, sofern sie die Voraussetzungen nach § 4 BDO-KVB erfüllen (§ 2 Abs. 1 S. 2 BDO-KVB). Wird ein Hausverbot ausgesprochen, verliert der Arzt gleichzeitig das Teilnahmerecht am Bereitschaftsdienst, jedenfalls, was den Bereitschaftsdienst in den von der Antragsgegnerin betriebenen Bereitschaftspraxen betrifft. Einerseits kann die Antragsgegnerin grundsätzlich als Inhaberin des Hausrechts ein Hausverbot aussprechen, andererseits ist aber auch das Teilnahmerecht von Nichtvertragsärzten zu beachten. Die KVB hat auch einen störungsfreien Betrieb der Bereitschaftspraxen zu gewährleisten. Kann dieser nicht sichergestellt werden, weil ein Teilnehmer durch einen in seiner Person liegenden Grund den Betrieb in nicht unerheblichem Umfang stört und damit ein störungsfreier Ablauf nicht mehr gewährleistet ist, muss die Antragsgegnerin als diejenige, der der Sicherstellungsauftrag vom Gesetzgeber erteilt wurde (§ 75 Abs. 1b SGB V), geeignete Maßnahmen treffen, wozu auch der Ausspruch eines Hausverbot gehört. Grundsätzlich bestehen insofern keine Bedenken dagegen, wenn die Antragsgegnerin ein Hausverbot ausspricht.
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Voraussetzung ist aber, dass so erhebliche Störungen vorliegen, die zum Ausspruch eines Hausverbots berechtigen, oder sogar hierzu verpflichten. Die Erheblichkeit ist dabei an der Anzahl der Störungen und/oder an der Qualität der Störungen zu messen. Die Anzahl der Störungen ist auch grundsätzlich in Relation zum Umfang der Tätigkeit im Bereitschaftsdienst zu setzen. Hinzu kommt, dass nicht jede Störung des Betriebsablaufes zu einem Hausverbot berechtigt. Vielmehr ist zu fordern, dass es sich um eine erhebliche Störung/erhebliche Störungen handelt, die Auswirkungen auf eine geordnete Versorgung der Patienten zu sprechstundenfreien Zeiten hat/haben. So mag ein Umgangston des Behandlers, der im Praxisalltag nicht zu tolerieren ist, der besonderen Situation im Rahmen des Bereitschaftsdienstes geschuldet sein und sich daraus erklären. Diese berechtigt dann allein nicht zum Ausspruch eines Hausverbots. Als erhebliche Störung ist anzusehen, wenn eine Zusammenarbeit des im Bereitschaftsdienst tätigen Arztes mit dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal in den Bereitschaftspraxen aus in der Person des Arztes liegenden Gründen nicht mehr gewährleistet bzw. unzumutbar erschwert ist. Auf jeden Fall berechtigt eine Gesundheitsgefährdung von Patienten dazu, dass der Inhaber des Hausrechts ein Hausverbot ausspricht. Liegen mehrere Sachverhalte vor, die im Einzelnen betrachtet nicht für ein Hausverbot ausreichen, kann in Gesamtschau der mehreren Sachverhalte ein Hausverbot ausgesprochen werden. Beschwerden allein reichen jedoch nicht aus, da sie subjektiver Art sind. Vielmehr müssen sie sich objektivieren lassen, was wiederum voraussetzt, dass derjenige, der von seinem Hausrecht Gebrauch macht, eine Überprüfung der Beschwerden vorgenommen hat. Dazu gehört auch, dass der Behandler ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Hinzu kommt, dass ein Hausverbot für einen Zeitraum von immerhin zwei Jahren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nur dann gewahrt, wenn die Maßnahme als geeignet und erforderlich anzusehen ist.
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In Umsetzung dieser grundsätzlichen Überlegungen auf das streitgegenständliche Verfahren ist zunächst klärungsbedürftig, ob der Bescheid der Antragsgegnerin formell rechtmäßig ist.
