Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 29.01.2019 – W 10 S 19.50031
Titel:

Erfolgloser Eilantrag eines Ghanaers gegen eine Abschiebungsanordnung nach Finnland

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1
AsylG § 29 Abs. 1, § 34a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2
Dublin III-VO Art. 18
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
Leitsätze:
1. In Bezug auf Finnland liegen keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens oder unzureichende Aufnahmebedingungen, die zu einer Verletzung der durch die EU-GRCharta gewährleisteten Rechte führen, vor; vielmehr haben Asylbewerber Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten und erhalten eine Grundversorgung sowie eine Unterkunft. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das inlandsbezogene Vollstreckungshindernis der erheblichen konkreten Gefahr aus Gesundheitsgründen ist nur im Falle von lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten anzunehmen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (BVerwG BeckRS 2007, 20389). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überstellung nach der Dublin III-VO, Finnland, keine systemischen Mängel in Finnland, fehlende qualifizierte ärztliche Bescheinigung über die vorgetragenen Krankheiten, unzulässiger Asylantrag, Abschiebungsanordnung, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis
Fundstelle:
BeckRS 2019, 1515

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer von der Antragsgegnerin angeordneten Abschiebung nach Finnland.
2
1. Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge ghanaischer Staatsangehöriger, dem Volk der Banda zugehörig und islamischen Glaubens. Er verließ sein Herkunftsland nach eigenen Angaben im März 2006 und reiste über verschiedene andere Länder am 2. Dezember 2018 in das Bundesgebiet ein. Am 17. Dezember 2018 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
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Da dem Bundesamt Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) vorlagen, richtete es am 9. Januar 2019 ein Übernahmeersuchen an Finnland. Die finnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 9. Januar 2019 auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
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Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages gab der Antragsteller unter anderem an, er sei über Burkina Faso, Niger, Libyen, Italien, Schweden und Finnland, Italien und die Schweiz nach Deutschland gelangt. Auf Nachfrage bestätigte der Antragsteller, in Finnland internationalen Schutz beantragt zu haben.
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Mit Bescheid vom 10. Januar 2019, dem Antragsteller zugestellt am 16. Januar 2019, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Finnland an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Finnland aufgrund des dortigen Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO zuständig sei. Sollte der Antragsteller entgegen der bisherigen Erkenntnislage in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten haben, bleibe es gleichwohl bei der Unzulässigkeit des Asylantrags, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamts nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Finnland führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge, da die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nicht erfüllt seien. Ebenso fehlten Gründe für eine Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 4 EU-Grundrechtecharta vorläge. Weiterhin bestünden in Finnland keine systemischen Mängel, welche die Sicherheitsvermutung widerlegen würden. Die dortigen Aufnahmeeinrichtungen entsprächen internationalen Standards, ein Zugang zum Asylverfahren, zu medizinischer Versorgung sowie juristischer Unterstützung sei gewährleistet. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 10. Januar 2019 Bezug genommen.
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2. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 16. Januar 2019 zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage (W 10 K 19.50030) und beantragte zugleich im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung verweist der Antragsteller insbesondere auf seine beim Bundesamt vorgetragenen Gründe. Ergänzend bringt er vor, dass ihm in Finnland gesagt worden sei, dass er nach Italien zurückkehren solle, da er an einer Krankheit leide und er daher zu hohe Kosten für medizinische Behandlungen verursachen würde. Er habe Schmerzen auf der linken Seite des Körpers, die sich durch den gesamten Körper hindurchzögen. Er habe zudem Schmerzen in Kopf und Rücken, so dass er manchmal nicht sprechen könne, zeitweise habe er kein Gefühl in den Extremitäten. Er leide auch an Muskel- und Nervenschmerzen. In Finnland habe er nur Schmerzmittel bekommen, die ihm nicht geholfen hätten. Zudem habe er in Finnland keine Unterstützung, keine Unterkunft und kein Essen erhalten. Er sei in Deutschland beim Arzt gewesen, der bei einer Blutuntersuchung zunächst nichts habe feststellen können. Er brauche aber noch einen weiteren Termin bei einem Facharzt zur Abklärung seiner Beschwerden. Er habe niemanden, der ihn unterstütze. Er bitte um ein menschenwürdiges Leben in Deutschland.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Wegen der Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, die Akten im Verfahren W 10 K 19.50030, die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
II.
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Der wörtlich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers dem erkennbaren Begehren entsprechend nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur bezüglich der von der Antragsgegnerin unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Abschiebungsanordnung begehrt. Der so auszulegende Antrag ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Finnland ist zulässig. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen. Eine Klage gegen die Abschiebungsanordnung entfaltet von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag ist daher statthaft und wurde innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt.
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2. Der Antrag ist allerdings unbegründet. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Klage in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids keine Zweifel. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung.
