Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 05.02.2019 – RN 5 E 18.1899
Titel:

Wiedererteilung der Approbation

Normenketten:
BÄO § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 2
VwGO § 123
Leitsatz:
Ein Rechtsanspruch auf Aufhebung der Ruhensanordnung besteht, wenn die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs wieder hergestellt ist. Es genügt nicht, dass Zweifel an der festgestellten Ungeeignetheit zur Ausübung des ärztlichen Berufs bestehen, sondern vielmehr dürfen keine Zweifel mehr an der Geeignetheit zur Ausübung des ärztlichen Berufs vorliegen. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung des Ruhens der Approbation, Vorwegnahme der Hauptsache, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, gesundheitliche Eignung, Verfahrensverzögerung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 1519

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller möchte erreichen, dass eine Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes aufgehoben wird.
2
Am 1.5.1996 wurde dem Antragsteller die Approbation als Arzt erteilt. Mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 27.8.2012 wurde das Ruhen dieser Approbation angeordnet. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf ein psychiatrisches Gutachten des Herrn Dr. X* … vom 6.8.2012 ausgeführt, dass der Antragsteller nicht in der Lage sei, den ärztlichen Beruf sorgfältig und objektiv auszuüben. Beim Antragsteller liege eine psychotische Erkrankung vor. Das seit mindestens 1997 bekannte Krankheitsgeschehen, das zu Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur geführt habe, sei mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen, Realitätsverlust, Denkstörungen und mangelnder Krankheitseinsicht verbunden. Aktuell sei von einer akuten Psychose auszugehen, bei der ein denk- und wahrnehmungsstörendes Syndrom dominiere, das zusehends exazerbiere. Die Regierung der Oberpfalz sei in Übereinstimmung mit dem Gutachten davon überzeugt, dass diese Erkrankung den Antragsteller zur Ausübung des Arztberufes ungeeignet mache, zumal diese Erkrankung nicht bzw. nicht ordnungsgemäß therapiert werde. Wie zahlreichen Arzt- und Krankenhausberichten zu entnehmen sei, habe der Antragsteller in der Vergangenheit die ihm verordnete Medikation immer wieder eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den behandelnden Ärzten abgesetzt. Die beim Antragsteller vorliegende seelische Erkrankung habe Auswirkungen auf die Arzt-/Patientenbeziehung. Er sei dem Gutachten zur Folge nicht in der Lage, die nötige innere Distanz zu Patienten einzuhalten. Zu einer leitliniengerechten Arzt-/Patientenbeziehung sei er nicht in der Lage. Eine eigenverantwortliche ärztliche Entscheidungsfindung sei nicht möglich. Es bestünde die konkrete Gefahr, dass Patienten durch eine nicht lege artis durchgeführte Therapie bzw. durch Fehlbehandlungen in ihrer Gesundheit geschädigt würden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids, der bestandskräftig geworden ist, Bezug genommen.
3
In der Folgezeit gab es zur Frage, ob die Ruhensanordnung wieder aufgehoben werden kann, Gespräche und umfangreichen Schriftwechsel zwischen den Beteiligten. Auf den Antrag des Antragstellers vom 15.8.2014, die Ruhensanordnung aufzuheben, wurde die Privatdozentin Dr. Y* … am …-Klinikum in … um eine gutachterliche Untersuchung gebeten, ob der Antragsteller wieder zur Ausübung des Arztberufes geeignet ist. Aufgrund einer Arbeitsüberlastung hat diese den Auftrag an den im gleichen Haus tätigen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z* … weitergegeben.