24
Denn § 24 Abs. 1 SGB X setzt die Anhörung des Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der in seine Rechte eingreift. Ausnahmen hiervon sieht § 24 Abs. 2 SGB X vor, insbesondere, wenn Gefahr in Verzug ist, oder die Maßnahme im öffentlichen Interesse für notwendig erscheint (§ 24 Abs. 2 Ziffer 1 SGB X). Dafür, dass Gefahr in Verzug ist und deshalb die Anhörung unterbleiben konnte (§ 24 Abs. 2 SGB X), gibt es keine Anhaltspunkte, zumal sich die Antragsgegnerin auch auf Beschwerden über einen langen Zeitraum bezieht und sich erst jetzt veranlasst sah, ein Hausverbot auszusprechen. Ob eine Anhörung der sofortigen Vollziehbarkeit vorauszugehen hat, ist umstritten. Die herrschende Meinung geht allerdings davon aus, dass es sich um einen unselbstständigen Annex handelt und nicht um einen eigenen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, Komment. zur VwVfG, Rn. 7 zu § 28).
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Sollte eine Anhörung erforderlich sein, ist ein Verstoß dagegen dann unerheblich, wenn nach § 41 Abs. 1 SGB X eine Heilung durch Nachholung eingetreten ist (Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Rn. 15 zu § 41 SGB X). Nach § 41 Abs. 1 SGB X kann eine versäumte Anhörung auch durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist zwar von einer formellen Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids auszugehen, die aber im Widerspruchsverfahren geheilt werden kann.
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Ebenfalls ist klärungsbedürftig, ob der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin den Anforderungen des § 35 SGB X genügt. Danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In dieser sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Handelt es sich um Ermessensentscheidungen, muss die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Die Vorschrift erfordert zwar nicht, dass schriftliche Verwaltungsakte in allen Einzelheiten begründet werden müssen. In dem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich die Bescheide an einen sachkundigen Personenkreis richten. Zur Begründung der Entscheidung der Antragsgegnerin werden die einzelnen Gesichtspunkte, auf die sie ihr Hausverbot stützt, genannt und umfangreich dargestellt. Folglich kann bei summarischer Prüfung nicht von einem Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 35 SGB X ausgegangen werden.
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Was die materielle Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit betrifft, kommt es darauf an, ob die Antragsgegnerin berechtigt war, das Hausverbot für die von ihr betriebenen Bereitschaftspraxen für den Zeitraum von 2 Jahren auszusprechen. Dies ist dann der Fall, wenn - wie bereits ausgeführt - so erhebliche Störungen vorliegen, die zum Ausspruch eines Hausverbots berechtigen, oder sogar hierzu verpflichten. Es ist fraglich und einem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob die von der Antragsgegnerin im mit Widerspruch angefochtenen Ausgangsbescheid genannten Beschwerden hierzu ausreichen. So erscheinen 15 Beschwerden, verteilt auf einen Zeitraum von 6 Jahren allein zahlenmäßig und in Relation nicht so erheblich, insbesondere, wenn die Antragstellerin, wie von ihr ausgeführt, umfangreich im Bereitschaftsdienst tätig ist.
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Aber auch vom Inhalt und Schwere her sind die Beschwerden bei summarischer Prüfung nicht der Gestalt, dass darauf ein Hausverbot für die von der Antragstellerin betriebenen Bereitschaftspraxen gestützt werden könnte. Denn für eine Gefährdung der Patienten gibt es keine Anhaltspunkte. Der einzige Fall, wo der Antragstellerin angeblich eine Fehldiagnose unterlaufen sei und diese eine Fehlbehandlung vorgenommen haben sollte, stammt aus dem Jahr 2013. Ob diese Beschwerde zutrifft, wurde offensichtlich nicht weiter aufgeklärt. Von einer Strafanzeige, geschweige denn von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist nichts bekannt. Im Übrigen handelt es sich lediglich um subjektive Befindlichkeiten der Beschwerdeführer. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Beschwerden auch objektivieren lassen. Dabei hätte der Antragstellerin bei jeder Beschwerde Gelegenheit eingeräumt werden müssen, hierzu binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin überhaupt so verfahren ist, zumindest nicht bezüglich aller Beschwerden. Nicht ausreichend ist jedenfalls die im Antragsverfahren seitens der Antragsgegnerin aufgestellte Behauptung, sie habe jeweils die Beschwerden überprüft und der Antragstellerin sei jeweils ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Insgesamt ist deshalb fraglich und bleibt mangels Sachaufklärung durch die Antragsgegnerin offen, ob überhaupt hinreichender und begründeter Anlass für derartige Beschwerden bestand.
