Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 18.03.2019 – W 8 K 18.564
Titel:

Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung

Normenkette:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Hinsichtlich eines Entfalls des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften trägt der Tierhalter die materielle Beweislast dafür, dass sich die Basis für die frühere Prognose, die zu einem Haltungs- und Betreuungsverbot geführt hat, zwischenzeitlich verändert hat. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bloßes äußeres zeitweiliges oder situationsbedingtes Unterlassen der früheren Handlungsweise genügt nicht, um eine Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung zu erreichen; vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang im Sinne eines individuellen Lernprozesses stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlung bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit künftig auszuschließen ist, dass sich der Tierhalter wiederum tierschutzwidrig verhält. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein vermeintliches Wohlverhalten des Tierhalters während des Klageverfahrens ist nicht ohne Weiteres geeignet, eine zuvor gezeigte Unzuverlässigkeit bei der Einhaltung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen aufzuheben. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Neben der persönlichen Zuverlässigkeit kann im Einzelfall auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Tierhalters bei der Beurteilung des inneren Reifeprozesses und der Prognose weiterer Zuwiderhandlungen Bedeutung haben. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung, hohe Anforderungen an den inneren Gesinnungswandel wegen der jahrelangen tierschutzwidrigen Verstöße, kein Nachweis durch den Kläger, Beweislast, tierschutzwidrige Mängel, Zuwiderhandlungen, negative Prognose, Zuverlässigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2019, 5165

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger begehrt die Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung.
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1. Nachdem das Landratsamt M.-S. (im Folgenden: Landratsamt) seit 2008 ständig erhebliche tierschutzwidrige Mängel in der Tierhaltung des Klägers festgestellt hatte, untersagte das Landratsamt mit Bescheid vom 15. März 2011 dem Kläger zunächst das Halten und Betreuen von Rindern. Ab dem Jahr 2014 wurden dann bei mehreren Kontrollen von einer circa 60 Tiere umfassenden Ziegenherde des Klägers wiederum erhebliche tierschutzwidrige Mängel festgestellt.
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Daraufhin untersagte das Landratsamt M.-S. schließlich mit Bescheid vom 29. Mai 2017 dem Kläger das Halten und Betreuen von Tieren jeglicher Art mit sofortiger Wirkung. Die hiergegen erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 11. Dezember 2017 abgewiesen (VG Würzburg, U.v. 11.12.2017 - W 8 K 17.638). Den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 verworfen (BayVGH, B.v. 5.12.2018 - 9 ZB 18.910).
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Am 6. März 2018 wurde der Tierbestand (Ziegenherde) des Klägers aufgelöst. Der Kläger war hierbei anwesend und händigte währenddessen Mitarbeitern des Landratsamtes einen handschriftlichen Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung (Bl. 121 der Behördenakte im Verfahren W 8 E 18.510) aus. Zur Begründung des Wiedergestattungsantrags wurde ausgeführt, die Tiere befänden sich in einem guten Zustand. Dieser Zustand sei von dauerhaft guter Prognose, da die Faktoren gute Fütterung (gutes Heu, Grascops, Lämmerkorn in kleinen Gruppen/Einzeltierzuteilung) und die Unterbringung in einer festen Halle am Betrieb M. basierend auf einem unbefristeten Mietvertrag dauerhaft zur Verfügung stünden.