4
In dem nervenärztlichen Gutachten des Herrn Dr. Z* … vom 11.8.2016, das auch auf einem psychodiagnostischen Zusatzgutachten vom 1.8.2016 der Dipl.-Psychologin Frau A* … beruht, wird zusammenfassend ausgeführt, dass eine schizotype Störung (ICD 10 F 21) diagnostiziert werde. Aufgrund des bisherigen Verlaufs könne nicht befürwortet werden, dass dem Antragsteller die Approbation wieder erteilt werde. Es handele sich um eine schwere psychische Erkrankung, die chronisch sei und bei der keine Besserung zu erwarten sei. Aufgrund der Affektstörung und der Denkstörung erscheine der Kontakt zu Patienten von vornherein gestört. Da der Antragsteller dazu neige, die implizite Kommunikation im Sozialkontakt fehlzuinterpretieren und bei mangelnder Fähigkeit zur Selbstkritik auch nicht zu Korrekturen in der Lage sei, wäre sein Einsatz auf bestimmte Aufgabenbereiche zu beschränken, wie dies vermutlichen bei den Angiographien der Fall sei. Da seine Gedanken und Sorgen häufig intensiv um eigene Befindlichkeitsstörungen kreisen würden, sei entsprechend damit zu rechnen, dass er die Aufmerksamkeit weniger auf die Befindlichkeitsstörungen der Patienten konzentrieren könne ohne Vergleiche mit sich selbst durchzuführen. Der Antragsteller scheine ferner kaum belastbar, wie die letzten Jahre seiner Arbeitstätigkeit bewiesen hätten, was er aber selbst nicht erkenne. Durch seine abweichenden Vorstellungen im Vergleich zu heutigen medizinischen Standards könne nicht damit gerechnet werden, dass er sich an die vorgegebenen Leitlinien halte. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gutachten Bezug genommen.
5
Mit Schreiben vom 19.10.2016 hat der Antragsteller seinen Antrag auf Aufhebung des Ruhens der Approbation zurückgenommen, aber bereits angekündigt, selbst einen Gutachter zu beauftragen. Der Antragsteller legte daraufhin mehrere ärztliche Stellungnahmen vor, unter anderem einen Arztbrief des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) vom 1.2.2017. Darin wird über einen stationären Aufenthalt berichtet. Es liege eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.5) vor. Für eine schizoide Persönlichkeitsstörung oder schizotype Störung seien im SKID-II nicht ausreichend Kriterien und in der klinischen Beobachtung keine entsprechenden Auffälligkeiten gegeben. Die Entlassungsdiagnose stehe einem beruflichen Wiedereinstieg grundsätzlich nicht entgegen.
6
Mit Schreiben vom 9.8.2017 beantragte der Antragsteller erneut, ihm die ärztliche Approbation wiederzuerteilen.
7
Mit Schreiben vom 9.5.2018 nahm die bei der Regierung von Oberbayern beschäftigte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Frau Dr. B* …, zur gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs Stellung. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 11.8.2016 stelle Herr Dr. Z* … fest, dass aufgrund des bisherigen Verlaufs eine Erteilung der ärztlichen Approbation nicht befürwortet werden kann. Er attestiere, dass es sich um eine schwere psychische Erkrankung handele, die chronisch sei und bei der keine Besserung zu erwarten sei. Die am 1.8.2016 durchgeführte neurologische Zusatzbegutachtung sei wesentlich ausführlicher und umfassender als die im MPI erfolgte SKID-II-Diagnostik, bei der es sich lediglich um ein strukturiertes Interview handele. Insofern sei das Ergebnis der ausführlichen neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 1.8.2016 aussagekräftiger und dem SKID-II als alleinigem Verfahren überlegen. Herr Dr. Z* … habe sich zur Frage der gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes klar geäußert und die gesundheitliche Eignung verneint. Dem stünden die Ausführungen des Arztbriefes des MPI vom 1.2.2017 nicht zwingend entgegen. Hierin werde lediglich allgemein konstatiert, dass die Entlassungsdiagnose einem beruflichen Wiedereinstieg grundsätzlich nicht entgegenstehe, ohne dass klar formuliert werde, dass der Antragsteller vor dem Hintergrund des stets sicherzustellenden Patientenschutzes zur Ausübung des ärztlichen Berufs gesundheitlich geeignet sei. Im Hinblick auf den Patientenschutz sei auch die Aussage des Dr. Z* … hervorzuheben, es könne nicht erwarten werden, dass sich der Antragsteller durch seine abweichenden Vorstellungen im Vergleich zu heutigen medizinischen Standards an die vorgegebenen medizinischen Leitlinien halte. Hinzu komme im Ergebnis der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung die Einschränkung, dass der Antragsteller in emotional überfordernden Situationen charakteristischerweise blockiere und keine Lösungen finde. Zusammenfassend sei aus fachlicher Sicht festzustellen, dass das psychiatrische Gutachten von Herrn Dr. Z* … vom 11.8.2016 unter Einbeziehung der Ergebnisse der ausführlichen neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 1.8.2016 fachlich stimmig und überzeugend sei, sodass Einverständnis mit seiner abschließenden Beurteilung bestünde. Durch den Entlassbrief aus dem MPI vom 1.2.2017 könne die Aussage des Gutachtens nicht entkräftet werden.
