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Text gilt ab: 01.06.2008
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73-W

Öffentliches Auftragswesen:
Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung
vom 29. April 2008, Az. B II 2-515-252

(AllMBl. S. 322)

(StAnz. Nr. 20)

Zitiervorschlag: Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über das Öffentliches Auftragswesen:Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vom 29. April 2008 (AllMBl. S. 322, StAnz. Nr. 20)

1. 

Nach Art. 100 der Verfassung und Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Hierzu gehört das Bekenntnis des Deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes). Zum Kernbestand dieser Menschenrechte zählt das Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit, wie es insbesondere in Art. 4 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 ausdrücklich verbürgt wird. Die dort gewährleisteten Grundrechte werden nach Art. 6 Abs. 2 des EU-Vertrags von der Europäischen Union als Grundrechte geachtet; Gleiches gilt für Grundrechte, wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Auch nach der Rechts- und Werteordnung der Verfassung und des Grundgesetzes hat jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 101 der Verfassung, Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes).

2. 

Das Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (im Folgenden: IAO-Übereinkommen Nr. 182) ist durch Zustimmungsgesetz vom 11. Dezember 2001 (BGBl II S. 1290) am 18. April 2003 in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 28. Juni 2002, BGBl II S. 2352). Nach Art. 2 des IAO-Übereinkommens Nr. 182 gelten als „Kind“ alle Personen unter 18 Jahren. Der Ausdruck „die schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ umfasst dabei nach Art. 3 Buchst. a und d des IAO-Übereinkommens Nr. 182 insbesondere:
alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Verkauf von Kindern und den Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich der Zwangs- oder Pflichtrekrutierung von Kindern für den Einsatz in bewaffneten Konflikten;
Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist.

3. 

Der sich aus Art. 1 und 7 des IAO-Übereinkommens Nr. 182 ergebenden Pflicht, unverzügliche und wirksame Maßnahmen zu treffen sowie deren wirksame Durchführung sicherzustellen, wird auf nationaler Ebene durch den Vollzug der entsprechenden Vorschriften zum Jugendarbeitsschutz nachgekommen. Der Freistaat Bayern achtet darüber hinaus bei seiner Beschaffung darauf, dass bei der Herstellung bzw. Bearbeitung der entsprechenden Produkte weder gegen die nationalen Jugendarbeitsschutzgesetze verstoßen wird noch gegen Normen, die außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes zur Umsetzung des IAO-Übereinkommens Nr. 182 erlassen wurden oder die sonst dem Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit dienen.

4. 

Die staatlichen Vergabestellen haben daher bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Freistaates Bayern in begründeten Fällen eine Eigenerklärung zu verlangen, die bei Annahme des Angebots Vertragsbestandteil wird. Eigenerklärungen kommen derzeit insbesondere bei folgenden Produkten in Betracht, falls diese in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder bearbeitet wurden:
Sportbekleidung, Sportartikel, insbesondere Bälle;
Spielwaren;
Teppiche;
Textilien;
Lederprodukte;
Billigprodukte aus Holz;
Natursteine;
Agrarprodukte wie z.B. Kaffee, Kakao, Orangen- oder Tomatensaft.

5. 

Eigenerklärungen sind zulässig und notwendig, um die Zuverlässigkeit des Auftragnehmers abzuklären. Die Nichtabgabe der Erklärung oder die Abgabe einer wissentlich oder vorwerfbar falschen Erklärung hat den Ausschluss von dem laufenden Vergabeverfahren zur Folge. Die Erklärung muss mindestens folgenden Inhalt haben:
a)
die Angabe, ob die angebotene Leistung oder Lieferung von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffene Produkte nach Nr. 4 Satz 2 enthält;
b)
falls die Leistung oder Lieferung solche Produkte enthält, die Zusicherung, dass die Herstellung bzw. Bearbeitung der zu liefernden Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinn des IAO-Übereinkommens Nr. 182 erfolgt bzw. erfolgt ist sowie ohne Verstöße gegen Verpflichtungen, die sich aus der Umsetzung dieses Übereinkommens oder aus anderen nationalen oder internationalen Vorschriften zur Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit ergeben;
c)
falls die Erklärung nach Buchst. b nicht abgegeben werden kann, die Zusicherung, dass das Unternehmen, seine Lieferanten und deren Nachunternehmer aktive und zielführende Maßnahmen ergriffen haben, um ausbeuterische Kinderarbeit im Sinn des IAO-Übereinkommens Nr. 182 bei der Herstellung bzw. Bearbeitung der zu liefernden Produkte auszuschließen.

6. 

Erweist sich nach Vertragsschluss, dass eine wissentlich oder vorwerfbar falsche Erklärung abgegeben oder gegen mit der Erklärung eingegangene Verpflichtungen verstoßen wurde, so sollen Verträge nach VOL/B in der Regel aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.

7. 

Die Erklärung ist bei Bauleistungen nach dem im Vergabehandbuch Bayern enthaltenen Formblatt zu verlangen. Bei sonstigen Leistungen kann das als Anlage beigefügte Muster verwendet werden.

8. 

Den kommunalen Auftraggebern und den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren. Das Gleiche gilt für Empfänger von Zuwendungen des Freistaates Bayern, wenn die Zuwendungen zur Beschaffung von Produkten nach Nr. 4 Satz 2 gegeben werden.

9. 

Diese Bekanntmachung tritt am 1. Juni 2008 in Kraft.

Der Bayerische Ministerpräsident
Dr. Günther Beckstein