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2. Mit Bescheid des Landratsamts vom 24. April 2018, dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 26. April 2018 zugestellt, wurde der Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung abgelehnt (Nr. 1). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger als Verursacher auferlegt (Nr. 2). Für diesen Bescheid wurden Kosten in Höhe von 151,47 EUR festgesetzt (Nr. 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Wiedergestattung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG seien nicht erfüllt, da der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen nicht entfallen sei. Die dem Tierhaltungs- und -betreuungsverbot zugrundeliegende negative Prognose werde durch die im Antrag vorgebrachten Äußerungen nicht erschüttert. Ein abgeschlossener individueller Lernprozess sei beim Antragsteller nicht erkennbar. Auch seien keinerlei schriftliche Nachweise vorgelegt worden, die geeignet wären, die für den Kläger getroffene negative Prognose zu entkräften. Durch den Kläger als Tierhalter sei der Nachweis zu erbringen, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen weggefallen sei. Er trage die materielle Beweislast dafür, dass sich die Basis für die frühere Prognose, die zu dem Haltungs- und Betreuungsverbot geführt habe, zwischenzeitlich verändert habe. Die wiederholten Verstöße des Klägers gegen das Tierschutzgesetz würden die Darlegung von Umständen (z.B. psychologisches Gutachten, Sachkundenachweis, o.ä.) erfordern, aus denen hervorgehe, dass ein individueller Lernprozess stattgefunden habe und eine Läuterung in seinem Verhalten gegenüber potentiell zu haltenden Tieren eingetreten sei. Ein bloß zeitweiliges oder situationsbedingtes Unterlassen der früheren Handlungsweisen genüge nicht. Vorliegend sei von einem lediglich situationsbedingten Unterlassen auszugehen. Die behauptete nunmehr bessere Haltung erfolge nicht aus innerer Überzeugung. So sei zum einen ein Umdenken bezüglich des Witterungsschutzes nicht erkennbar. Bezüglich der ganzjährigen Freilandhaltung auch in den Wintermonaten habe der Kläger noch während der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2017 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg die Vorzüge der als Unterstand genutzten Randfichten beschrieben. Die Entscheidung zugunsten der winterlichen Stallhaltung in A. sei nicht aufgrund einer erfolgten Einsicht und inneren Läuterung erfolgt, sondern allein aufgrund von sachlichen Überlegungen wie kürzere Fahrtwege, Wegfall des Futtertransports und unkomplizierte Versorgung der Ziegen im Krankheitsfall. Das Wohlergehen der Ziegen sei mit keinem Wort erwähnt worden. Der Kläger habe bis dato nicht eingesehen, dass er den von ihm gehaltenen Tieren durch die nicht ihren Ansprüchen entsprechende Haltung (Ernährung, Unterbringung und Pflege) Leiden zugefügt habe. Da kein schriftlicher Mietvertrag vorgelegt worden sei, sei eine bewährte und dauerhaft zuverlässige Kooperation mit der Schäferei M. in Zweifel zu ziehen. Der als Zeuge benannte Herr M. habe auf Aufforderung des Klägers bei der Auflösung des Tierbestandes am 6. März 2018, den geschlossenen Mietvertrag gegenüber den Mitarbeitern des Landratsamtes zu bezeugen, hierzu keine Äußerung getroffen. Ohne geschlossenen Mietvertrag könne von einem dauerhaften Winterunterstand und geschützten Ablammplatz keine Rede sein. Aufgrund der mangelnden Einsicht des Klägers bestehe die Gefahr einer Rückkehr zur ganzjährigen Freilandhaltung. Der vom Kläger angeführte gute Ernährungszustand der Tiere könne falls überhaupt, lediglich als Momentaufnahme gesehen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung der von der beschlagnahmten Herde genommenen Kotproben würden einen hochgradigen Befall vor allem mit Lungenwürmchen, aber auch einen Befall mit Magen- und Darmwürmern sowie Kokzidien zeigen. Weiter würden gegen eine positive Prognose die Unzuverlässigkeit des Klägers hinsichtlich seiner Dokumentationspflichten, die fehlende Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt und die fehlenden finanziellen Mittel sprechen.
II.
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1. Mit Schreiben vom 30. April 2018, bei Gericht eingegangen per Fax am selben Tag, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Landratsamts M.-S. vom 24. April 2018 und kündigte an, dass Anträge und Begründung folgen.
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2. Das Landratsamt verwies für den Beklagten mit Schriftsatz vom 12. März 2019 zur Begründung der Klageerwiderung auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
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3. (Mit Beschluss vom 11. Mai 2018 hat das erkennende Gericht den Antrag des Klägers auf eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO unter anderem auf Verpflichtung des Beklagten, die Veräußerung der in Obhut genommenen Ziegen zu unterlassen, die Ziegen wieder zurückzugeben und ihm damit zu ermöglichen, bis zu einer Entscheidung über seinen Antrag nach § 16a TierSchG die Tiere selbst zu versorgen, abgelehnt (VG Würzburg, B.v. 11.5.2018 - W 8 E 18.510). Mit Schreiben vom 10. Januar 2019 wurde dem Kläger aufgegeben bis zum 1. März 2019 sämtliche der Klagebegründung dienenden Erklärungen und Beweismittel sowie etwaigen weiteren Tatsachenvortrag und Beweismittel anzugeben bzw. vorzulegen. Auf die Folge des § 87b Abs. 3 VwGO wurde hingewiesen.)