8
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16.5.2018 ließ der Kläger Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 16 K 18.2348) erheben. Über das Ergebnis der hausinternen Bewertung vom 9.5.2018 war der Antragstellerbevollmächtigte erst mit Schreiben vom 24.5.2018 unterrichtet worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 4.10.2018 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München zudem um einstweiligen Rechtschutz gemäß § 123 VwGO (Az. M 16 E 18.4906) nachsuchen. Mit Beschlüssen vom 26.10.2018 verwies das Verwaltungsgericht München beide Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Verwaltungsgericht Regensburg. Mit Schreiben vom 19.11.2018 wurden die Akten dem Verwaltungsgericht Regensburg vorgelegt. Das Klageverfahren wird hier unter dem Az. RN 5 K 18.1900 geführt.
9
Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird ausgeführt, dass nach der Antragstellung am 9.8.2017 nichts geschehen sei. Es seien daher mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben und dann die Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht München eingereicht worden. Die hausinterne Stellungnahme der Regierung von Oberbayern vom 9.5.2018 sei erst über das Verwaltungsgericht am 25.7.2018 vorgelegt worden. Zum ursprünglichen Vorschlag der Regierung, eine neue Begutachtung auf Kosten des Antragstellers durchzuführen, sei der damaligen Berichterstatterin beim Verwaltungsgericht München mitgeteilt worden, dass der Antragsteller eine derartige rechtswidrige Zumutung nicht akzeptieren könne. Als die angekündigte schriftliche Mitteilung der Regierung zu ihrem Vorschlag nicht gekommen sei, habe vorliegender Eilantrag gestellt werden müssen. Mit Schreiben vom 24.10.2018 sei eine weitere Dienstaufsichtsbeschwerde angedroht worden, da bei der Regierung von Oberbayern wiederum nichts geschehen sei. Einen darauf folgenden Anruf der zuständigen Sachgebietsleiterin habe der Bevollmächtigte des Antragstellers zur Vermeidung weiterer Verzögerungen ablehnen müssen. Er habe um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Zudem habe er die Sachgebietsleiterin in geduldiger Kleinarbeit davon überzeugen müssen, dass es Aufgabe der entscheidenden Behörde sei, den Sachverhalt zu ermitteln, wobei es für die Auferlegung von Kosten gegenüber dem Antragsteller keine Rechtsgrundlage gebe. Schließlich habe sich die Sachgebietsleiterin zur Kostenübernahme bereit erklärt und die Benennung eines Gutachters angekündigt. Das Verfahren werde von der Regierung von Oberbayern unerträglich verzögert. Inzwischen sei zusätzlich bei der Regierungspräsidentin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Abteilungsleiter eingereicht worden. Es falle auf, dass sich die Regierung weigere, eine notwendige aktuelle Untersuchung des Antragstellers zu veranlassen. Erst unter dem Druck des Eilverfahrens habe sich dies alibimäßig geändert, denn die angeordnete Untersuchung habe noch immer nicht stattgefunden. Der Gutachter habe dem Antragsteller lediglich am 6.12.2018 eine E-Mail geschickt. Der Antragsgegner unternehme nichts, um seiner Verpflichtung zur Beschleunigung zu genügen. Nach § 6 Abs. 2 BÄO habe der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Ruhensanordnung. Es handele sich um eine Ermessensentscheidung, wobei ein Ermessensfehlgebrauch unter anderem vorliege, wenn die Behörde von unzutreffenden, unvollständigen oder falsch gedeuteten rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. So lägen die Dinge hier. Im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG sei es dem Antragsteller nicht zuzumuten, weiterhin die Untätigkeit der Behörde hinzunehmen. Diese habe nicht ansatzweise darlegen können, weshalb bei einer etwa vorläufigen Aussetzung der Ruhensanordnung in irgendeiner Weise Risiken oder Gefahren für Leib und Leben anvertrauter Patienten bestehen könnte. Es könne nicht gesehen werden, dass sich die Stellungnahme vom 9.5.2018 mit dem Arztbrief vom 1.2.2017 nachvollziehbar auseinandersetze. Das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache stehe einem stattgebenden Beschluss nicht entgegen.
10
Der Antragsteller lässt zuletzt beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, das Ruhen der Approbation des Antragstellers vorläufig auszusetzen,
hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig die Approbation wiederzuerteilen,
hilfsweise vorab den Antragsgegner zu verpflichten, nachdrücklich und unter Fristsetzung den Gutachter Dr. C* … zu veranlassen, nunmehr unverzüglich die notwendige Untersuchung durchzuführen.
