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BauKaV
Text gilt ab: 30.12.2023
Fassung: 01.06.2007
§ 11
Prüfung der Verhältnismäßigkeit
(1) 1Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Regelungen im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 1 BauKaG, ist durch die Kammer eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den folgenden Bestimmungen durchzuführen. 2Die Regelungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.
(2) 1Regelungen müssen durch Ziele des Allgemeininteresses im Sinne des Art. 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein. 2Sie müssen für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen.
(3) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
1.
die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;
2.
die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa die Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;
3.
die Eignung der Regelungen zur angemessenen Erreichung des angestrebten Ziels, und die Frage, ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;
4.
die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;
5.
die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Regelungen nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind, als die Tätigkeiten vorzubehalten;
6.
die Wirkung der neuen oder geänderten Regelungen, wenn sie mit anderen Regelungen, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, kombiniert werden, und insbesondere, wie die neuen oder geänderten Regelungen kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresse liegenden Ziels beitragen und ob sie hierfür notwendig sind.
(4) Darüber hinaus sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die folgenden Punkte zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind:
1.
der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeiten, die von einem Beruf erfasst sind oder die einem Beruf vorbehalten sind, und der erforderlichen Berufsqualifikation;
2.
der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf das Niveau, die Eigenart und die Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;
3.
die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;
4.
die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;
5.
der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;
6.
die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern abbauen oder verstärken können.
(5) Wird die neue oder geänderte Vorschrift mit einer oder mehreren insbesondere der folgenden Anforderungen kombiniert, so ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen, insbesondere ist zu prüfen, wie die neue oder geänderte Vorschrift kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben legitimen Zwecks beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist:
1.
Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG;
2.
Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;
3.
Regelungen in Bezug auf Berufsorganisation, Standesregeln und Überwachung;
4.
Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen;
5.
quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmer, Geschäftsführer oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen;
6.
Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufs zusammenhängen;
7.
geografische Beschränkungen, einschließlich dann, wenn der Beruf in Teilen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union in einer Weise reglementiert ist, die sich von der Reglementierung in anderen Teilen unterscheidet;
8.
Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln;
9.
Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;
10.
Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind;
11.
festgelegte Mindest- und/oder Höchstpreisanforderungen;
12.
Anforderungen für die Werbung.
(6) 1Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich der folgenden Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden:
1.
eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG;
2.
eine vorherige Meldung gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Dokumente oder eine sonstige gleichwertige Anforderung;
3.
die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung gefordert werden.
2Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.