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In der mündlichen Verhandlung beantragte der Klägerbevollmächtigte neben der Aussetzung des Verfahrens, unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts M.-S. vom 24. April 2018 den Beklagten zu verpflichten,
dem Kläger die Tierhaltung und - betreuung wieder zu gestatten.
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Der Beklagtenvertreter beantragte
Klageabweisung.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der Akten in den Verfahren W 5 S 11.242, W 5 S 11.340, W 8 K 17.536, W 8 K 17.537, W 8 K 17.538, W 8 K 17.539, W 8 K 17.540, W 8 K 17.638, W 8 S 18.72, W 8 E 18.510, W 8 K 18.71) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die statthafte Klageart.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 24. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Diesbezüglich verweist das Gericht auf seine Ausführungen im Beschluss vom 11. Mai 2018 im Verfahren W 8 E 18.510 (VG Würzburg, B.v. 11.5.2018 - W 8 E 18.510), in dem es das klägerische Vorbringen bereits ausführlich gewürdigt hat. Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 TierSchG auf Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung, denn der Kläger konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen gegen das Tierschutzrecht entfallen ist.
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Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 TierSchG ist das Halten oder Betreuen von Tieren wieder zu gestatten, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist. Hinsichtlich eines Entfalls des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen trägt der Halter die materielle Beweislast dafür, dass sich die Basis für die frühere Prognose, die zu dem Haltungs- und Betreuungsverbot geführt hat, zwischenzeitlich verändert hat. Hierfür muss der Grund in den Blick genommen werden, der Anlass für die negative Prognose war. Verbleiben Zweifel an einer künftig beanstandungsfreien Tierhaltung, muss der Wiedergestattungsantrag abgelehnt werden. Die Anforderungen, die an eine Wiedergestattung zu stellen sind, hängen von den Umständen ab, die zum Erlass des Tierhaltungs- oder Betreuungsverbots geführt haben. Beruht das Verbot auf wiederholten Beanstandungen, so steigen die Anforderungen an die Feststellung, dass der Betreffende zum Halten oder Betreuen wieder geeignet ist. In solchen Fällen reicht ein bloßer Zeitablauf nicht aus. Vielmehr muss der Kläger Umstände darlegen (zum Beispiel psychologisches Gutachten, Sachkundenachweis etc.), aus denen sich ergibt, dass bei ihm ein individueller Lernprozessstand stattgefunden hat und eine Läuterung in seinem Verhalten gegenüber potentiell zu haltenden Tieren eingetreten ist. Bloßes äußeres zeitweiliges oder situationsbedingtes Unterlassen der früheren Handlungsweise genügt nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang im Sinne eines individuellen Lernprozesses stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlung bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit künftig auszuschließen ist, dass sich der Kläger wiederum tierschutzwidrig verhält (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 55 m.w.N.). Auch ein vermeintliches Wohlverhalten des Tierhalters während des Klageverfahrens ist nicht ohne weiteres geeignet, eine zuvor gezeigte Unzuverlässigkeit bei der Einhaltung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen aufzuheben (vgl. Pielow in BeckOK, GewO, Stand 1.12.2017, § 35 Rn. 75c sowie BayVGH, B.v. 23.11.2018 - 9 ZB 16.2467 - juris Rn. 9 mit Parallelen zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO).