11
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
12
Eine Verschleppung des Antrags auf Aufhebung des Ruhens der Approbation sei zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 3.4.2018 seien die genauen Umstände geschildert worden. Die eingereichten Unterlagen hätten von der hausinternen Fachärztin geprüft werden müssen, was einige Zeit in Anspruch genommen habe. Nach Vorliegen der Stellungnahme vom 9.5.2018 sei der Antragstellervertreter darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass sich nach gründlicher Prüfung aller Unterlagen an der gesundheitlichen Situation nichts geändert habe. Der Bescheid vom 27.8.2012 sei weiterhin rechtmäßig. Vor dem Hintergrund des stets sicherzustellenden Patientenschutzes habe eine wiedererlangte gesundheitliche Eignung des Antragstellers nicht festgestellt werden können. Ohne eine solche gutachterlich explizit festgestellte wiedererlangte gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes könne eine Aufhebung der Ruhensanordnung nicht erfolgen. Eine medizinische Begutachtung des Antragstellers sei hierfür zwingend erforderlich. Der Antragsteller sei zuletzt von dem Beklagten gebeten worden, bis 14.12.2018 einen Termin mit Dr. C* … vom Bezirkskrankenhaus Landshut zu vereinbaren. Dieser habe sich bereit erklärt, die Begutachtung durchzuführen. Er sei fachlich hierzu geeignet und zudem noch nicht mit dem Fall betraut gewesen, weshalb eine unabhängige und unvoreingenommene Begutachtung gewährleistet sei. Aufgrund der mittlerweile langen Verfahrensdauer erkläre sich die Regierung von Oberbayern bereit zur Übernahme der Gutachterkosten.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsacheverfahren (RO 5 K 18.1900), im Eilrechtsschutzverfahren und auf die Behördenakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat weder im Haupt- noch in den Hilfsanträgen Erfolg.
15
1) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Formen der einstweiligen Anordnung setzen neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der begehrten Anordnung (Anordnungsgrund) voraus, dass der Antragsteller mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Anordnung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
16
Dem Wesen und Zweck des Verfahrens entsprechend kann das Gericht mit einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem jeweiligen Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was Klageziel des Hauptsacheverfahrens wäre. Begehrt der Antragsteller die Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung, so kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) - ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ein Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.11.2013 Az. 6 VR 3.13; BayVGH, Beschluss vom 19.1.2018 Az. 21 CE 17.1646 m.w.N.).
17
Der Antrag des Antragstellers ist an diesen erhöhten Anforderungen zu messen, die für eine Vorwegnahme der Hauptsache gelten. Diese besonderen Voraussetzungen gelten auch dann, wenn die begehrte Rechtsposition im Wege der einstweiligen Anordnung zunächst nur für einen befristeten Zeitraum beansprucht wird. Auch hier würde das Gericht den Antragsteller im Fall einer Stattgabe vorübergehend so stellen, als ob er in der Hauptsache obsiegt hätte (vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 27.10.2016 Az. 5 B 141/16 m.w.N.).
18
2) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann der Antragsteller im Hinblick auf die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Ruhens der Approbation weder einen Anordnungsanspruch (a), noch einen Anordnungsgrund (b) glaubhaft machen, sodass eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht kommt. Daran ändern auch die geltend gemachten Verzögerungen im Verwaltungsfahren nichts (c).
19
a) Für einen Erfolg in der Hauptsache besteht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine hohe Wahrscheinlichkeit, sodass kein Anordnungsanspruch vorliegt.
20
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) kann das Ruhen der Approbation durch die zuständige Behörde angeordnet werden, wenn die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO nachträglich weggefallen ist. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO regelt, dass die Approbation als Arzt zu erteilen ist, wenn der Antragsteller nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist. Gemäß § 6 Abs. 2 BÄO ist die Anordnung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. § 6 Abs. 2 BÄO räumt somit dem von einer Ruhensanordnung Betroffenen einen Rechtsanspruch auf deren Aufhebung ein, wenn seine gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs wieder hergestellt ist (vgl. VG München, Urteil vom 26.9.2017 Az. M 16 K 16.4035).