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Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen des Antragstellers in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Bewertung.
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a) Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Absatz 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Eurodac-Treffers bereits in Finnland einen Asylantrag gestellt, der jedoch abgelehnt wurde, was nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO die Verpflichtung Finnlands nach sich zieht, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO) wieder aufzunehmen. Da diese Frist noch nicht abgelaufen ist, ergibt sich auch auf Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin.
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b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nach Finnland. Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU - Grundrechtecharta mit sich bringen. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass das in Art. 4 der EU - Grundrechtecharta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung ist und aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 der EU - Grundrechtecharta) und seines daraus resultierenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen von Asylbewerbern nach der Dublin - Verordnung vollumfänglich beachtet werden muss (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 5.4.2016 - C-404/15, C-659/15 - NJW 2016, 1709 Rn. 85, 86; U.v. 16.2.2017 - C-578/16 - NVwZ 2017, 691 Rn. 59).
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Das gemeinsame Europäische Asylsystem fußt auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Hierbei handelt es sich zwar um eine widerlegliche Vermutung. Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU - Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 - 10 LB 82/17 - juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 - 27725/10 - ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Dublin-Überstellung stünden nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
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Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht auf der Basis einer Gesamtwürdigung nach dem aktuellen Erkenntnisstand und im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon aus, dass in Bezug auf Finnland offensichtlich keine systemischen Mängel des Asylverfahrens vorliegen oder dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 der EU - Grundrechtecharta gewährleisteten Rechte führen. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Asylbewerber in Finnland entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten haben und sowohl eine Grundversorgung als auch eine Unterkunft erhalten.
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Das Gericht schließt sich daher der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Finnland über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt (vgl. VG Augsburg, B.v. 12.2.2018 - Au 6 S 18.50217 - juris; VG Ansbach, U.v. 10.3.2017 - AN 14 K 17.50004 - juris; VG Ansbach, B.v. 11.4.2018 - AN 14 S 17.51206 - juris; VG München, B.v. 3.1.2017 - M 8 S 16.51182 - juris; VG Bayreuth, U.v. 8.8.2017 - B 3 K 17.50070 - juris).
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Soweit der Antragsteller angibt, nicht nach Finnland zurückkehren zu können, da sein Asylantrag dort abgelehnt und er nach Italien zurückgeschickt worden sei, sei darauf hingewiesen, dass eine negative Entscheidung über den Asylantrag durch den Zielstaat der Überstellung im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle spielt. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO regelt ausdrücklich, dass grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig ist. Durch die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO wird nicht die Möglichkeit geschaffen, inzident zu prüfen, ob die im Zielstaat der Überstellung getroffene Entscheidung über den Asylantrag den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde (vgl. VG Bayreuth, U.v. 8.8.2017 - B 3 K17.50070 - juris Rn. 33).
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Weiterhin liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten.
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c) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Fall des Antragstellers weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse bestehen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Das Gericht vermag alleine in Ansehung der vorgetragenen gesundheitlichen Probleme nicht zu erkennen, dass der Gesundheitszustand des Antragstellers einer Abschiebung entgegenstehen würde. Die vorgetragenen Schmerzen am Körper können eine Reiseunfähigkeit vorliegend nicht begründen. Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese gesetzliche Vermutung kann nur durch Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung widerlegt werden (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). An einem derartigen Nachweis fehlt es vorliegend bereits. Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftmachung der Erkrankungen durch aussagekräftige Atteste ist derzeit auch nicht davon auszugehen, dass aufgrund der vom Antragsteller vorgetragenen Beschwerden eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausdrücklich klargestellt, dass eine derartige erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur im Falle von lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten anzunehmen ist, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - BVerwGE 127, 33). Finnland verfügt über eine umfassende Gesundheitsfürsorge auf hohem Niveau. Daher ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seine Krankheiten auch in Finnland behandeln lassen kann. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Sätze 2 und 3 AufenthG.
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Die Abschiebung des Antragstellers nach Finnland ist somit sowohl möglich als auch rechtlich zulässig.
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3. Da die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Der Antrag war daher abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.