29
Bei dieser Sach- und Rechtslage bestehen deshalb auch Zweifel, ob die Entscheidung der Antragsgegnerin verhältnismäßig ist, d.h. der Ausspruch des Hausverbots geeignet und notwendig erscheint. Dabei teilt das Gericht allerdings die Auffassung der Antragsgegnerin, dass aufgrund des Status der Antragstellerin als nicht zugelassene Vertragsärztin keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin und deshalb keine Einwirkungsmöglichkeiten für die Antragsgegnerin, beispielsweise in Form von Disziplinarmaßnahmen bestehen, um bei der Antragstellerin eine Verhaltensänderung zu erreichen. Insofern verbleibt der Antragsgegnerin als einzige effektive Einwirkmöglichkeit, dem Nicht-Vertragsarzt den Zugang zu den von ihr betriebenen Bereitschaftspraxen zu verwehren. Dies schließt freilich nicht aus und könnte sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als erforderlich erweisen, dass einem Hausverbot eine Art „Abmahnung“ vorausgeht.
30
Selbst für den Fall, dass die Antragsgegnerin grundsätzlich berechtigt wäre, ein Hausverbot auszusprechen, erscheint es bei der vorliegenden Sachlage zweifelhaft, ob ein Hausverbot über einen Zeitraum von zwei Jahren als angemessen und verhältnismäßig anzusehen wäre.
31
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass bei summarischer Prüfung - vorbehaltlich einer näheren Befassung in einem Hauptsacheverfahren - nicht von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin auszugehen ist. Vielmehr sind die Erfolgsaussichten einer Klage zumindest als ergebnisoffen anzusehen.
32
Somit ist eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Antragsgegnerin bzw. dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Hausverbots. Unzweifelhaft hätte das Individualinteresse der Antragstellerin dann zurückzustehen, wenn eine ernsthafte Gefährdung der Patienten durch die Antragstellerin und/oder eine nachhaltige Störung des Betriebsablaufs in den Bereitschaftspraxen zu besorgen wäre. In diesem Fall wäre von einem besonderen Vollziehungsinteresse i.S.v. § 86a Abs. 2 Ziff. 5 SGG auszugehen. Für eine derartige Gefährdung von Patienten bzw. Störung des Betriebsablaufs in den Bereitschaftspraxen gibt es allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen (über 50%) aus ihrer Bereitschaftsdienst-Tätigkeit erzielt. Ein Hausverbot, noch dazu über einen Zeitraum von 2 Jahren bedeutet für die Antragstellerin eine erhebliche finanzielle Einbuße, die letztendlich auch existentielle Auswirkungen mit sich bringen könnte. Es handelt sich zwar nicht um einen Eingriff in die Berufswahl nach Art. 12 GG, sondern um einen Eingriff in die Berufsausübung, der, wenn vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen, zulässig ist (Maunz-Dürig, Komment. zum Grundgesetz, Rn. 343 zu Art. 12).
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Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist somit bei Abwägung der widerstreitenden Interessen und bei summarischer Abwägung stattzugeben, zumal bei der Sachund Rechtslage keine Veranlassung besteht, sich über die vom Gesetzgeber in § 86 a Abs. 1 SGG grundsätzlich vorgegebene „aufschiebende Wirkung“ nach Widerspruchs - bzw. Klageeinlegung hinwegzusetzen.
34
Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.