Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 31.01.2019 – Au 6 M 19.30053
Titel:

Kostenerinnerung

Normenketten:
VwGO § 151, § 165
RVG § 30 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz:
§ 30 Abs. 1 S. 2 RVG bietet keine Grundlage für eine Abrechnung eines gemeinsamen Klageverfahrens mehrerer Asylantragsteller nach Teilgegenstandswerten.  (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Erinnerung, Anwaltsgebühren, Erhöhung des Gegenstandswerts durch Beteiligung mehrerer Personen an demselben Verfahren, Keine einzelnen (Teil-)Gegenstandswerte je beteiligter Person, Kostenerstattung, Kostenfestsetzung, Gegenstandswert, Teilgegenstandswert, außergerichtliche Aufwendung, Asylverfahren, Gerichtskostenfreiheit
Fundstelle:
BeckRS 2019, 1236

Tenor

I. Die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1 zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen werden unter Abänderung von Nr. 1. des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Januar 2019 auf 134,62 Euro festgesetzt.
Die Erinnerung wird im Übrigen zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1
Der Erinnerungsführer (Antragsteller zu 1) wendet sich gegen die im Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Januar 2019 vorgenommene Kürzung der ihm von der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen.
I.
2
Die Antragsteller sind ein Ehepaar armenischer Staatsangehöriger. Sie begehrten im Klageverfahren (Au 6 K 18.31685) gemeinsam ihre Asylanerkennung, die Zuerkennung von Flüchtlings- und subsidiärem Schutz sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
3
Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin unter Aufhebung von Ziffern 5 bis 7 ihres Bescheids vom 8. Oktober 2018, soweit sie der folgenden Verpflichtung entgegenstehen, für den Kläger zu 1 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armeniens festzustellen, und wies im Übrigen die Klagen ab (VG Augsburg, U.v. 12.11.2018 - Au 6 K 18.31685). Es verpflichtete die Beklagte, von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1 ein Viertel zu tragen und verpflichtete die Antragsteller, im Übrigen ihre außergerichtlichen Kosten und die restlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens selbst zu tragen.
4
Der Bevollmächtigte der Antragsteller beantragte am 11. Dezember 2018 die Kostenfestsetzung aus einem Gegenstandswert von 5.000 Euro für eine Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG Nr. 3100 VV-RVG (1,3 fach) in Höhe von 393,90 Euro, eine Terminsgebühr nach § 13 RVG Nr. 3104 VV-RVG (1,2 fach) in Höhe von 363,60 Euro sowie eine Pauschale für Post- und Telekomunikation nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro, insgesamt netto 777,50 Euro nebst 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG in Höhe von 147,73 Euro, insgesamt mithin 925,23 Euro zu erstatten.
5
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Januar 2019, dem Bevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 14. Januar 2019, wurden die dem Antragsteller von der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen auf 134,59 Euro, also ein Viertel aus 538,36 Euro festgesetzt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für die Verfahrens- und Terminsgebühr ein Gegenstandswert von 6.000,00 Euro für beide Antragsteller zusammen anzusetzen und für den Antragsteller zu 1 daraus ein Viertel der auf ihn fallenden Hälfte der außergerichtlichen Aufwendungen festzusetzen sei:
Die Aufwendungen seien demnach bei einem Gegenstandswert von 6.000 Euro wie folgt zu berechnen:
6
1,3 Verfahrensgebühr 460,20 Euro
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1,2 Termingebühr 424,60 Euro
8
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 Euro
9
Zwischensumme 904,80 Euro
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19% Umsatzsteuer 171,91 Euro
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Summe 1.076,71 Euro
12
Somit bestehe für den Antragsteller zu 1 ein Anspruch auf ein Viertel aus der Hälfte von 1.076,71 Euro, also 134,59 Euro.
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Am 14. Januar 2019 beantragte der Antragsteller zu 1 die Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) und führte aus, für den Antragsteller zu 1 seien 5.000 Euro als Gegenstandswert zu Grunde zu legen, als wenn er alleine geklagt hätte, daraus Aufwendungen also insgesamt von 231,31 Euro.
14
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor.
15
Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung der Erinnerung aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Kostenakten auch der Verfahren Au 6 K 18.31685 und Au 6 S 18.31686 Bezug genommen.
II.
17
Die nach § 165 i.V.m. § 151 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Erinnerung ist nur geringfügig begründet und im Wesentlichen unbegründet. Zu Recht wurde im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss der Gegenstandswert des Verfahrens mit insgesamt 6.000 Euro angesetzt und für den Antragsteller zu 1 kein Teilgegenstandswert.
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1. Über die Erinnerung nach § 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO hat im vorliegenden Fall der Einzelrichter zu entscheiden, da das Kostenfestsetzungsverfahren ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren darstellt und die der Kostenfestsetzung zugrunde liegende Kostenentscheidung im Urteil vom 12. November 2018 durch den Einzelrichter, auf den die Entscheidung des Rechtsstreits mit Beschluss der Kammer vom 8. November 2018 gemäß § 76 Abs. 1 AsylG übertragen worden war, getroffen wurde (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 - 11 VR 40.95 - NVwZ 1996, 786; BayVGH, B.v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426 - BayVBl 2008, 417).
