Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 09.01.2019 – W 5 E 18.1671
Titel:

Obdachlosenunterbringung - Inanspruchnahme eines Nichtstörers

Normenkette:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 8, Art. 9 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Wiedereinweisung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten in die von ihm zu räumende oder geräumte Wohnung kommt wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Hauseigentümers als Nichtstörer nur in Fällen schwerster Notlagen, denen die Obdachlosenbehörde auf andere Weise nicht abhelfen kann, für einen eng begrenzten Zeitraum von etwa zwei Monaten in Betracht (vgl. u.a. BayVGH BeckRS 1990, 3442); diese Grundsätze sind wegen des gleichartigen Eigentumseingriffs auch auf die "Wiedereinweisung" in eine andere Wohnung des gleichen Hauses anzuwenden. (Rn. 26 und 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine solche "Wiedereinweisung" scheitert schon dem Grunde nach, wenn eine andere Möglichkeit für eine vorübergehende, den Mindestanforderungen genügende Unterbringung besteht und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass bei deren Nutzung eine Gesundheitsgefahr drohen würde (Parallelentscheidung zu VG Würzburg BeckRS 2019, 3509). (Rn. 31 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Obdachlosenrecht, kein Anspruch auf erneute Einweisung in bisherige Wohnung, schwerste Notlage, Eigentumseingriff, begrenzter Zeitraum, andere Unterbringungsmöglichkeit, Mindestanforderungen, Gesundheitsgefahr
Fundstelle:
BeckRS 2019, 3505

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die erneute Einweisung in die Räume der ehemaligen Pächterwohnung des Beigeladenen für die Dauer von drei Monaten.
2
1. Aufgrund der Stilllegung des Beherbergungsbetriebs im ...Haus, K...straße ... in 6. G. (...Haus), wies der Antragsgegner den zuvor in einem Zimmer des ...Hauses wohnenden Antragsteller zur Abwendung seiner Obdachlosigkeit mit Bescheid vom 2. August 2018 und mit Wirkung vom 31. Juli 2018 zwangsweise in die ehemalige Pächterwohnung des ...Hauses ein, die im Eigentum des Beigeladenen steht. Dem Antragsteller wurden im ersten Obergeschoss das hintere Zimmer der ehemaligen Pächterwohnung sowie die sanitären Räumlichkeiten rechts des Treppenaufgangs bis auf Weiteres zugewiesen.
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Der Antragsgegner verpflichtete mit Bescheid vom 6. August 2018 den Beigeladenen, die zwangsweise Unterbringung des Antragstellers spätestens bis 30. September 2018 zu dulden.
4
Mit Schreiben vom 6. September 2018 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er aktuell ein Zimmer in der gemeindlichen Obdachlosenunterkunft in der H...straße ... in 6. G. (Obdachlosenunterkunft) frei habe. Damit könne nach Wegfall des Unterbringungsgrundes im ...Haus die Unterbringung über den festgesetzten Einweisungstermin hinaus nicht fortgesetzt werden. Die Einweisung ende somit spätestens zum 31. Oktober 2018. Danach werde der Antragsteller ein freies Zimmer in der Obdachlosenunterkunft erhalten.
5
Mit Bescheid vom 27. September 2018 verlängerte der Antragsgegner die Duldungspflicht des Beigeladenen bis voraussichtlich zum 31. Oktober 2018 und später bis voraussichtlich zum 18. November 2018.
6
Mit Ziffer 1 Satz 1 und 2 des Bescheids vom 8. November 2018 wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Wirkung zum 19. November 2018 in die Obdachlosenunterkunft in der M...straße ... in 6. G. ein. Ihm wurde die Erdgeschosswohnung mit Küche und Bad zur gemeinschaftlichen Nutzung zugewiesen. Mit Ziffer 1 Satz 3 des Bescheids wurde verfügt, dass die Einweisung in das ...Haus, K...straße ... in 6. G. zum 18. November 2018 endet. Die Zuweisung der Unterkunft erfolgt befristet bis 31. Dezember 2018. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg Klage und beantragte hilfsweise, den Antragsgegner zu verurteilen, den Antragsteller in die bisherige Wohnung, K...straße ... in 6. G., wieder einzuweisen (W 5 K 18.1582).