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Vorweg ist anhand dieser Vorgaben festzuhalten, dass im konkreten Fall des Klägers an diesen hohe Anforderungen zu stellen sind im Hinblick auf die Darlegung und den Nachweis von Tatsachen, die ein Entfallen des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen begründen könnten. Denn die erheblichen immer wiederkehrenden tierschutzwidrigen Zustände in der Tierhaltung des Klägers haben sich über einen sehr langen Zeitraum hingezogen. Die Beanstandungen des Veterinäramtes hatten bereits im Jahre 2008 begonnen und sich mindestens noch bis Ende 2017 fortgesetzt. Die erheblichen tierschutzrechtlichen Verstöße des Klägers haben unter anderem auch zu einem Schuldspruch in einem Fall wegen Tierquälerei nach § 17 Nr. 2b TierSchG (vgl. LG Würzburg U.v. 23.2.2016 - 4 Ns 912 Js 4822/11), einem Schuldspruch wegen Tiermisshandlung in fünf tateinheitlichen Fällen nach § 17 Nr. 2b (TierSchG AG Gemünden a. Main, U.v. 30.6.2016 - 5 Ds 612 Js 13121/15) und wegen fahrlässigen Zufügens von Leiden oder Schmerzen gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG (AG Gemünden a. Main, U.v. 10.11.2017 - 5 Cs 612 Js 1556/17) geführt.
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Wegen diesen hohen an einen Gesinnungswandel des Klägers zu stellenden Anforderungen genügt insbesondere das vom Kläger behauptete kurzzeitige Wohlverhalten während der Klageverfahren im Vergleich zu dem zuvor langfristigen Fehlverhalten von circa 10 Jahren für sich alleine nicht, um den Entfall des Grundes für die Annahme der Zuwiderhandlungen herbeizuführen. Zudem hat der Kläger auch weiterhin in der Gesamtschau aller Umstände weder ein einwandfreies Wohlverhalten noch einen durchgreifenden individuellen Lernprozess hinsichtlich der festgestellten tierschutzwidrigen Zustände und dem dadurch verursachten Tierleiden gezeigt.
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Zum einen waren im Zeitpunkt der Auflösung des Tierbestandes am 6. März 2018 ein Teil der Ziegen von Parasiten unter anderem noch stark von Muellerius capillaris (Larven) befallen und bei einer Ziege ist laut eines Gutachtens mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der massive Befall mit Endoparasiten zu einer hochgradigen Abmagerung mit letztendlich Todesfolge geführt hat. Dass die Ziegen im Zeitpunkt der Auflösung des Tierbestandes am 6. März 2018 zunächst insgesamt einen relativ gesunden Eindruck gemacht haben und der Kläger bei dem Abtransport geholfen hat, wurde von der Beklagtenseite nicht bestritten. Den Befall mit Parasiten und die Abmagerung einer Ziege mit Todesfolge konnte das Landratsamt jedoch erst nach dem Abtransport der Ziegen durch entsprechende Untersuchungen feststellen.
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Diesbezüglich ist dem Gutachten des Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 21. März 2018 unter anderem hinsichtlich 3 Sammelkotproben mit Probenahmedatum vom 14. März 2018, die somit zeitnah zur Wegnahme erfolgt sind, zu entnehmen, dass bei Sammelkotprobe Nr. 2 und Nr. 3 ein starker Parasitenfall mit Muellerius capillaris (Larven) und bei Sammelprobe Nr. 1 ein mäßiger Parasitenfall mit Muellerius capillaris (Larven) festgestellt wurden. Der Einwand des Klägers ein gewisser Parasitenfall sei normal, vermag insofern nicht zu überzeugen, da vorliegend bei zwei Sammelproben gerade von einem starken Befall die Rede ist und nicht nur von einem geringen oder mäßigen. Auch der Hinweis des Klägers, dies sei nur ein starker Befall und kein massenhafter Befall gewesen, ändert nichts, da auch bereits ein starker Befall gegen die Einhaltung die vom Kläger zu beachtenden (erhöhten) Sorgfaltspflichten spricht. Folglich bleibt die Tatsache unerschüttert, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Herde von starkem Parasitenfall mit Muellerius capillaris (Larven) betroffen war.