21
Dafür liegen gegenwärtig jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar ist zu sehen, dass laut dem Arztbrief des MPI vom 1.2.2017 für eine schizotype Störung im SKID-II nicht ausreichend Kriterien und in der klinischen Beobachtung keine entsprechenden Auffälligkeiten gegeben seien. Eine solche schizotype Störung hatte hingegen der Gutachter Dr. Z* … angenommen. Nun hat aber die Regierung von Oberbayern nicht unbeirrt an dem Gutachten des Dr. Z* … festgehalten, sondern die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Frau Dr. B* …, hat sich in ihrer Stellungnahme vom 9.5.2018 zur gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs mit dem Arztbrief des MPI vom 1.2.2017 beschäftigt und aus ihrer fachlichen Expertise heraus eingehend begründet, weshalb sie das psychiatrische Gutachten von Herrn Dr. Z* … vom 11.8.2016 unter Einbeziehung der Ergebnisse der ausführlichen neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 1.8.2016 weiterhin für fachlich stimmig hält. Sie kam zu dem Ergebnis, dass durch den Entlassbrief aus dem MPI vom 1.2.2017 die Aussage des Gutachtens nicht entkräftet würde. Hiergegen wird von der Antragstellerseite nun fachlich nichts Konkretes eingewendet. Vor dem Hintergrund könnte bereits zweifelhaft sein, ob die Erkenntnisse in dem Gutachten vom 11.8.2016 objektiv überhaupt in einem solchen Maße in Frage gestellt sind, dass eine neue Begutachtung erforderlich wird. Dies bedarf aber keiner abschließenden Beurteilung, da nunmehr eine solche Begutachtung auf Kosten des Antragsgegners und damit zu Gunsten des Antragstellers stattfindet. Denn selbst wenn unterstellt wird, dass das Gutachten vom 11.8.2016 stichhaltig angezweifelt ist, so könnte daraus unter keinen denkbaren Gesichtspunkten ein Anordnungsanspruch in vorliegendem Verfahren resultieren. Es genügt nicht, dass Zweifel an der festgestellten Ungeeignetheit zur Ausübung des ärztlichen Berufs bestehen, sondern vielmehr dürfen keine Zweifel mehr an der Geeignetheit zur Ausübung des ärztlichen Berufs vorliegen. Insoweit kann nur das in Auftrag gegebene Gutachten Klarheit bringen. Da angesichts der aktuell laufenden Vorbereitungen zur Erstellung des Gutachtens eine Untätigkeit der Behörde im Sinne des § 75 VwGO jedenfalls gegenwärtig nicht vorliegt, wird das Hauptsacheverfahren gemäß § 75 Satz 4 VwGO auszusetzen sein. Überdies ist schließlich zu sehen, dass der Antragsteller in der Hauptsache bislang beantragt hat, den Freistaat Bayern zu verpflichten, über den Antrag vom 9.8.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, mithin eine auf ein Bescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichtete Klage erhoben hat. Vor diesem Hintergrund würde das Begehr im Eilverfahren nicht nur eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen, sondern über den Streitgegenstand der Hauptsache hinausgehen, was vorliegend aber erkennbar den rechtlichen Rahmen des § 123 VwGO überschreiten würde. Nach alledem liegt kein Anordnungsanspruch für die begehrte einstweilige Anordnung vor.
22
b) Der Antragsteller hat darüber hinaus auch keinen den oben genannten hohen Anforderungen genügenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es sind für den Antragsteller keine schweren und unzumutbaren, nachträglich nicht zu beseitigenden Nachteile glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnten. Insbesondere hat er keine gegenwärtigen existenziellen wirtschaftlichen Nachteile geltend gemacht. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr erhält der Antragsteller bislang offenbar Versorgungsleistungen der Bayerischen Ärzteversorgung. Sollte dies nicht zutreffen, so ist gleichwohl nicht dargelegt worden, dass der Antragsteller vorübergehend keine Arbeitsstelle im nichtärztlichen Bereich ausüben könnte oder weshalb sonst er den o.g. Nachteilen ausgesetzt sein soll (vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 27.10.2016 a.a.O.).
23
c) Soweit die Ausführungen des Antragstellerbevollmächtigten im gerichtlichen Verfahren dazu dienen sollen, eine Verfahrensverzögerung aufzuzeigen, so resultieren daraus für das streitgegenständliche Begehr keine rechtserheblichen Defizite.
