Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 17.06.2019 – 3 Ta 127/19
Titel:

Gegenstandswert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Normenketten:
BetrVG § 99 Abs. 4
RVG § 23 Abs. 3, S. 2, § 33
Leitsätze:
1. Da es verschiedene Rechtsauffassungen zu der Frage gibt, wie der Gegenstandswert eines Antrages auf Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG festzusetzen ist, kommt es nur darauf an, dass das Gericht bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, der im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung grundsätzlich zu Grunde gelegt werden kann, sieht für die Bewertung von Beschlussverfahren über die Eingruppierung von Mitarbeitern gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG eine Orientierung am Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG oder an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG vor, so dass eine Ermessensfehlerhaftigkeit bei deren Anwendung grundsätzlich ausgeschlossen erscheint. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Auffassung, eine Bewertung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG vorzunehmen, spricht, dass mit einer an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG orientierten Wertfestsetzung die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers im konkreten Einzelfall in den Vordergrund gestellt würden, obwohl vom Betriebsrat nicht diese, sondern vielmehr kollektive Interessen verfolgt werden. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen soll gewährleisten, dass der betroffene Arbeitnehmer der zutreffenden Vergütungsgruppe zugeordnet wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gegenstandswert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens, Ermessen, Eingruppierung, Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Gegenstandswert, Zustimmungsersetzungsverfahren
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 16.04.2019 – 38 BV 102/18
Fundstelle:
BeckRS 2019, 44098

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts München vom 16.04.2019 - 38 BV 102/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22.03.2018 beantragt, die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung ihrer Mitarbeiter in die Entgeltgruppe 9 a Stufe 1 bzw. 3 TVöD-K/VKA zu ersetzen. Durch Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.02.2019 - 38 BV 102/18 - ist die verweigerte Zustimmung von zuletzt drei Arbeitnehmerinnen ersetzt worden.
2
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 16.04.2019 den Gegenstandswert für das Verfahren zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung auf 8.750,00 € festgesetzt. Es halte die Auffassung für zutreffend, wonach das Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich Einstellungen, Versetzungen und Eingruppierungen gemäß § 99 BetrVG mit dem Hilfswert von 5.000,00 € gemäß § 23 Abs. 3 RVG bewertet würden. Es gehe um die Frage des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats. Dies sei unabhängig vom Interesse der Arbeitsvertragsparteien an einer Eingruppierung zu bewerten und habe für die individualarbeitsvertragliche Bewertung keine präjudizielle Wirkung. Für die Eingruppierung der „ersten“ Arbeitnehmerin sei daher ein Betrag von 5.000,00 € anzusetzen, für die folgenden drei Arbeitnehmerinnen jeweils 25% hiervon, d.h. jeweils 1.250,00 €, woraus sich insgesamt 8.750,00 € ergäben.
3
Gegen den ihnen am 17.04.2019 zugestellten Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.04.2019, eingegangen beim Arbeitsgericht München am 02.05.2019, namens und im Auftrag der Antragstellerin und Beteiligten zu 1), Beschwerde eingelegt und beantragt,
die Höhe des Gegenstandswerts auf 1.882,96 € festzusetzen.
4
Der Streitwertkatalog in der Fassung vom 09.02.2018 gebe unter Ziff. II.14.3 vor, dass sich der Gegenstandswert bei Ein- und Umgruppierungen an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG orientieren solle. Auch habe die Entscheidung im Beschlussverfahren präjudizielle Wirkung für das Verfahren im Eingruppierungsrechtsstreit, da sich der Arbeitnehmer auf das Ergebnis des Beschlussverfahrens berufen könne. Für die Berechnung des Gegenstandswerts im Einzelnen wird auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 29.04.2019 (Bl. 227 d. A.) Bezug genommen.
5
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 07.05.2019 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit lasse alternativ zu § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG eine Bewertung orientiert an § 23 Abs. 3 RVG zu. Im Hinblick auf den Streitgegenstand, bei dem es um die Wahrung der Rechte des Betriebsrats gehe, sei dies zutreffender.
