Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.02.2019 – 21 C 18.1818
Titel:

Aufhebung eines Waffenbesitzverbotes - Erfolgloser Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Normenketten:
VwGO § 166
ZPO § 114
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
BayVwVfG Art. 49
BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung des § 5 Abs. 1 WaffG sind die Eintragungen im Bundeszentralregister und damit grundsätzlich auch die insoweit einschlägigen Tilgungsfristen maßgeblich. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verbot erlaubnispflichtiger Waffen ist unter anderem dann geboten, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht erfüllt sind, weil dem Betroffenen die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenrecht:, erfolglose Beschwerde des Klägers, Waffenbesitzverbot, Berücksichtigung zurückliegender Straftaten, Aufhebung, erlaubnisfreie Waffen, erlaubnispflichtige Waffen, Freiheitsstrafe, waffenrechtliche Zuverlässigkeit, negative Verhaltensprognose
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 21.08.2018 – Au 4 K 18.1148
Fundstelle:
BeckRS 2019, 1676

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit welcher er die Neuverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung eines Waffenbesitzverbots begehrt.
2
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 untersagte die Beklagte dem Kläger den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen und ebensolcher Munition, weil ihm die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG fehle.
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Dem lag zugrunde, dass am 3. September 2004 bei einer Durchsuchung des Zimmers des Klägers ein Kleinkalibergewehr mit Zielfernrohr sowie ein Karton mit insgesamt 627 Schuss Munition gefunden worden waren, für welche die erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht vorlagen. Außerdem hatten Zeugen ausgesagt, dass der Kläger mehrfach geschossen habe.
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Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts L… vom 9. Februar 2005 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und vorsätzlichen unerlaubten Führens von zwei Schusswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und einer Woche verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
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Mit Urteil des Amtsgerichts L… vom 2. Juli 2008 wurde der Kläger wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.
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Mit Urteil des Amtsgerichts A… vom 30. August 2012 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 WaffG in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Landgerichts L… vom 22. Februar 2013 mit der Maßgabe verworfen, dass dieser zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde am 27. März 2013 rechtskräftig.
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Dem lag zugrunde, dass er jeweils an mindestens einem Tag im Jahr 2011 im Schützenverein S… und im Schützenverein G… e.V. aktiv am Schießen mit dem Luftdruckgewehr teilgenommen sowie am 17. Januar 2012 die tatsächliche Verfügungsgewalt über 376 Kugeln, Kaliber 4,5 mm Luftgewehr ausgeübt hatte.
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Eine erste Klage des Klägers auf Aufhebung des Waffenbesitzverbots wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 24. Juli 2013 ab (Az. Au 4 K 13.775). Den hiergegen gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Januar 2014 ab (Az. 21 ZB 13.1781).
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Am 11. Mai 2018 beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten erneut die Aufhebung des Waffenbesitzverbots, was durch die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2018 abgelehnt wurde.
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Hiergegen ließ der Kläger am 2. Juli 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben, mit der er die Verpflichtung der Beklagten begehrte, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids seinen Antrag auf umfassende Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2005 erneut zu verbescheiden, „rein vorsorglich und hilfsweise“ seinen Antrag nur insoweit zu verbescheiden, als der Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition betroffen sei.
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Den am 4. Juli 2017 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. August 2018 ab, weil die Klage voraussichtlich weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg haben werde.
12
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde.
II.
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1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht abgelehnt.
14
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung dürfen dabei nicht überspannt werden. Ob eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, beantwortet sich anhand einer summarischen Prüfung, wobei es genügt, wenn es eine gewisse Erfolgsaussicht gibt, also ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterliegen (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Sept. 2018, § 166 Rn. 29 m.w.N.).
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1.1 Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung bietet die auf Aufhebung des Waffenbesitzverbots gerichtete Klage nach diesem Maßstab im Hauptantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Ein Widerruf scheidet somit aus, wenn die Voraussetzungen für das gegenüber dem Kläger ausgesprochene Waffenbesitzverbot fortbestehen. Dies ist hier der Fall.