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Des Weiteren ergibt sich aus dem von Veterinäroberrätin Dr. Pf. erstellten Gutachten des Landratsamts Bamberg vom 29. März 2018, dass bezüglich der untersuchten Ziege mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der massive Befall mit Endoparasiten zu der hochgradigen Abmagerung mit letztendlich Todesfolge geführt hat. Bei der Abmagerung handelt es sich nicht um ein kurzfristiges Geschehen, sondern umfasst sicher einen Zeitraum von mehreren Wochen. Eine fortschreitende Abmagerung der Ziege hätte der Tierhalter durchaus erkennen können und mit entsprechenden Untersuchungs- oder ggf. Behandlungsmaßnahmen darauf reagieren müssen. Hierbei handelt es sich um die altbekannte Problematik, dass der Kläger Erkrankungen und Leiden seiner Tiere nicht erkennt und daher auch nicht rechtzeitig zu einem Tierarzt bringt bzw. gebracht hat. Dieses Gutachten dokumentiert erneut den berechtigten Vorwurf fehlender Sachkunde und fehlenden Bewusstseins für das Leiden der Ziegen, der zuvor schon zum Haltungs- und Betreuungsverbot gegenüber dem Kläger geführt hat.
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Das Gutachten des Landratsamts Bamberg vom 29. März 2018 wird auch nicht durch das Vorbringen des Klägers erschüttert. Es enthält nachvollziehbare und detailreiche in sich stimmige Ausführungen zu den Grundlagen der Diagnose und des Befunds. Es geht aus diesem Gutachten hervor, dass der festgestellten Kachexie zugrunde liegt ein Tierkörper, stark abgemagert, knöchernes Skelett zeichnet sich deutlich ab sowie eine seröse Atrophie (Abbau) von Herzkranz, - Nieren- und Mesenterialfettgewebe und gallertige Atrophie des Röhrenknochenmarks. Des Weiteren wird dort ausgeführt, dass die parasitologische Untersuchung des LFGB einen hochgradigen Befall mit Magen-Darmwürmern, Peitschenwürmern, Kokzidien und Haarwürmern ergab und die Befunde laut LGL-Gutachten für eine Kachexie infolge einer hochgradigen Endoparasitose sprechen. Das Gutachten erklärt dann auch genau im Einzelnen, wie bei einem Parasitenfall eine Nährstoffkonkurrenz zustande kommt und, dass das befallene Tier zum Ausgleich des Nährstoffmangels erheblich mehr Futter aufnehmen müsste, als es physiologisch überhaupt in der Lage dazu wäre.
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Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung Einwände gegen dieses Gutachten vorbrachte, vermögen diese aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. Zum einen ist dieses Gutachten nicht von Vertretern des Veterinäramtes M.-S. erstellt worden, so dass diesbezüglich eine mögliche Befangenheit insoweit nicht im Raum steht. Des Weiteren steht dem vom Kläger dargestellten Szenario - Abmagerung der Ziege in Folge von Verdrängung bei der Fütterung aufgrund eines geringen Herdenranges - eindeutig entgegen, dass das Gutachten die Abmagerung nicht auf fehlende Futterzufuhr stützt, sondern hiernach vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der massive Befall mit Endoparasiten zu der hochgradigen Abmagerung mit letztendlich Todesfolge geführt hat. Das Gutachten stützt sich somit auf eine andere als der vom Kläger behaupteten Ursache. Des Weiteren geht aus dem Gutachten eindeutig hervor, dass der Abmagerungsprozess über mehrere Wochen hinweg stattfand. Vergleicht man das Datum der Abholung der Ziegen am 6. März 2018 mit dem Sektionsdatum der Ziege am 19. März 2018 ergibt sich, dass ein vergleichsweise geringer Zeitraum unter 2 Wochen zwischen der Abholung und dem Versterben der Ziege liegt und nicht ein Zeitraum von mehreren Wochen. In der Folge ist die vom Kläger behauptete Todesfolge infolge Abmagerung aufgrund der Rangverdrängung bei der Fütterung nur schwer vorstellbar.