6
Im Rahmen ihrer Stellungnahme auf den Nichtabhilfebeschluss führte die Antragstellerin aus, dass die nach dem Streitwertkatalog grundsätzlich zulässige Möglichkeit der Gegenstandswertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG im vorliegenden Fall unrichtig sei. Im zugrundeliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren sei es um die Frage gegangen, in welche Entgeltgruppe die Mitarbeiter einzugruppieren seien. Die Wahrung der Rechte des Betriebsrats habe nicht in Frage gestanden, weil die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren ja gerade eingeleitet habe, da unstreitig ein Mitbestimmungsrecht bestehe. Zudem verweise § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG bei fehlenden Regelungen im RVG u.a. auf das GKG. Mit § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG liege eine Vorschrift vor, die zur Bemessung des Gegenstandswertes herangezogen werden könne. Schließlich sei das Kostenbegrenzungsgebot zu beachten, das die generelle Überbürdung der entstehenden Kosten auf den Arbeitgeber bis zur unangemessenen Belastung verhindern solle. In Angelegenheiten, in denen es nicht um die Wahrung der Rechte des Betriebsrats gehe, sondern die Arbeitgeberin gerade durch die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens diese Rechte wahre, solle die Belastung möglichst gering gehalten und die Berechnungsvariante gewählt werden, die diese Voraussetzung erfülle.
7
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss zur Festsetzung des Gegenstandswerts zurückzuweisen, und die Auffassung vertreten, dass die Wahl zwischen zwei Berechnungsmöglichkeiten nach dem Streitwertkatalog nicht per se ermessensfehlerhaft sein könne. Auch führe die Antragstellerin nur abstrakte Argumente an.
8
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
9
Die nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
10
1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, denn bereits die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gegenstandswert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG 357,00 €. Darüber hinaus wurde die Frist von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde, § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG, gewahrt. Aufgrund der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 17.04.2019 lief die zweiwöchige Beschwerdefrist am Mittwoch, dem 01. Mai 2019 ab, so dass die am 02.05.2019 eingelegte Beschwerde die Frist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO wahrte.
11
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert ermessensfehlerfrei auf 8.750,00 € festgesetzt, §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 Satz 3 2. HS RVG.
12
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München ist die Feststellung des Gegenstandswerts eine Ermessensentscheidung, an die das Beschwerdegericht gebunden ist, solange keine neuen Tatsachen zu beurteilen sind und das Arbeitsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht fehlerhaft oder missbräuchlich Gebrauch macht (vgl. etwa LAG München, Beschluss vom 01.09.2010 - 2 Ta 308/10 -, nicht veröffentlicht; vom 25.03.2010 - 7 Ta 122/10 -, nicht veröffentlicht; vom 21.11.1985 - 6 Ta 150/85 -, LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 50; LAG München, Beschluss vom 23.06.2015 - 3 Ta 170/15 - BeckRS 2015, 71071; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 22.05.2014 - 3 Ta 51/14 - nicht veröffentlicht, unter Wiedergabe seiner entsprechenden Entscheidungen; vgl. aber Beschluss vom 27.07.2006 - 4 Ta 100/06 - BeckRS 2006, 30806368 m. w. Nach.). Das Landesarbeitsgericht hat als Beschwerdegericht also nur zu prüfen, ob das Arbeitsgericht sein Ermessen überhaupt ausgeübt und dabei die gesetzlichen Grenzen eingehalten hat, ohne dass es eine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München vom 25.03.2010, a. a. O.).
13
b) Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes ist die Festsetzung des Gegenstandswerts durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Arbeitsgericht sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.