17
1.1.1 Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 3 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, unter anderem dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Gegenstände erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Insoweit darf auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, denn sie konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Dezember 2018, § 5 Rn. 14; Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 41 Rn. 5).
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Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss zu Recht festgestellt, dass diese Voraussetzungen vorliegen, weil der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach negativ im Umgang mit Waffen aufgefallen ist (UA S. 6).
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1.1.2 Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
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a) Der Prozessvertreter des Klägers weist im Grundsatz zutreffend darauf hin, dass alte Lebenssachverhalte, welche viele Jahre zurückliegen, bei der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nur dann Verwendung finden können, wenn vorgetragen werde, warum gerade „wegen besonderer Vorkommnisse bei dem damaligen Tatgeschehen“ auch ein Rückschluss auf das heutige und künftige Verhalten gezogen werden kann.
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Dies führt hier aber nicht weiter, weil der Kläger durch sein Verhalten Tatsachen geschaffen hat, die eine negative Verhaltensprognose im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG begründen und damit einen Rückschluss auf sein weiteres Verhalten rechtfertigen.
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Eine solche Prognose stützt sich darauf, dass der Kläger über einen Zeitraum von vielen Jahren immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und zudem mehrere der von ihm begangenen Straftaten einen Zusammenhang mit Waffen aufweisen. So hat der Kläger trotz des Urteils des Amtsgerichts L… vom 9. Februar 2005, mit welchem er unter anderem wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und vorsätzlichen unerlaubten Führens von zwei Schusswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von fünf Monaten und einer Woche verurteilt wurde, sein Verhalten auch in waffenrechtlicher Hinsicht nicht nachhaltig geändert. In der Folgezeit wurde er nicht nur mit Urteil vom 9. Februar 2008 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen verurteilt, sondern hat, wie sich aus dem Urteil vom 30. August 2012 ergibt, in den Jahren 2011 und 2012 erneut auch gegen waffenrechtliche Bestimmungen verstoßen, indem er trotz des durch die Beklagte ausgesprochenen Waffenbesitzverbots mindestens dreimal die tatsächliche Verfügungsgewalt über Waffen innehatte. Er hat dadurch gezeigt, dass sich seine innere Einstellung, im Zweifel im eigenen Interesse waffenrechtliche Vorgaben zu missachten, im Laufe der Jahre weiter verfestigt hat. Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht diese Tatsachen zum Anlass nimmt, aus „der Wiederholung und Hartnäckigkeit“ die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers zu folgern (UA S. 6 f.).
23
Der Berücksichtigung der früheren Straftaten steht auch nicht entgegen, dass diese mehr als fünf Jahre zurückliegen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass die Eintragungen im Bundeszentralregister noch nicht getilgt sind (UA S. 7). Wie der Senat bereits entschieden hat, sind im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung des § 5 Abs. 1 WaffG die Eintragungen im Bundeszentralregister und damit grundsätzlich auch die insoweit einschlägigen Tilgungsfristen (§ 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BZRG) maßgeblich (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2012 - 21 ZB 12.866 - juris, Rn. 10). Dem entspricht es, dass die Waffenbehörde gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WaffG im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister einzuholen hat.
24
b) Soweit der Prozessvertreter des Klägers eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, kann er damit schon deshalb nicht durchdringen, weil es im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers allein auf die - hier fehlenden - Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache ankommt. Für eine Prüfung des gerügten Verfahrensfehlers bleibt daher kein Raum.
25
1.1.3 Hinsichtlich des Besitzverbotes für erlaubnispflichtige Waffen und Munition (§ 41 Abs. 2 WaffG) ergibt sich nichts anderes. Wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, ist ein Verbot erlaubnispflichtiger Waffen unter anderem dann geboten, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht erfüllt sind, weil dem Betroffenen die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 - 6 C 30.11 - juris Rn. 35). Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
26
1.2 Für die Erfolgsaussichten im „Hilfsantrag“ gilt schon deshalb nichts anderes, weil es sich bei dem als „Hilfsantrag“ formulierten Antrag lediglich um eine Beschränkung des Streitgegenstands des Hauptantrags und nicht um einen echten Hilfsantrag handelt.
27
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
28
Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
29
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).