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Den Befundergebnissen des Gutachtens des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 21. März 2018 und dem Gutachten des Landratsamts Bamberg vom 29. März 2018 steht auch nicht die Mitwirkung der Amtstierärztin Dr. Ro. entgegen. Eine mögliche Befangenheit der Amtstierärztin Dr. Ro. ist nicht erkennbar. Wie bereits das Landratsamt in seiner Antragserwiderung zutreffend ausführte, begründet eine bloße Vorbefassung eines Amtsträgers oder eine für den Kläger negative Entscheidung durch den Amtsträger alleine nicht die Besorgnis der Befangenheit nach Art. 21 BayVwVfG. Auch durch die Aussage der Amtstierärztin, sie könne in dem Fall als befangen angesehen werden, wird die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet. In der Antragserwiderung wurde glaubhaft dargelegt, dass diese Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wurde und die Amtstierärztin vielmehr selbst eine vorschnelle Beurteilung des Zustandes der Ziegen auf Drängen des Klägers vermeiden wollte, da der Kläger schon in der Vergangenheit die Befangenheit anderer Veterinäre behauptet hatte. Dies deckt sich auch mit den Aussagen der Stellungnahme des Landratsamts vom 29. März 2018 (vgl. Blatt 102 der Behördenakte). Vielmehr spricht das Verhalten der Amtstierärztin, indem sie Maßnahmen in Form von Gutachten neutraler Stellen veranlasste, dafür, dass sie sich ihrer Neutralitätspflicht bewusst und auch gewillt war, diese einzuhalten. So wurde veranlasst, dass eine nach der Wegnahme vom Tierhalter verendete Ziege, nicht von der Amtstierärztin untersucht wurde, sondern vom Bayerischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und ein Gutachten auf der Grundlage der Sektion der Ziege durch das nicht involvierte Veterinäramt des Landratsamts Bamberg mit Datum vom 29. März 2018 erstellt wurde. Des Weiteren kommt das Veterinäramt den Forderungen des Klägers nach, wenn es von deren Rechtmäßigkeit ausgeht, und dies nicht kategorisch ablehnt, wie sich anhand der Herausgabe der Unterlagen bezüglich der neuen Ohrnummern der Ziegen zeigt. Auch zugunsten des Klägers sprechende Umstände, wie der ordnungsgemäße Zustand fast aller Ziegen im Zeitpunkt der Wegnahme, wurden beachtet und nicht kategorisch bestritten. Eine pauschale Ablehnung des gesamten Veterinäramtes kommt erst recht nicht in Betracht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 2).
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Auch unabhängig von diesen Gutachten hat der nachweispflichtige Kläger weder überzeugende Nachweise noch nachvollziehbare Anhaltspunkte vorgebracht, die auf einen erkennbaren und nachhaltigen Gesinnungswandel schließen lassen könnten.
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Auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und Ausführungen können einen geforderten Gesinnungswandel nicht begründen. Soweit der Kläger seine Bescheinigung der Abschlussprüfung als Landwirt vorlegt, ist diese auf den 11. Juli 2002 datiert und hat somit bereits vor Beginn der regelmäßigen Beanstandungen ab dem Jahr 2008 vorgelegen und nicht dazu geführt, dass der Kläger während dieser Zeit ein Bewusstsein für die Leiden seiner Tiere hatte. Auch der vom Kläger vorgelegte Mietvertrag führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn es erschließt sich nicht, warum dieser, obwohl vermeintlich am 30. Januar 2017 geschlossen, jetzt erst vorgelegt wird. Der Kläger hatte bereits mehrmals die Gelegenheit gehabt, diesen dem Landratsamt oder dem Gericht vorzulegen. Weder nach der Untersagung des Haltens und Betreuens von Tieren jeglicher Art mit Bescheid vom 29. Mai 2017, noch in der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2017 noch beim Abtransport der Ziegen legte der Kläger ohne erkennbare Begründung diesen Mietvertrag nicht vor.
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Auch auf Grundlage der sonstigen Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung konnte ein grundlegender Gesinnungswandel hinsichtlich der von ihm den Tieren zugefügten Leiden nicht erkannt werden. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass der Kläger immer noch vorbringt, man habe ihm zwei gesunde Herden weggenommen. Auch zeigte er im Zusammenhang mit seinem Verweis auf die Strafverfahren kein Einsehen. Er stützte sich lediglich darauf, dass er für seine Tiere kämpft, aber ließ unerwähnt, dass er diesbezüglich auch verurteilt wurde und diese Verurteilung auch nicht versteht. Bei einem inneren Gesinnungswandel wäre eine Auseinandersetzung hiermit zu erwarten gewesen. Aufgrund dessen vermag auch der erstmals vorgebrachte klägerische Einwand, er habe schon über längere Zeit die Tiere unterstellen wollen, nicht zu überzeugen.
