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VG Würzburg, Urteil v. 25.03.2019 – W 2 K 18.32201
Titel:

Erfolglose, auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gerichtete Klage eines ivorischen Staatsangehörigen

Normenkette:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Ist die schlechte humanitäre Lage im Herkunftsland durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bedingt, müssen ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Klägers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung im Herkunftsland hinausgehen, um ein nationales Abschiebungsverbot zu begründen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Elfenbeinküste, Verfolgung durch okkultistische Handlungen, Junger, gesunder Mann, Kein Abschiebungsschutz, nationale Abschiebungsverbote, schwarze Magie, Okkultismus
Fundstelle:
BeckRS 2019, 5153

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.
1
Der am … … 1998 in Bouake/Elfenbeinküste geborene Kläger, ein ivorischer Staatsangehöriger islamischer Religionszugehörigkeit, vom Volk der Bambara (Dijola), reiste am 6. September 2017 auf dem Landweg über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stelle am 15. September 2017 einen Asylantrag.
2
Bei Anhörungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 19. September 2017 gab er im Wesentlichen an, dass seine gesamte Familie einer Gruppe von Magiern angehöre, und seine Mutter verlangt habe, das er sich dieser Gruppe namens „Soubaka“ auch anschließe. Alle in dieser Gruppe seien Kannibalen und würden Menschenfleisch essen. Da er das nicht gewollt habe, habe er abgelehnt, der Gruppe beizutreten. Zudem habe der Antragsteller unter Kopf- und Rückenschmerzen gelitten und sei deswegen zu einem Heiler gegangen. Dieser habe ihm Medikamente gegeben und ihm geraten, zum Schutz seines Lebens die Familie zu verlassen. Das habe er getan. Da es ihm aber dennoch immer schlechter ging, habe er sich überlegt, dass es nicht gut für ihn sei, im Land zu bleiben und habe das Land verlassen. Er könne nicht in einem anderen Landesteil fliehen, weil ihn dort die Magier verfolgen würden. Sie würden ihn überall finden, weil sie mit dem Wind arbeiten würden. Die Magie der Magier ende dort, wo das Meer beginnt.
3
Zunächst wurde der Asylantrag des Klägers wegen seiner Registrierung in Italien als unzulässig abgelehnt. Mit Bescheid vom 10. April 2018 wurde dies wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben.
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Mit Bescheid vom 5. Oktober 2018, Gz. 7212907 - 231, - dem Bevollmächtigten des Klägers per Einschreiben zur Post am 9. Oktober 2018 zugestellt - lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2), auf Asylanerkennung (Ziffer 3) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 4) als unbegründet ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 5), und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Côte d’Ivoire zur Ausreise auf (Ziffer 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot beschränkte es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7). Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 24. August 2018 Bezug genommen.
II.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018, am 26. Oktober 2018 beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen, Klage erheben.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
Unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2018, Geschäftszeichen 7212907 - 231, wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen;
hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen.
hilfsweise die Beschränkung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes herabzusetzen Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
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Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 26. Oktober 2018 dem Einzelrichter übertragen.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Bundesamtsakte, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Der Bundesamtsbescheid vom 5. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. In der Person des Klägers liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
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Das Gericht folgt der entsprechenden Begründung im Bescheid vom 5. Oktober 2018 und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
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Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
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1.1 Es liegen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vor.
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Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24. Mai 2000 - 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
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Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27. Mai 2008 - 26565/05, U.v. 28. Juni 2011 - 8319/07).
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Solche Umstände liegen in der Person des Klägers nicht vor.
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Nicht glaubhaft ist die Angabe des Klägers, dass er in seinem Heimatland von einer Gruppe von Magier verfolgt werde, indem diese Leute ihm Verwünschungen übermittelt durch den Wind zukommen ließen und durch die er krank werde. Solche „Schwarze Magie“ kann nicht als tatsächliche Verfolgungslage anerkannt werden, da sie dem allgemeinen Menschenverstand widerspricht.
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Der junge, arbeitsfähige Kläger wird zur Überzeugung des Gerichts in der Lage sein, in einer der zahlreichen Großstädte der Elfenbeinküste eine den Anforderungen des Art. 3 EMRK entsprechende Existenz für sich aufzubauen, ohne dabei auf ein familiäres Netzwerk angewiesen zu sein. Die Mitglieder seiner Familie, vor denen er sich fürchtet, werden ihn nicht finden können. Bereits vor seiner Ausreise konnte der Kläger, als er Unterkunft bei einem Freund gefunden hat, seinen Lebensunterhalt als Schneider bestreiten. Nichts deutet darauf hin, dass ihm dies im Falle einer Rückkehr nicht wieder gelingen könnte. Außerdem kann er auf die vielfältige Förderung der freiwilligen Rückkehr verwiesen werden, die ihm den Neustart in seinem Heimatland erleichtern würden. So kann nicht von einer Verelendung ausgegangen werden, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde.
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1.2 Auch § 60 Abs. 7 AufenthG ist nicht einschlägig.
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Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für § 60 Abs. 7 AufenthG relevanten Schweregrad können nicht anerkannt werden. Nicht nachgewiesen hat der Kläger die Möglichkeit, dass er aufgrund vermeintlicher Verwünschungen oder Flüche an psychischen oder psychosomatischen Beschwerden leide. Nach dem Eindruck, der der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch sein sehr reflektiertes Verhalten hinterließ, können diese auf jeden Fall nicht den für § 60 Abs. 7 AufenthG erforderlichen Schweregrad erreichen
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1.3 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
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1.4 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
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Somit hat die Klage insgesamt keinen Erfolg.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.