24
Zwar ist ein Verwaltungsverfahren nach Art. 10 Satz 2 BayVwVfG einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Regierung von Oberbayern diese allgemeinen Verfahrensgrundsätze in bestimmten Zeitabschnitten nicht ausreichend beachtet hat. Es ist rechtlich offenkundig, dass ein solcher Verstoß für sich genommen keinen Anspruch des Antragstellers darauf begründen kann, dass der Antragsgegner die Anordnung des Ruhens der Approbation aufhebt. Dafür ist nach § 6 Abs. 2 BÄO vielmehr erforderlich, dass die Voraussetzungen für diese Anordnung nicht mehr vorliegen. Mithin muss der Antragsteller in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des ärztlichen Berufs wieder geeignet sein. Ein solcher Nachweis ist nach derzeitigem Sachstand nicht erbracht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.1.2018 a.a.O.).
25
3) Auch der ausdrücklich auf vorläufige Wiedererteilung der Approbation gerichtete Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg. Dies bereits deshalb, weil dem Antragsteller die Approbation als Arzt nach wie vor noch erteilt ist. Da gemäß § 6 Abs. 1 BÄO das Ruhen angeordnet wurde, kann daher der Sache nach nur der Antrag auf Aufhebung des Ruhens gemäß § 6 Abs. 2 BÄO zielführend sein. Überdies lägen auch für die Erteilung einer Approbation offensichtlich weder die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BÄO zur gesundheitlichen Eignung, noch die prozessualen Voraussetzungen für eine Vorwegnahe der Hauptsache vor. Hierzu ist auf die Ausführungen unter 2) zu verweisen.
26
4) Schließlich ist auch der weitere Hilfsantrag, die Regierung von Oberbayern zu verpflichten, nachdrücklich und unter Fristsetzung den Gutachter Dr. C* … zu veranlassen, nunmehr unverzüglich die notwendige Untersuchung durchzuführen, abzulehnen. Ungeachtet der Frage, ob, wie und in welchem Maße ein solches Begehr überhaupt einer einstweiligen Anordnung zugänglich sein kann, ist der Antrag bereits deshalb abzulehnen, weil eine nicht ordnungsgemäße Sachbearbeitung insoweit nicht erkennbar ist.
27
Die Regierung von Oberbayern informierte mit Schreiben vom 6.12.2018, dass der Antragsteller gebeten wurde, bis 14.12.2018 einen Termin mit Dr. C* … zu vereinbaren. Dieser teilte dem Antragsteller per E-Mail vom 6.12.2018 mit, dass er sich für die umfänglichen Unterlagen bedanke und diese zunächst eingehend studieren möchte. Ferner gab er an, das der den Antragsteller im Anschluss daran zu einem Gespräch einladen werde. Terminvorschläge, voraussichtlich im Laufe des Januar 2019 sende er rechtzeitig zu. Da bereits eine Vielzahl ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen vorliegt, erscheint es absolut sachgerecht und nachvollziehbar, dass der Gutachter zunächst die Unterlagen „eingehend studieren“ möchte. In seinem Vorgehen ist keine unsachgemäße Verzögerung erkennbar. Dies gilt auch, wenn es im Januar noch zu keinem Terminvorschlag gekommen sein sollte. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegt keine Verzögerung vor. Ob es zu einem früheren Zeitpunkt problematische Verzögerungen gab, ist vorliegend nicht streiterheblich. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Regierung von sich aus bereits früher ein Gutachten auf eigene Kosten anbieten hätte müssen. Denn nunmehr ist geklärt, dass die Regierung die Kosten für das bereits in Auftrag gegebene Gutachten übernimmt. Ein Verfahren gemäß § 123 VwGO hat nicht den Zweck, Feststellungen zu etwaigen rechtserheblichen Verzögerungen in der Vergangenheit zu treffen, sondern ist darauf ausgelegt, gegenwärtig im Raum stehende wesentliche Nachteile abzuwenden.
28
5) Im Ergebnis war der Antrag deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
29
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Nach Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs ist bei einer Klage auf Erteilung einer Approbation im Hauptsacheverfahren ein Mindeststreitwert in Höhe von 30.000,- EUR vorgesehen. Da eine Aufhebung des Ruhens der Approbation im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen mit der Erteilung einer Approbation vergleichbar ist und zudem explizit ein Hilfsantrag auf Wiedererteilung der Approbation gestellt war, erscheint dieser Streitwert auch in vorliegender Streitsache angemessen. Dieser Streitwert ist nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.