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Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2018 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten darüber hinaus beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (W 5 S 18.1582).
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2. Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2018 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beantragen,
„den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller in seine bisherige, dem ... gehörende Wohnung in der K...straße ..., 6. G., im ersten Obergeschoss, bestehend aus dem hinteren Zimmer links sowie Sanitäranlage rechts im Treppenhaus mit einer Frist von drei Monaten einzuweisen.“
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Zur Begründung wurde auf den Gesundheitszustand des Antragstellers und die vorgelegten ärztlichen Atteste und Schreiben verwiesen. Ihm sei es auch nicht zumutbar, mit anderen Personen in einem Schlafraum von gerade 16 m² unterkommen zu müssen, weil sich dann dort seine gesundheitlichen Probleme zum Einen massiv manifestierten und zum Anderen eine massive Verschlechterung eintreten würde. Eine Wiedereinweisung in die bisherigen Räume sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal das Anwesen seit Jahren leer stehe. Auch habe der Antragsteller massive Bemühungen unternommen, eine andere Wohnung zu finden.
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3. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2019 beantragte der Antragsgegner, den Antrag nach § 123 VwGO zurückzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Wohnung in der Obdachlosenunterkunft verfüge über insgesamt 34,7 m², die sich auf ein Bad, eine Küche sowie einen Aufenthalts-/Schlafraum erstreckten. Dieser sei ausgestattet mit zwei Einzelbetten (Holzgestell mit Matratze), einem Esstisch, drei Stühlen und einem großen Kleiderschrank. In der Küche seien eine Spüle sowie ein Schrank vorhanden. Das Bad sei mit einem WC, einer Dusche und einem Waschbecken voll ausgestattet. Die Wohnung werde maximal mit zwei Personen belegt. Die Räumlichkeiten seien bis August 2018 als gewöhnliche Mietwohnung genutzt worden. Nach Auszug der letzten Mieterin seien die Räumlichkeiten ausgeräumt und grundgereinigt worden. Die erste Belegung mit einem Obdachlosen sei am 27. November 2018 erfolgt. Diese Person halte sich nach wie vor noch in der Wohnung auf. Es bleibe fraglich, wie durch eine Doppelbelegung der Räumlichkeiten das Leben und die Gesundheit des Antragstellers gefährdet würden. Der Eingriff in das Eigentumsrecht des Beigeladenen sei im Hinblick auf eine durchaus zumutbare Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft nicht gerechtfertigt. Eine Abwendung der Obdachlosigkeit des Antragstellers sei grundsätzlich zu jeder Zeit gewährleistet. Die Wohnung in der Obdachlosenunterkunft werde für den Antragsteller freigehalten. Dieser habe jederzeit die Möglichkeit, sich nach kurzfristiger Rücksprache mit dem Ordnungsamt dort einweisen zu lassen.
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4. Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie auf die Gerichts- und Behördenakten in den Verfahren W 5 K 18.1582 und W 5 S 18.1582 Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist bereits unzulässig.
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1. Die Verpflichtungsklage ist im Rahmen des mit dem streitgegenständlichen Antrag verbundenen Hauptsacheverfahrens nicht die statthafte Klageart.
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Da sich der Antragsteller bei Auslegung seines Klagebegehrens (§ 88 VwGO) im Hauptsacheverfahren gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt wendet, ist statthafte Klageart die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, sodass im Wege des Eilrechtsschutzes ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der seitens des Antragstellers erhobene Antrag nach § 123 VwGO ist demgegenüber gemäß § 123 Abs. 5 VwGO lediglich subsidiär statthaft und aus diesem Grund vorliegend unzulässig.