19
2. Die mit der Erinnerung angefochtene Entscheidung des Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsbeschluss ist nur geringfügig rechtswidrig, weit überwiegend aber rechtmäßig.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die ihm zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen nicht aus einem auf ihn entfallenden Teilgegenstandswert sondern aus dem Gesamtgegenstandwert des Verfahrens unter Berücksichtigung seines anteiligen Obsiegens zu berechnen. Dies ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG:
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Der Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz ergibt sich aus § 30 RVG; ein Streitwert ist wegen der Gerichtskostenfreiheit nach § 83b AsylG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG nicht festzusetzen. In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5.000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2.500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1.000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
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a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers bietet § 30 Abs. 1 Satz 2 RVG keine Grundlage für eine Abrechnung nach Teilgegenstandswerten. Dies ergibt sich durch Normauslegung:
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Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 RVG ist bereits deutlich. Danach „beträgt der Gegenstandswert 5.000 Euro“, d.h. es wird für das Klageverfahren nur ein Gegenstandswert zu Grunde gelegt. Es gibt keine getrennten (Teil-)Gegenstandswerte je beteiligter Person auf der Klägerseite.
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Die Systematik des § 30 Abs. 1 RVG bietet ebenfalls keinen Anhaltspunkt für getrennte (Teil-)Gegenstandswerte, denn „sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1.000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro“. Der Gesetzgeber hat eine Erhöhung des Grundgegenstandswertes angeordnet, nicht die Bildung eines weiteren Gegenstandswerts je weiterer Beteiligter. „Erhöhen“ kann sich ein (einziger) Wert aber nur zu einem Gesamtgegenstandswert, nicht zu mehreren (Teil-)Gegenstandswerten.
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Schließlich bieten auch die Gesetzesmaterialien (BR-Drs. 517/20 S. 214 und BT-Drs. 17/11471 S. 152, 268 f.) keinen Anhaltspunkt für getrennte (Teil-)Gegenstandswerte. Im Gegenteil sollte durch die Einführung eines einheitlichen Gegenstandswerts mit lediglich personenbezogener Erhöhung um Festbeträge „die Vorschrift deutlich vereinfacht werden“ (BT-Drs. 17/11471 S. 269).
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Diesem teleologischen Ziel widerspräche ein Ansatz getrennter (Teil-)Gegenstandswerte.
27
b) Daher ergibt sich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG ein Grundgegenstandswert für das Klageverfahren des Antragstellers zu 1 von 5.000 Euro, der sich durch die Beteiligung der Antragstellerin zu 2 um 1.000 Euro auf insgesamt 6.000 Euro erhöht.
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Wie im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgeführt, sind die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsteller gemeinsam aus diesem erhöhten Gegenstandswert zu errechnen, wegen der Beteiligung zweier Personen zu halbieren und daraus ist ein Viertel des auf den Antragstellers zu 1 entfallenden Teils wegen seines Obsiegens in einem von vier Streitgegenständen seines Verfahrens ersatzfähig gegenüber der Antragsgegnerin.
29
Die Aufwendungen sind bei einem Gegenstandswert von 6.000 Euro wie folgt zu berechnen:
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1,3 Verfahrensgebühr 460,20 Euro
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1,2 Termingebühr 424,80 Euro
32
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 Euro
33
Zwischensumme 905,00 Euro
34
19% Umsatzsteuer 171,95 Euro
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Summe 1.076,95 Euro
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Somit besteht für den Antragsteller zu 1 ein Anspruch auf ein Viertel aus der Hälfte von 1.076,95 Euro, also 134,62 Euro.
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Bei der vom Urkundsbeamten nur mit 424,60 Euro statt 424,80 Euro angesetzten Terminsgebühr handelt es sich offensichtlich um einen Übertragungsfehler. Die zu erstattenden Aufwendungen erhöhen sich daher um 0,03 Euro.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO unter Berücksichtigung des geringfügigen Obsiegens des Antragstellers zu 1 um 0,03 Euro im Vergleich zu seinem Begehren einer Erhöhung der zu erstattenden Aufwendungen von 134,59 Euro auf 231,31 Euro, mithin um 96,72 Euro.
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Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
40
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG als lex specialis zu § 1 Abs. 3 und § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG unanfechtbar (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2017 - 21 CS 17.30500 - juris Rn. 2; NdsOVG, B.v. 19.6.2018 - 10 OA 176/18 - juris Rn. 7 ff.).