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Überdies kam der Kläger wiederum nicht den weiteren Verpflichtungen eines Tierhalters über § 2 TierSchG hinaus nach, da ein Bestandsregister auch im Zeitpunkt des Abtransportes nicht vorlag und die Ohrmarken nicht ordnungsgemäß angebracht waren. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine Anforderung des § 2 TierSchG, jedoch zeigt dieses weitere Indiz, dass sich der Kläger offenbar noch nicht bewusst ist, dass er alle gesetzlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der Tierhaltung einhalten muss, zumal ihm bereits früher mehrfach das Erfordernis eines Bestandsregisters und ordnungsgemäßer Kennzeichnung der Tiere durch die Vertreter des Landratsamts dargelegt worden ist. Dieser Umstand belegt zusätzlich, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung die erforderliche Gesamtzuverlässigkeit als Tierhalter fehlt.
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Weiter ist in Aktenvermerken dokumentiert, dass der Kläger bislang seine Tierhaltung nur umgestellt hat, um den Forderungen des Landratsamts nachzukommen. Ein innerer Reifeprozess in Form eines Problembewusstseins bezüglich tierischen Leidens geht hieraus nicht hervor, da der Kläger bis zuletzt (so auch in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2019) davon ausging und noch ausgeht, dass zwei gesunde Herden abtransportiert worden seien und seine Ziegen trotz der dokumentierten Mängel nie gelitten hätten (vgl. auch Aktenvermerk über das Gespräch zwischen Herrn S. und dem Kläger vom 21. März 2018).
30
Zudem stehen dem Wiedergestattungsantrag die erheblichen Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers entgegen, über 70 Ziegen artgerecht zu versorgen, sei es in Form von Unterbringung, Futter oder/und tierärztlicher Behandlung. Neben der persönlichen Zuverlässigkeit kann im Einzelfall auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Beurteilung des inneren Reifeprozesses und der Prognose weiterer Zuwiderhandlungen Bedeutung haben (BayVGH, B.v. 27.2.2008 - 9 C 08.57 - juris). Diese erheblichen Zweifel beruhen darauf, dass aus der Gesamtschau der Behördenakten und der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, dass der Kläger nur im Rahmen einer Nebentätigkeit einen gerade mal für seine eigene Versorgung genügenden Betrag erwirtschaftet. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ziegenhaltung selbst einen Gewinn erbringt; vielmehr verursacht die Ziegenhaltung auch - vom Kläger kaum zu leistende - Ausgaben. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Ziegenhaltung mit über 70 Tieren mit erheblichen Unterbringungs-, Futter- und Tierarztkosten verbunden, welche der Kläger schon in der Vergangenheit nicht immer im erforderlichen Umfang aufbringen wollte und konnte. Auch in der mündlichen Verhandlung ergab sich nicht, inwiefern der Kläger wirtschaftlich zur tierärztlichen Versorgung in der Lage wäre. Konkrete Angaben inwiefern seine wirtschaftliche Situation sich verbessert habe, hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht erbracht. Vielmehr lässt sich der Aussage, er könne sich kein Gutachten leisten, darauf schließen, dass es ihm weiter an ausreichenden finanziellen Mitteln fehlt.
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3. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Strafsache beim Amtsgericht Gemünden, Az.: 5 DS 612 JS 7915/18, war mangels Vorgreiflichkeit (§ 94 VwGO) nicht stattzugeben. Es ist nicht ersichtlich inwiefern sich die Sach- und Rechtslage des vorliegenden Verfahrens abhängig vom Ausgang des Strafverfahrens anders entwickeln würde. Zudem sind tierschutzrechtliche Anordnungen im Verwaltungsvollzug unabhängig von und neben der Ahndung von Verstößen im Ordnungswidrigkeiten-/Strafverfahren möglich und zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2015 - 9 ZB 14.1870 - juris Rn. 10). Des Weiteren war das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet, das Gutachten des Veterinäramtes zu erschüttern, und auch unabhängig von diesem Gutachten hat der nachweispflichtige Kläger keine überzeugenden Nachweise, die eine positive Prognose zulassen würden, erbracht. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
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4. Demnach war die Klage mit der der Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.