17
Bei dem Ausspruch der Beendigung der Einweisung in das ...Haus zum 18. November 2018 in Ziffer 1 Satz 3 des Bescheids vom 8. November 2018 handelt es sich um eine den Antragsteller belastende Regelung. Denn damit verliert der begünstigende ursprüngliche Einweisungsbescheid vom 2. August 2018, mit dem der Antragsgegner den Antragsteller in die Räume der Pächterwohnung des ...Hauses ursprünglich bis auf Weiteres eingewiesen hat, zum angegebenen Zeitpunkt seine Wirksamkeit. Ob es sich hierbei um eine nachträgliche Befristung des ursprünglichen Einweisungsbescheids oder um seine Aufhebung handelt, kann hier dahinstehen. Im Übrigen (Ziffern 1 Satz 1 und 2, Ziffern 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 des Bescheids) hat sich der Bescheid vom 8. November 2018 durch Zeitablauf erledigt (vgl. Ziffer 3 des Bescheids).
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Mit der Anfechtung der Ziffer 1 Satz 3 des Bescheids vom 8. November 2018 ist dem Klagebegehren des Antragstellers zudem vollumfänglich entsprochen, weil bei einer Aufhebung dieser Regelung seine ursprüngliche Einweisung in das ...Haus bis auf Weiteres im Bescheid vom 2. August 2018 wieder aufleben würde.
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2. Selbst wenn man aber - entgegen der Auffassung der Kammer - von einer Zulässigkeit des Antrags ausginge, wäre der Antrag jedenfalls unbegründet.
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Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
21
Diese Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung nicht gegeben.
22
2.1. Es kann hier dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund deshalb glaubhaft gemacht ist.
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2.2. Der Antragsteller hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller keinen Rechtsanspruch gegen den Antragsgegner auf Unterbringung in den bisher von ihm genutzten Räumen.
24
Nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. Dazu gehört die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser.
25
Ein Anspruch des Obdachlosen auf sicherheitsrechtliches Einschreiten besteht nur, soweit und solange er die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger in zumutbarer Weise und Zeit beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 - 4 CE 06.2465 - BayVBl. 2007, 439; VGH Kassel, B.v. 24.9.1991 - 11 TG 1481.91 - juris). Denn die Gefahrenabwehrpflicht der Sicherheitsbehörde gilt nur bezüglich der Abwehr einer „unfreiwilligen“ Obdachlosigkeit, die nur dann vorliegt, wenn eine Person nicht über eine Unterkunft verfügt, die einen Minimalschutz vor der Witterung und zur Sicherung der notwendigsten Lebensbedürfnisse bietet (vgl. VGH Mannheim, B.v. 5.3.1996 - 1 S 470/96 - NVwZ-RR 1996, 439 = juris), die aber - wegen der Subsidiarität des Obdachlosenrechts - nicht vorliegt, wenn der Betroffene selbst - wirtschaftlich, finanziell und nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen des Wohnungsmarktes - dazu in der Lage ist, die drohende Obdachlosigkeit abzuwenden.
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Bei der Unterbringung Obdachloser hat die Gemeinde als Sicherheitsbehörde ein Ermessen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 8 LStVG); sie hat unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Da die Obdachlosenunterbringung grundsätzlich nur eine Notlösung sein kann, muss der Obdachlose eine weitgehende Einschränkung seiner Wohnansprüche bis zur Grenze der menschenwürdigen Unterbringung hinnehmen (BayVGH, B.v. 26.4.1993 - 21 B 91.1461 - BayVBl. 1993, 569). Primär hat die Unterbringung dabei in einer gemeindeeigenen oder der Gemeinde zur Verfügung stehenden (Not-)Unterkunft zu erfolgen. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann als ultima ratio die Wiedereinweisung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Vermieter in die bisher vom Obdachlosen bewohnten Räume in Frage kommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt die Wiedereinweisung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten in die von ihm zu räumende oder geräumte Wohnung wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Hauseigentümers als Nichtstörer (Art. 9 Abs. 3 LStVG) allerdings nur in Fällen schwerster Notlagen, denen die Obdachlosenbehörde auf andere Weise nicht abhelfen kann, für einen eng begrenzten Zeitraum von etwa zwei Monaten in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.1990 - 21 B 90.00335; B.v. 21.4.1998 - 4 ZS 98.1164; B.v. 25.9.1998 - 4 CS 98.2581 - alle juris).