14
aa) Es gibt verschiedene Rechtsauffassungen zu der Frage, wie der Gegenstandswert eines Antrages nach § 99 Abs. 4 BetrVG festzusetzen ist (vgl. hierzu Schwab in Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2017, § 12 Rn. 274 m.w.N.; Schleusener in GK/ArbGG, Stand 12/2016, § 12 Rn. 468). Auch der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, der im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung grundsätzlich zu Grunde gelegt werden kann, sieht für die Bewertung von Beschlussverfahren über die Eingruppierung von Mitarbeitern gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG eine Orientierung am Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG oder an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG vor (vgl. Streitwertkatalog Ziff. II. Nr. 14.3 i.V.m. 14.2.1 und 14.2.2).
15
bb) Das Arbeitsgericht München hat sich mit seiner Festsetzung im Rahmen der rechtlich vertretbaren Auffassungen gehalten und sein Ermessen damit nicht überschritten (vgl. hierzu auch LAG München, Beschluss vom 22.11.2010 - 4 Ta 31/10). Für seine Auffassung, die streitgegenständlichen Anträge nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten, spricht, dass mit einer an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG orientierten Wertfestsetzung die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers im konkreten Einzelfall in den Vordergrund gestellt würden, obwohl vom Betriebsrat nicht diese, sondern vielmehr kollektive Interessen verfolgt werden. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen soll gewährleisten, dass der betroffene Arbeitnehmer der zutreffenden Vergütungsgruppe zugeordnet wird. Dies dient vor allem der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis. Welcher Wert der Durchsetzung einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung beizumessen ist, hängt nicht ausschließlich von der im Einzelfall gegebenenfalls eintretenden Entgeltdifferenz ab. Der Gesichtspunkt der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit ist nicht mehr oder weniger gewichtig, nur weil der betroffene Arbeitnehmer bei der von dem Betriebsrat für richtig gehaltenen Ein- oder Umgruppierung eine höhere oder niedrigere Vergütungsdifferenz beanspruchen könnte (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 26.02.2015 - 17 Ta (Kost) 6014/15 -; ihm folgend LAG Nürnberg, Beschluss vom 24.08.2017 - 4 Ta 135/17 -; Sächsisches LAG, Beschluss vom 18.11.2014 - 4 Ta 168/14 -; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.05.2015 - 1 Ta 103/15 -; siehe auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.09.2009 - 5 Ta 104/11 -). Der Betriebsrat verfolgt unzweifelhaft dann keine wirtschaftlichen Interessen des betroffenen Arbeitnehmers, wenn dieser nach seiner Auffassung einer tieferen Vergütungsgruppe zuzuordnen wäre. Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer seine individuellen Vergütungsansprüche ggf. auf den Ausgang des Zustimmungsersetzungsverfahrens stützen kann (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 58/93 -), ist Folge, nicht aber Gegenstand des zu bewertenden Beschlussverfahrens.
16
Der Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG steht nicht entgegen, dass sich der Gegenstandswert erst dann aus dem Hilfswert ergibt, wenn er nicht aus den durch Satz 1 in Bezug genommenen Vorschriften ermittelt werden kann. Da ein Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit darstellt, ist ein Rückgriff auf § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG nicht möglich (vgl. Schwab in Schwab/Weth, a.a.O., Rn. 274).
17
Schließlich ist der Überlegung der Antragstellerin, die Berechnungsvariante nach § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG sei zu wählen, um die Kostenbelastung der Arbeitgeberin möglichst gering zu halten, nicht zuzustimmen. Je nach zu zahlender Vergütung könnte der Gegenstandswert auch mehr als 5.000,00 € betragen. Es stellt keinen Ermessensfehler dar, bei der Gegenstandswertfestsetzung wirtschaftliche Erwägungen als nicht alleinentscheidend anzusehen.
18
cc) Gegen die Wertfestsetzung in Bezug auf die mehreren Anträge hat die Antragstellerin keine Bedenken vorgebracht. Solche sind auch nicht ersichtlich.
III.
19
Die Beschwerdeführer haben die nach Nr. 8614 KVGKG anfallende Gerichtsgebühr zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist nicht gebührenfrei, § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG. Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festzusetzenden Gegenstandswertes (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07 - m.w.N.).
IV.
20
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.