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2.2.1. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Antragsteller vorliegend keinen Anspruch auf erneute Einweisung in die Räume der ehemaligen Pächterwohnung des ...Hauses des Beigeladenen. Denn der eng begrenzte Zeitraum für eine solche Wiedereinweisung von etwa zwei Monaten ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schon weit überschritten.
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Zwar hat der Antragsteller vor der erstmaligen zwangsweisen Einweisung in Räume der ehemaligen Pächterwohnung des ...Hauses nicht in ebendiesen Räumen gewohnt, sondern in einem Zimmer des nunmehr stillgelegten Beherbergungsbetriebs im ...Haus. Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Wiedereinweisung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten in eine früher von ihm bewohnte Wohnung sind vorliegend aber dennoch zur Anwendung zu bringen, weil es insoweit auf den hier wie dort damit verbundenen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Hauseigentum eines Nichtstörers ankommt.
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Der Antragsgegner wies den Antragsteller mit Bescheid vom 2. August 2018 und mit Wirkung vom 31. Juli 2018 zwangsweise in die streitgegenständlichen Räume der ehemaligen Pächterwohnung des ...Hauses ein und verpflichtete den Beigeladenen mit Bescheid vom 6. August 2018 zur Duldung dieser zwangsweisen Unterbringung bis spätestens 30. September 2018, später verlängert bis „voraussichtlich zum“ 18. November 2018. Tatsächlich bewohnt der Antragsteller noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung diese Räume. Der Antragsgegner hat den Antragsteller mithin bereits über einen Zeitraum von dreieinhalb Monaten zwangsweise in den streitgegenständlichen Räumen des Beigeladenen untergebracht und der Antragsgegner bewohnt diese Räume darüber hinaus seit nunmehr weiteren eineinhalb Monaten. Bei der ursprünglichen Einweisung des Antragstellers durch den Antragsgegner handelt es sich auch um solch eine zwangsweise Einweisung. Unabhängig von den Ausführungen des Antragsgegners in den Gründen des Bescheids vom 8. November 2018 und unabhängig des zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen stattgefundenen Telefonats ergibt sich dies aus dem hier entscheidend zugrunde zu legenden Tenor des Bescheids vom 2. August 2018 sowie aus den damit einhergehenden Duldungsanordnungen gegenüber dem Beigeladenen in den Bescheiden vom 6. August 2018, 27. September 2018 und 5. November 2018, die vorliegend ursächlich für die Unterbringung des Antragstellers im ...Haus sind. Dass der Beigeladene hiergegen nicht gerichtlich vorgegangen ist, steht dem nicht entgegen. Eine Wiedereinweisung des Antragstellers in diese Räume - wie beantragt - kommt daher aufgrund des bereits erfolgten massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich geschützte Hauseigentum des Beigeladenen als Nichtstörer in keiner Weise in Betracht.
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2.2.2. Darüber hinaus ist auch kein - für die Wiedereinweisung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten in die bisher von ihm bewohnten Räume aber erforderliche - Fall einer schwersten Notlage gegeben, dem die Obdachlosenbehörde auf andere Weise nicht abhelfen kann. Der Antragsteller ist vielmehr primär in der gemeindeeigenen Obdachlosenunterkunft unterzubringen.
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Voraussetzung für einen Anspruch des Antragstellers auf Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung ist, dass jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft und die Wiedereinweisung die einzig denkbar Maßnahme wäre, um der drohenden Obdachlosigkeit abzuhelfen, das Ermessen der Antragsgegnerin also auf Null reduziert ist. Eine Einweisung in die bisherige Wohnung scheitert rechtlich demnach schon dem Grunde nach daran, wenn andere Möglichkeiten für die vorübergehende und den Bedürfnissen des Antragstellers gerecht werdende Unterbringung bestehen. Die vorübergehende Unterbringung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten stellt lediglich eine Notmaßnahme dar, solange der Untergebrachte keine dauerhafte Wohnmöglichkeit hat. Er kann keine Unterbringung in einer den allgemeinen oder seinen bisherigen Lebensverhältnissen entsprechenden Wohnung verlangen. Ein Obdachloser, der sich hilfesuchend an die Allgemeinheit wendet, muss eine weitgehende Einschränkung seiner Wohnansprüche hinnehmen. Die Anforderungen an eine Obdachlosenunterkunft sind demgemäß gering. Nach der Rechtsprechung ist lediglich erforderlich, dass es sich um eine den Mindestanforderungen genügende Unterkunft handelt. Weitergehende Lebensbedürfnisse hat die Obdachlosenbehörde nicht abzudecken. Es ist ausreichend, wenn ihm eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt (BayVGH, B.v. 26.4.1993 - 21 B 91.1461 - BayVBl. 1993, 569). Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die zur Verfügung gestellte Obdachlosenunterkunft keine Dauerwohnung darstellt.
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Die Wiedereinweisung in die bisher von dem Antragsteller bewohnten Räume des ...Hauses ist vorliegend nicht die einzig denkbare Maßnahme, um der drohenden Obdachlosigkeit abzuhelfen, sodass das Ermessen des Antragsgegners also nicht auf Null reduziert ist. Denn mit der Wohnung in der Obdachlosenunterkunft besteht eine andere Möglichkeit für die vorübergehende und den Bedürfnissen des Antragstellers gerecht werdende Unterbringung. Die dem Antragsteller auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts von dem Antragsgegner noch angebotene dortige Unterbringung ist dem Antragsteller insbesondere zumutbar. Es ist seitens des Antragstellers nicht dargetan, dass die Unterbringung aus zwingenden Gründen ausscheidet.
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Nach dem vorgelegten fachärztlichen Attest von Frau ... (Fachärztin für Innere Medizin, Aschaffenburg) vom 27. November 2018 ist seit einigen Jahren bekannt, dass der Antragsteller an multiplen internistischen Grunderkrankungen, wie einer chronisch fortgeschrittenen Niereninsuffizienz (Stadium 3a), einem medikamentös behandelten Diabetes mellitus Typ 2 sowie einer essentiellen arteriellen Hypertonie, leidet, auf dem Boden derer er am 29. September 2018 einen akuten transmuralen Myokardinfarkt erlitt. Der Antragsteller wurde daraufhin notfallmäßig mit einem koronaren Stent versorgt. Postinterventionell zeige sich bei dieser noch subkutanen koronaren Herzerkrankung somatisch ein grenzwertig stabiler Verlauf. Der Antragsteller leide allerdings unter starken rezidivierenden Schwindelzuständen und Kreislaufdepletionen und psychisch bestehe eine Agitation. Um die Genesung voranzutreiben und die Gesundheit zu erhalten benötige der Antragsteller derzeit unbedingt eine soziale und psychische Stabilität. Starke emotionale Belastungen und Zukunftssorgen gefährdeten den Gesundheitszustand.
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Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers führen nicht dazu, dass die Unterbringung des Antragstellers in der Wohnung der Obdachlosenunterkunft aus zwingenden Gründen ausscheidet und die streitgegenständliche Einweisung in die bisherigen Räume im ...Haus zwingend erforderlich wäre. Es ist - auch unter Berücksichtigung des fachärztlichen Attests - nichts dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller bei der Nutzung der Obdachlosenunterkunft aufgrund des Zustands der Wohnung bzw. der Tatsache, dass die Wohnung von insgesamt zwei Personen genutzt wird, eine Gesundheitsgefahr drohen würde. Der Zustand der Wohnung in der Obdachlosenunterkunft entspricht nach dem Vortrag des Antragsgegners allen an diese zu stellenden Anforderungen. Betreffend etwaiger Zukunftssorgen und emotionaler Belastungen des Antragstellers ist festzustellen, dass sich diesbezüglich keine Unterschiede daraus ergeben, in welcher Unterkunft der Antragsteller zur Abwendung seiner Obdachlosigkeit untergebracht wird.
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Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. November 2018 war im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Antragstellers war nicht angezeigt.
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Der Antragsteller hat nach Aktenlage keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihn in die bisherigen Räume einweist; sein Antrag nach § 123 VwGO ist abzulehnen.
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3. Zugleich war der mit dem Sofortantrag gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ff. ZPO).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 63 Abs. 2 GKG (Auffangstreitwert 5.000,00 EUR, Halbierung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz).